Blackout wie auf der iberischen Halbinsel: In Deutschland sehr unwahrscheinlich laut Klaus Müller

Am Montag gab es ein großflächiges Blackout in Spanien und Portugal. Die Tagesschau fragte Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, wie wahrscheinlich das in Deutschland sei, und er sagte, das sei sehr unwahrscheinlich, und verweist auf die n-1-Struktur ( Wäre ein Blackout auch in Deutschland möglich? | tagesschau.de ).
Das ist (soweit ich das beurteilen kann) zwar nicht falsch, könnte aber ein übertriebenes Sicherheitsgefühl vermitteln, denn

  1. das n-1-Kriterium ist eine Standard für Übertragungsnetzbetreiber, z. B. in Europa [ https://www.entsoe.eu/fileadmin/user_upload/_library/publications/entsoe/Operation_Handbook/Policy-4-v2.pdf P4-3],
  2. einer der bisher letzten großen Stromausfälle in Europa ist von einem deutschen Netz ausgegangen, die Ursache Nr. 1 war, dass das n-1-Kriterium dort nicht erfüllt war [ https://www.entsoe.eu/fileadmin/user_upload/_library/publications/ce/otherreports/Final-Report-20070130.pdf p. 48].

Es ist noch unbekannt, was den Stromausfall auf der iberischen Halbinsel verursacht hat, und deshalb ist es schwer zu sagen, ob das auch in Deutschland passiern könnte. Die Darstellung des Präsidenten der Bundesnetzagentur in der Tagesschau fand ich jedoch unterkomplex, da hätte ich es besser gefunden, zu sagen, dass es noch zu früh ist, das zu beurteilen (gerne auch mit Verweis auf die gute Netzsicherheit in Deutschland in der Vergangenheit), als diesen Hinweis auf eine n-1-Struktur, der so verstanden werden konnte, als sei das etwas, was die Netze in Deutschland von denen auf der iberischen Halbinsel unterscheide.

Deswegen finde ich es eigentlich noch zu früh darüber zu diskutieren, ob das bei „uns“ auch möglich wäre. Aber generell muss man sich natürlich mit dem Thema beschäftigen.

Was allerdings schon jetzt eine Erkenntnis ist: EE-Anlagen waren beim Neustart des Netzes extrem nützlich, weil sie im Gegensatz zu großen Kraftwerken quasi keine Energie zum Anlaufen brauchen.

Edit: Inhalt

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weswegen ich die Aussage, sowas könnte in Deutschland nicht passieren, wenn noch gar nicht klar ist, was es war, etwas befremdlich.

Was stimmt ist, dass das deutsche Stromnetz sehr stabil aufgestellt ist. Beispielsweise führte die absichtliche Zerstörung eines nicht grade kleinen Strommastes (Terrorismus?) zu einem Stromausfall von grade mal 10 Minuten.

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Das ist aber auch an sich ein recht klassischer Fall von n-1. Es ist genau eine Leitung betroffen gewesen und damit konnte die Auswirkung gut durch das System aufgefangen werden. Das es dann nur lokal trotzdem kurzzeitig zu einem Ausfall und nicht das ganze System herunterfährt, ist gerade Ausdruck das es funktioniert. Hier war es aber klar menschliche Manipulation und auch in dem genannten Fall:

war es (auch aufgrund nicht ausreichend vorhandener Koordination) sehr viel menschliches Versagen. Es hätte damals nämlich auffallen müssen, dass es ein Problem geben wird. Man hat schlicht lieber schnell gearbeitet als die angepasste Ausfallzeit sauber berechnet und die Freigabe erst erteilt, wenn man sich wirklich über die Folgen bewusst ist.

Ob das hier in der Situation überhaupt möglich gewesen wäre, ist aktuell nicht zu sagen. Allerdings gibt es aktuell aus meiner Sicht eine wesentliche Sache, die das Problem vermutlich über n-1 hinausgehen lassen (und damit auch die Kritik an der Aussage der BNetzA bestärken).

In Spanien und Portugal würde ich in Frage stellen, ob das überhaupt noch ein klassischer n-1 Fall war. Nach aktuellem Wissen sind knapp 60% des Demands nicht mehr gedeckt gewesen, weil wohl bis zu 15 GW Leistung ausgefallen sind. Aber selbst das hat das Netz wohl erst mal noch ausgeglichen bekommen. Nur ist dann wohl innerhalb von 1,5 Sekunden noch mal die Versorgung eingebrochen worauf hin nach 5 Sekunden (nach dem ersten Vorfall) das Netz von Frankreich entkoppelt wurde (Lo que se sabe y no del apagón masivo: Red Eléctrica niega un ciberataque mientras el Gobierno se resiste a descartar nada | Sociedad | EL PAÍS - auf Spanisch, aber das kann man sich ja inzwischen gut übersetzen lassen). Das hat das System dann insgesamt nicht mehr kompensieren können. Es ist also eine Kaskade von Ereignissen und allein der Auslöser des ersten Ereignisses muss nicht unbedingt auch die Ursache für die folgenden Aspekte sein (klar hat es die Kette ausgelöst, aber die Frage ist auch, wieso es nach dem ersten schnellen stabilisieren noch weitergehen konnte).

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Ja, ein Argument dafür, beim Problemlösen neben der technischen Grundursache auch die im Management zu suchen.

Interessant. Hast Du dazu weitere Informationen/Quellen?

Vielen Dank für den Link. Ja, wenn das 2 separate Ausfälle waren, reicht n-1 nicht mehr. Auffällig ist, dass die so kurz hintereinander auftraten. Ich bin auf die Ergebnisse der Untersuchungen gespannt.

Als weitgehend gesichert gilt aber, dass am Montag um 12:33 Uhr plötzlich 15 Gigawatt weniger Strom im Netz waren. Der Leistungsabfall dauerte lediglich fünf Sekunden, aber führte zum Zusammenbruch des Systems und somit zu einem Blackout, der weite Teile der Iberischen Halbinsel betraf und ortsabhängig bis zu 18 Stunden anhielt.
15 Gigawatt Strom entsprechen ungefähr 60 Prozent von dem, was die spanische Bevölkerung schätzungsweise zu diesem Zeitpunkt am Vormittag verbraucht, das erklären Regierungsquellen.
Stromausfall Spanien und Portugal: Wie können 15 Gigawatt "verschwinden"? | MDR.DE

Bei n-tv findet sich eine Graphik

Experte über mögliche Ursache: Trägt Solarboom Mitschuld am Spanien-Blackout? - n-tv.de

Man sieht, dass die Photovoltaik stark ansteigt und dann alles wegbricht, womöglich war zu viel Strom im Netz. Darum ist es wichtig, dass die Betreiber Durchgriffsrechte haben und die Anlagen abschalten dürfen, solange es keine Speichermöglichkeiten gibt.
N-TV schreibt, dass Spaniens Netz durch die Pyrenäen ein Sonderfall ist, da es nur eine schwache Anbindung ans europäische Netz gibt, die aber verbessert werden soll. So kann ein Stromüberschuss nicht so gut abfließen wie zum Beispiel in Deutschland.

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Die Solarerzeugung ist allerdings ab 10:30 schon relativ konstant bei etwas oberhalb von 19 GW. Das ist auch alles in allem ein normaler Vorgang und so schon bekannt (also kein plötzliches Zuschalten von PV). Die Frage ist viel eher, wieso sich 15 GW Leistung „verabschiedet“ haben, obwohl eben nicht zu viel Strom im Netz war. Wie oben beschrieben war das Ergebnis nach 5 Sekunden. Es gab jedoch zuvor einen ersten (undefinierten) Einbruch. Der ist nach 1,5 Sekunden wohl vom System schon wieder ausgeglichen gewesen, bevor es einen zweiten Abfall gegeben hat. Nach 5 Sekunden hat sich dann der Split von Spanien und Frankreich ergeben (deshalb auch die Quelle aus El Pais, weil ich in keinem deutschen Medium diese drei Schritte so abgebildet gefunden habe). Da sind dann die kompletten 15 GW ausgefallen. Das scheint das Netz in Spanien und Portugal dann schlicht nicht mehr verkraftet zu haben. Ob da nun zu dem Zeitpunkt zu viel oder zu wenig Strom vorhanden war ist etwas unklar.

An sich hat Spanien zuvor noch nach Frankreich exportier (Data view), was auch den Frequenzabfall in Zentraleuropa erklärt. Da mussten die über 2 GW Leistung, die eigentlich aus Spanien über den Interkonnektor bereitgestellt wurden, ausgeglichen werden.

(Gridradar ermöglicht Einblicke in Stromnetze | Gridradar).

Was in dem Kontext allerdings auch interessant ist. In Spanien und Portugal (gelb und blau) gab es wohl weder einen dramatischen Anstieg oder Abfall der Netzfrequenz, wie es bei einem solchen Fehlbetrag der Nachfrage zu Angebot erwarten lässt. Interessant sind hier eventuell die Oszillationen, die im Zeitraum davor aufgetreten sind. Die Frequenz in Spanien und Portugal war also schon davor immer wieder Abweichungen unterworfen, konnte aber wohl ausgeglichen werden. Inwiefern das einen Einfluss auf die später folgenden Ereignisse hatte ist allerdings unklar. Diese Oszillationen hat es allerdings auch in der Vergangenheitimmer wieder gegeben. Gerade für Spanien ist das auch in 2016 schon mal analysiert worden (https://eepublicdownloads.entsoe.eu/clean-documents/SOC%20documents/Regional_Groups_Continental_Europe/2017/CE_inter-area_oscillations_Dec_1st_2016_PUBLIC_V7.pdf) und hatte auch keine so dramatischen Folgen. Der Effekt alleine sollte auch keine solche Folgen bedingen können, sondern es bedarf einer Kombination von Faktoren.

Edit: Anpassung des Ablaufs anhand ¿Qué causó el apagón? Explicación visual y breve de lo que sabemos | Clima y Medio Ambiente | EL PAÍS (spanisch).

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Hier noch im Nachgang eine ganz gute Zusammenfassung (Spanisch): The Oil Crash: Post de urgencia: Calambrazo
Auslöser scheint ein Überangebot von Photovolatik gewesen zu sein, ohne dass ausreichend stabilisierende Systeme dazugeschaltet wurden. Der Autor des Artikels kritisiert, dass die großen spanischen Energieversorger nicht ausreichend in Netzstabilität investiert hätten, während gleichzeitig auch immer mehr Privatversorger Photovoltaik einspeisen ins Netz. Ist also Ausdruck eines politischen Tauziehens zwischen denjenigen, die die Erneuerbaren für den Blackout verantwortlich machen; und denjenigen, die für die Erneuerbaren sind, aber mehr Investitionen fordern in die Stabilität des Netzes.

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Und das ist wieder so ein albernes Phänomen unserer heutigen Zeit. Die Informationen, um die Ursachen zu ermitteln, sind ja da. Man muss sie nur in Ruhe vernünftig auswerten. Gleichzeitig gibt es weder den Bedarf, noch eine sinnvolle Möglichkeit, sehr kurzfristig auf dieses Ereignis zu reagieren.
Wir könnten also ganz entspannt abwarten, bis die Profis die Ursache geklärt haben. Stattdessen wird wild spekuliert und natürlich jede Menge Halbwahrheiten propagiert, die sich in den Köpfen der Menschen festsetzen. Wenn das also Thema der Lage wird, was ich prinzipiell gut fände, würde ich das jetzt nur am Rande erwähnen und vielleicht die schlimmsten kursierenden Fake News dazu einordnen, aber erst dann ausführlich berichten, wenn die Informationslage das einigermaßen hergibt.

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Im vergangenen Jahr habe ich einen, zumindest von den Auswirkungen her, ähnlich gelagerten Fall in Spanien im Rahmen eines Moduls bei Prof. Rehtanz untersucht. Im Jahr 2021 kam es dort zu einem Systemsplit zwischen Spanien und dem restlichen europäischen Verbundnetz. Auslöser war ein Doppelfehler auf den Transportleitungen zwischen Spanien und Frankreich. Die verbleibenden Leitungen konnten die Leistung nicht übernehmen und wurden infolgedessen ebenfalls abgeschaltet.

Das Besondere dabei: Das System war zuvor N-1-sicher. Bei Höchstspannungsnetzen bedeutet N-1-Sicherheit, dass beim Ausfall eines Systems – beispielsweise bei einem Gestänge mit zwei Systemen, also je drei Phasen – das verbleibende System die Last weiterhin tragen kann. Das bezeichnet man dann als N-0-Zustand. Kommt es jedoch zum Ausfall beider Systeme auf demselben Gestänge – also z. B. durch einen Doppelfehler am gleichen Mast oder einer gemeinsamen Oberleitung – befindet sich das Netz in einem kritischen Zustand.

Genau das war in Spanien der Fall. Das N-1-Kriterium konnte diesen Vorfall also nicht verhindern. Vor diesem Hintergrund erscheint mir die Aussage von Klaus Müller als nicht zutreffend – zumindest müsste sie differenzierter betrachtet werden. Das bedeutet natürlich nicht, dass die Ursache diesmal diesselbe wie 2021. Fachinformationen sind leider aktuell spärlich und bist der bericht der entso-e kommt dauert es wohl noch.
Hast du @BamChiller vielleicht noch quellen mit etwas mehr ins detailgehenden Fachinformationen zum aktuellen Fall ?

Hier ein sehr interessantes fundiertes Video mit Fachinformationen dazu: https://youtu.be/oF5rHr0qapg?si=9but3ReKpEAlJuEX Für mich als Laie bedeutet das folgendes: Nicht nur die Einspeisung wird zunehmend dezentraler, auch die Abnehmer von Leistung ( KI-Recherche, Rechenzentren…e-Autos etc) werden zunehmend unterschiedlicher. Das ist bekannt und es gibt Lösungen für diese komplexen Systeme. Wir sollten also endlich anfangen unsere Stromnetze resilienter zu machen…

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Mehr als die bislang öffentlich verfügbaren Informationen habe ich leider auch nicht. Es gibt zwar genug Menschen aus der Branche/Forschung, die auch wirklich Expertise in dem Bereich haben, aber viel mehr als Theorien und Erklärungsversuche auf Basis dieser Information können sie auch nicht liefern. Mein LinkedIn ist zum Beispiel im Moment voll damit. Auf der Suche nach der Nadel im Heuhaufen sind alle. Wenn du Lust hast und spanisch kannst. Hier ist die Red Elektrica Pressekonferenz (vielmehr neue Informationen sind auch nicht dazu gekommen): https://www.youtube.com/watch?v=ssthvRCXoRg. Das ist zumindest eine der Primärquellen, auf deren Basis auch viele Medien (leider vereinfachend) ihre Erklärung aufbauen

Insofern muss man aber vorsichtig sein und Quellen wie wie der oben verlinkte Blog von @Dirksen, die auch direkt schuldige benennen (hier die Unternehmen) würde ich doch sehr als fragwürdig einschätzen.

Das verlinkte YouTube Video von @jukehuebner ist insofern gut, dass es eben nicht meint, den Grund zu kennen, sondern auf recht theoretischer Weise da liegt, was eine mögliche Quelle des Ausfalls sein kann. Demzufolge braucht es aber noch mehr öffentliche Daten, um die Theorie zu untermauern oder verwerfen zu können

Auch hier wird auf die schon zuvor bestehenden Oszillation verwiesen. Es wird aber noch mal dargelegt, dass es nicht ausreichend sein könnte zu sagen. Die waren ja schon mehrere Minuten vor dem Ausfall nicht mehr existent und damit irrelevant. Das ist insofern wiederum wichtig, weil es solche Situationen schon öfter im Netz gegeben hat ohne eben diese Konsequenz. Neben den Oszillation kann auch ein nicht bemerkter Drift in der Spannung dazu geführt haben, Dass das System in einem nicht mehr zu rettenden Zustand geraten ist. Er verweist auf einen Stromausfall in Griechenland im Jahr 2004 wo der Drift wohl schon mehrere Stunden vor dem eigentlichen Ausfall begonnen hat.

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Wenn man jetzt so in die Nachrichten schaut, dann kann man schon wieder Puls kriegen. Überall wird, natürlich „ganz vorsichtig“, Kritik an den Erneuerbaren Energien geübt.

Dabei spielt es politisch fast überhaupt keine Rolle, ob vielleicht irgendwelche schlecht programmierten Wechselrichter von Solaranlagen für den Stromausfall gesorgt haben, oder nicht.
Solche schlechten Wechselrichter wären vorrangig ein Problem der Industrie und von Normungsgremien wie VDE, DIN usw., die Regularien rausgeben müssten, damit diese Geräte ordentlich arbeiten. Und solche verbesserten Regeln würden noch gesetzlich vorgeschrieben werden müssen, aber das ist normalerweise auch kein Gegenstand öffentlicher Debatten.

Eine echte Debatte ist es nur deswegen, weil da draußen immer noch zu viele Leute sind, die vergessen haben, warum wir eigentlich Erneuerbare Energien brauchen, nämlich weil fossile Kraftwerke das Klima verändern und weil Kernkraftwerke die Umwelt verstrahlen, wenn bei Betrieb oder Müll-Lagerung etwas schief geht.

Und diesen Leuten ist ihre, als begründet empfundene Kritik an Wind- und Solar-Energie offenbar so wichtig, dass sie dabei GAUs und Endlager-Probleme genauso vergessen wie Dürren und einen steigenden Meeresspiegel oder die schlichte Tatsache, des es Stromausfälle immer wieder mal gab, weil komplexe Systeme nun einmal immer ein gewisses Rest-Ausfallrisiko haben.

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Da bestehenden Anlagen unter Bestandsschutz stehen. Es gibt keine rechtliche Grundlage, um rückwirkend technische Anpassungen zu verlangen insbesondere, da viele dieser Anlagen ursprünglich nicht dafür konzipiert wurden, netzstützende Funktionen wie Frequenzregelung zu übernehmen.

Die Erklärung mit dem „Wechselrichter bitte ab Frequenz X abschalten“ finde ich nachvollziehbar.
Das ist wieder mal so ein Fall wo etwas gut funktioniert, wenn es nur ein paar Geräte machen.
Es aber böse in die Hose geht, wenn alle das so machen.
(So etwas gibt es auch bei Menschen-Aktionen :slight_smile:

Der Lösungsansatz mit zufälliger Zeitverzögerung und zufälligen Trigger-Limit finde ich genial.

Ich bin mir nicht sicher, dass es nur einer anderen Softwäre bedürfte, damit sich Wechselrichter genauso verhielten wie Synchrongeneratoren. Die haben unterschiedliche Arbeitsweisen, und für die Auslegungen ihrer Energiespeicher, die für die Momentanreserve zur Verfügung stehen (wohl im Wesentlichen Kapazität und Spannung der Zwischenkreiskondensatoren bzw. Trägheitsmoment und Drehzahl des Rotors) gibt es technisch unterschiedliche Anforderungen. Da werden vermutlich unterschiedliche Ergebnisse herauskommen.
Ähnliches gilt für die dafür zur Verfügung stehende Leistung.
Wenn man durch Gesetze erzwingen würde, dass sich das eine Gerät gegenüber dem Netz genauso wie das andere verhielte, würde das wahrscheinlich die Kosten in die Höhe treiben, und das sollte politisch eine Rolle spielen.
Besser wäre es, den Bedarf aus System-/Netzsicht zu untersuchen und zu überlegen, womit man ihn decken kann (diverse Geräte und Steuerungen).

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Es gibt ein neues Update. Laut der spanischen Ministerin für die ökologische Wende und demografische Herausforderung als Teil der Kommission, die den Ausfall in Spanien untersucht, gab es 19 Sekunden vor dem ersten Ausfall der Leistung noch einen weiteren Leistungsabfall. Leider gibt es dazu anscheinend noch keine öffentlichen Daten und sie hat in der Sendung auch nicht gesagt, wie gravierend dieser Ausfall war. das System scheint sich aber auch von diesem Ausfall „erholt zu haben“. Es ist zumindest unklar, ob es einen Zusammenhang (wie auch bei den Frequenzoszillationen schon) zu der späteren Kaskade gibt.

Die genaue Ursache ist also weiterhin unklar und die Analyse scheint weiterhin Zeit zu brauchen. Es geht aber voran und ich hoffe, dass sie bald auch Kapazitäten haben, um die öffentlichen Daten zu bereinigen und zu vervollständigen.

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Ich glaube, hier kommen gerade 2 Dinge durcheinander.

Meine Aussage bezog sich auf die These von Lion Hirth, wonach sich in Spanien viele Wechselrichter beim Überschreiten von 50,2 Hz gleichzeitig abgeschaltet haben könnten. Da dieses Problem in Deutschland lt. Hr. Hirth mit Software-Änderungen behoben worden ist, habe ich von „schlecht programmierten Wechselrichtern“ gesprochen. Fair enough: Das mag vielleicht etwas streng formuliert gewesen sein, weil dieses Szenario beim Bau der spanischen PV-Anlagen (und deren Wechselrichter) eventuell noch nicht bekannt war. Aber es bliebe dennoch ein Software-Problem.

Das generelle Regelverhalten von Wechselrichtern, auf das du dich mit dem Synchrongeneratoren-Vergleich beziehst (Stichwort: Momentanreserve) ist nochmal eine ganz anderes Problem (siehe z.B. Einleitung dieses Papers der TU-Graz). Es wird zwar aktuell dazu geforscht, das Wechselrichter auch Momentan-Reserve bereitstellen können (Quelle: Fraunhofer) und die Politik ist auch dran (z.B.: Roadmap BMWK), aber die Umsetzung in der Praxis stockt wohl noch. Das wurde im Podcast mMn auch korrekt so umrissen. Aber wie gesagt: Meine Aussage oben bezog sich nicht auf die Regelung, sondern das Abschaltverhalten der Wechselrichter.

Und im Grunde ich wollte auch gar nicht so ins Detail gehen, denn meine Meinungsäußerung oben war eigentlich eher politisch: Das größte Problem der erneuerbaren Energien ist nicht die Technik, sondern die gesellschaftliche Akzeptanz.

Wenn so eine Grundlage gebraucht wird, dann schafft man sie halt.

Ein Beispiel dazu ist das Problem der gleichzeitigen Abschaltung bei Überschreiten von 50,2 Hz Netzfrequenz (50,2 Hz-Problem), welches von Prof. Hirth auch im Podcast erwähnt wurde.

In Deutschland wurde damals zur Lösung eine Nachrüstung bestimmter PV-Wechselrichter (je nach Leistung und Netzebene der Anlage) verordnet (Quelle: BDEW). Die betroffenen Anlagen-Betreiber mussten mitmachen, die Kosten der Umrüstung wurden aber aus Netzentgelten und EEG-Umlage erstattet, lediglich die Kosten durch den Anlagenausfall während der Umrüstung mussten die Betreiber selbst tragen. PV-Anlagen unter 10 kW waren nicht betroffen.

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Danke für die Erläuterung. Dieser Bezug war zumindest für mich nicht klar gewesen.

Das 50,2-Hz-Problem ist schon lange bekannt und in Deutschland wurden schon vor über 10 Jahren plausible Maßnahmen dagegen ergriffen [ Einrichtung zur Netzüberwachung mit zugeordneten Schaltorganen – Wikipedia ], deshalb würde es mich wundern, wenn es bei diesem Blackout die Hauptursache wäre.

Deshalb halte ich es für wahrscheinlich, dass jetzt weitergehende Maßnahmen nötig sind, also wie gesagt ist es denkbar, das eine Softwareänderung nicht ausreicht, sondern auch Hardware geändert werden muss, was wahrscheinlich höhere Kosten verursacht.

Außerdem ist es mir wichtig, dass man die Ursache untersucht und Lösungsmöglichkeiten im ganzen System sucht, und dann eine effiziente auswählt. Eine zu spezifische Regulierung, z. B. wenn man vorschreiben würde, dass allein Wechselrichter das Problem lösen müssten, würde vermutlich unnötig hohe Kosten verursachen.

Politisch sind wir bei dieser Thematik, glaube ich, recht nahe beieinander: Wenn jetzt mutmaßlich ein Problem bei dem aktuellen Einsatz von erneurbaren Energie offenbar geworden ist, sollte man es lösen, und nicht generell auf erneuerbare Energien verzichten. Letzteres würde wahrscheinlich viel mehr Kosten verursachen als eine Lösung des (noch genauer zu klärenden) Problems, das zu dem Blackout geführt hat.

Ja, intuitiv hat es mich auch gewundert, dass Spanien damit noch Probleme haben soll. Aber ich weiß auch nicht, ob Spanien das 50,2 Hz-Problem überhaupt angegangen ist und wenn ja, wie. Deswegen erscheint mir Herrn Hirths Theorie erst mal nicht unplausibel.

Jetzt sind wir wieder beim generellen Regel-Verhalten der PV- und Wind-Wechselrichter und der fehlenden Momentanreserve, oder? In dem Fall würde ich hier erst mal den Einleitungstext aus dem Paper der TU Graz zitieren, den ich oben (Link) verlinkt habe, damit das Problem den anderen Lesern vielleicht verständlicher wird und damit wir auch alle dasselbe Problem meinen:

Die bereits im Verbundnetz eingesetzten Wechselrichter sind so geregelt, dass sie vorrangig die erzeugte Leistung effizient in das Netz einspeisen, […] Sie werden als netzstützende Wechselrichter (engl. Grid Supporting Inverter, GSI) bezeichnet […] Allerdings können diese Wechselrichter aufgrund ihrer [auf Energie-Effizienz ausgerichteten] Regelung nicht instantan auf Änderungen des Netzzustandes reagieren, sodass diese keine Momentanreserve bereitstellen können. […]

Da die Betriebsweise von Wechselrichtern jedoch maßgeblich von der übergeordneten Regelungsstrategie abhängt, ist es grundsätzlich möglich, Wechselrichter so zu regeln, dass diese wie Synchrongeneratoren Spannungsquellenverhalten aufweisen und so u. a. die Momentanreserve-Bereitstellung von Synchrongeneratoren ersetzen können. Diese werden als netzbildende Wechselrichter (engl. Grid Forming Inverter, GFI) bezeichnet, […]

Dazu vielleicht noch mal eine sehr übersichtliche Grafik aus einem Artikel (Quelle) des Fraunhofer ISE (blauer Pfeil und Rahmen stammen von mir):

Wechselrichter_Arten2

[Anmerkung: Die Begrifflichkeiten sind hier möglicherweise etwas verwirrend, weil die Netz-stützenden Wechselrichter tatsächlich „weniger“ Stabilität für das Netz bringen, als die Netz-bildenden Wechselrichter. Das ist aber (leider) so.]

Diese Änderung von netzstützendem zu netzbildendem Regelverhalten, wurde auch im Podcast erwähnt. Dabei fiel aber nicht der Begriff „Regelverhalten“, sondern es wurde davon gesprochen, dass Wind- und PV-Wechselrichter Netz-stabilisierend wirken sollen, was ja auch das übergeordnete Ziel ist.

Aber zurück zur eigentlichen Diskussion:
Ich habe mir die Stelle in LdN429 noch mal angehört und ich denke ich weiß jetzt auch, worauf sich die Ausführungen von @Helmut beziehen. Ulf drückt sich da so aus, dass der Eindruck entstehen könnte, es würde reichen nur die Software der Wechselrichter zu ändern und dann wäre das Regelverhalten so geändert, dass diese Wechselrichter dann Netz-bildend arbeiten und z.B. Momentanreserve bereitstellen, obwohl sie ursprünglich gar nicht dafür gebaut wurden. Stimmt das so in etwa @Helmut ?

Falls ja:
Da bin auch nicht 100 % sicher, ob die Aussage aus dem Podcast so stimmt. Das Regelverhalten wird natürlich primär durch die Software bestimmt. Aber vlt. brauchen Wechselrichter leistungsstärkere Halbleiter, wenn sie Netz-stabilisierend arbeiten sollen. Aber hier fange ich jetzt an zu spekulieren, vlt. kann jmd. anderes mehr dazu sagen.
Und ja, daraus werden vermutlich Mehrkosten entstehen, aber bei der Umrüstung wgn. des 50,2-Hz-Problems sind die ja auch aufgefangen worden. Da sehe ich also kein Riesenproblem.

Und daher denke ich, für die übergeordnete Frage: „Haben wir ein generelles Problem mit erneuerbaren Energien?“ lautet die Antwort: Nein.
Man kann die EE-Wechselrichter so auslegen, dass sie Netz-stabilisierend arbeiten, auch wenn man dafür mit Effizienz „bezahlt“. Ob das am Ende der beste Weg ist, oder ob ein (fast) reines EE-Netz andere Lösungen braucht, wie z.B. rotierende Phasenschieber (siehe hier), das wird sich zeigen.
Aber all diese Probleme sind mMn wenig, verglichen mit den gravierenden Folgen der nuklearen bzw. fossilen Stromerzeugung. Deswegen bleibt die Energiewende der richtige Weg.