Bildungspolitik am Abgrund

Liebe Lage,
diese Woche wurde von der „Experten-Kommission“ der KMK die Lösungsvorschläge gegen den akuten und zukünftig noch zunehmenden Lehrermangel vorgestellt. https://www1.wdr.de/nachrichten/lehrermangel-nrw-kmk-experten-kommission-100.html
Kurz zusammengefasst führen die Vorschläge zu einer schlechteren Bildungsqualität.
Die Gründe warum viele Lehrkräfte frühzeitig aus dem Schuldienst ausscheiden sind mannigfaltig.(https://www.swr.de/swr2/wissen/verzweifelt-an-der-schule-warum-lehrkraefte-aussteigen-swr2-wissen-2022-10-15-100.html
Die Entwicklung war Absehbar und hätte vermieden werden können. Spätestens seit der ersten PISA-Studie war klar, dass unser Bildungssystem den gesellschaftlichen Ansprüchen nicht genügt und soziale Ungleichheit reproduziert und verstärkt ( Soziale Ungleichheiten in den verschiedenen Bildungsbereichen | bpb.de
Wie in vielen Bereichen der öffentlichen Strukturen wurde die bestehende Infrastruktur im Bildungsbereich kaputt gespart. Dabei wäre genau das Gegenteil hier angebracht gewesen. Kaum anderer Sektor der öffentlichen Hand liefert langfristig (sogar ökonomisch) mehr Rendite https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2017/november/mehr-wachstum-weniger-ungleichheit-oeffentliche-investitionen-lohnen-sich https://www.zeit.de/gesellschaft/schule/2010-01/oecd-bildungsausgaben/seite-2
Die Gründe für diese Entwicklung sind für mich schwer zu erschließen, es ist jedoch sehr ersichtlich, dass weder die Politik, die Medien oder ganz allgemein die Öffentlichkeit dem Thema die Beachtung schenkt, welche angebracht wäre. Bildung ist der Schlüsselsektor um dieses Land überhaupt mit dem Know-How auszustatten zukunftsfähig zu werden. Leider haben Kinder und Schüler keine Lobby, die sich langfristig und lautstark für sie einsetzt. Ich weiß, dass das Thema sehr komplex ist, da sich viele der gesellschaftlichen Probleme in ihm vereinen (Digitalisierung, demografischer Wandel, Föderalismus, Bürokratie, Fachkräftemangel etc.), aber gerade daher würde es mich sehr freuen, wenn Ihr euch diesem Thema ernsthaft und konstruktiv annehmen würdet.

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Danke Jonas,

ich fände das Thema auch extrem wichtig. Ich finde sogar, dass man darüber eine „Extra Lage“ machen könnte, so wie die hervorragende Lage zum Thema „Ausbau der Windkraft“.

Dabei müsste das Thema aber weiter gefasst werden und zwar dahingehend, wie die Schule der Zukunft eigentlich aussehen müsste? Es wird dauernd über Digitalisierung in der Schule gesprochen, aber niemand schert sich darum, dass Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft darüber wie der Mensch am besten lernt, im deutschen Schulsystem schlicht und einfach ignoriert werden.

Aber wie Du ja schon anmerkst: das Thema interessiert offenbar niemanden, was sich ja schon am Feedback der Hörer auf Deinen Vorschlag zeigt.

Trotzdem Danke!
LNA

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So pauschal sollte man das nicht abhaken.
Ich finde das Thema auch sehr wichtig, habe aber keine Kinder und dementsprechend keinen Bezug zu dem Thema.
Dennoch bekomme ich bei meinen Geschwistern mit, wie problematisch die Situation ist mit Stundenausfällen, einem sehr starken Anstieg in den Anforderungen in der 4.Klasse, was dann auch eigentlich gute Schüler stolpern lässt.
Bei der Digitalisierung staune ich, da hat sich einiges getan, aber da geht sicher noch mehr.

Hier scheint viel junges Publikum unterwegs zu sein. Die eigene Schule ist vorbei und Kinder kommen erst noch.
Da kann man halt nichts tun Thema beitragen.

Ich weiß du möchtest gerne schon in der Zukunft sein, aber erstmal sollten wir darüber sprechen wie wir Schule in die Gegenwart bekommen, und zwar nicht nur digital sondern vom grundlegenden Bildungsstandard und der Bildungsidee. Man muss klar fest halten, dass unser Schulsystem derzeit nicht dazu da ist, um Chancengleichheit zu schaffen. Meine Schulzeit ist noch nicht allzu lange her mit knapp 20 Jahren, aber damals war es schon so, dass viele Gymnasien sehr elitär waren. Ich kam aber aus einer Arbeiterfamilie mit höchstens unterem mittleren Einkommen. Das habe ich voll zu spüren bekommen. Ich war dann später auf einem Wirtschaftsgymnasium innerhalb eines Berufsschulkomplexes, das war wesentlich „menschlicher“ und praxisnäher und natürlich bei den allgemeinen Gymnasien als geschenktes Abi verschrien.

Es ist die Frage wo wollen wir hin? Ich denke der Unterricht muss realitätsnäher und praxisorientierter werden. Fächer sollten hinterfragt werden (Reli MUSS weg, es gibt wichtigere Themen die dort behandelt gehören) und auch die behandelten Themen. Natürlich muss in diesem Kontext zwingend IT ausgebaut werden, ich hatte zum Beispiel 2006 Abi mit eigenem Laptop, was ein enormer Vorteil gegenüber anderen war. Hausaufgaben gehören auf den Prüfstand und sollten ehr als individuelle gemeinsame Vertiefungszeit am Nachmittag genutzt werden, so können Schüler auch schwerpunktmäßiger anhand Ihrer Schwäche gefördert werden.

Dann sollte dringend der Förderalismus auf den Prüfstand, denn in meinen Augen ist dieser kläglich gescheitert im Bildungsbereich. Jedes Bundesland kocht ein eigenes Süppchen und dort dann auch noch Unterarten von Schulen. Bei uns in RLP galt grundsätzlich das hessische und NRW Abi weniger, weil andere Standards (keine Meinung, nur was so umging). Das gehört zentralisierter alles, gerne auch mit anderen Schulsystemen, aber nicht mehr 16 egozentrische Landesregierungen, die in der Zukunft der Kinder rumpfuschen.

Dann gehört die Lehrerausbildung auf den Prüfstand. Diese ist viel zu akademisch. Wieso nicht 4 Jahre duales Studium mit 3 Monaten Schulunterricht und 3 Monaten Uni. Zum einen hätte man frühzeitig Lehrermangel bekämpft, dann könnte man die Lehranwärter mit einer Ausbildungsvergütung bezahlen und vor allem merken Studierende nicht erst im Referendariat, ob der Job wirklich was für sie ist. Der Praxisanteil jetzt ist einfach lächerlich, aber Hauptsache man musste für Realschule+ oder Grundschule Goethe auf höchstem Niveau durchkauen, herzlichen Glückwunsch. Außerdem ist die Art der Prüfungen zu sehr auf auswendig lernen ausgelegt anstatt auf kreatives Transferdenken (kein Wunder das OpenAI so super in der Uni klappt). Später muss regelmäßig die Eignung geprüft werden, alle 2-4 Jahre gerne.

Mein letzter Punkt ist eindeutig Bezahlung. Alle Schulformen müssen endlich dasselbe Geld verdienen. Ich kenne echt viele Männern die gerne in die Grundschule gegangen wären, aber nicht bei diesem ungerechtfertigten Gehaltsunterschied zum Gymnasium. Das muss einheitlich werden. Verbeamtung muss auch komplett weg, dafür bitte aber unbefristete Festverträge mit Sozialversicherungen. Und fachfremde Verwaltungsaufgaben weg von Lehrern. Und leider muss man auch sagen, dass Reduzierung der Stunden nicht kein Selbstläufer mehr sein darf künftig, da es nun mal diesen Mangel gibt.

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Schöner Beitrag.
Neben vielen komplett unnützen Inhalten des Lehrplans hat mich eines in meiner Schulzeit am meisten geärgert.

Es gab ein Pflichtpraktikum. Schön und gut.
Das sollte jedoch ein Wirtschaftspraktikum sein.
Warum zum Teufel werden alle anderen Branchen ausgeklammert bei der für viele ersten wirklichen beruflichen Erfahrung?!
Dass das erlaubt ist und noch immer so praktiziert wird, macht mich fassungslos.

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Lieber Tris, Du sprichst mir aus der Seele, nur leider hatte ich selbst keine Zeit es aufzuschreiben, weil ich neben meinem Vollzeit-Job zur Zeit wegen Erzieher-Mangel auch noch in der Kita aushelfen muss, damit die nicht komplett dicht macht. Dass ich Deine „Gegenwart“ die „Zukunft“ nenne, ist schlicht der Tatsache geschuldet, dass die Schule JETZT so nicht ist :wink: Danke für Deine Ausführungen!!

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Erstmal vielen Dank, dass Ihr doch noch geantwortet habt und auch daran Interesse habt, dass das Thema mal auf die Tagesordnung kommt.

Jedoch sehe ich in euren Beiträgen, dass grundsätzliche Problem beim Thema Schulpolitik aufkommen, es gibt zu viele Einzelthemen, welche separat voneinander diskutiert werden.

Man kann sicher darüber sprechen, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Thema Bildung schlichtweg ignoriert werden, dass es auf Grund von Lehrermangel massive Stundenausfälle gibt, die Bildungsstandards steigen und die Schule diesen nicht gerecht wird, die Chancengleichheit in Deutschland zwar per Grundgesetzt vorgeschrieben aber nicht realisiert wird, die Lehrerausbildung praxisnäher und anders gestaltet werden müsste, unser gegliedertes Schulsystem zu hinterfragen ist, die Rahmenlehrpläne nicht mehr zeitgemäß sind, die Digitalisierung nicht nur darin besteht Laptops an die Schule zu liefern, die Verwaltungsaufgaben den Lehrkräfte unnötig viel Zeit raubt und Schulen Orte der Partizipation werden sollten.

Stimmt alles! Und die Mängelliste ist damit lange noch nicht vollständig.

Ich sehe das grundlegende Problem aber viel mehr darin, dass unser Bildungssystem kein langfristiges Konzept hat, welches dann durch die KMK umgesetzt wird. Stattdessen wird auf Sicht gefahren und maximal einen Legislaturperiode weit geplant. Dadurch sind erst alle Probleme entstanden, welche oben aufgezählt wurden. Und im Moment wird es mit diesem Stil der Bildungspolitik weitergehen.

Auch wenn hier eher jüngerer Menschen im Forum unterwegs sind, sollte sie dieses Thema auch beschäftigen, denn es wird sie auch betreffen. Fasst jedes zukunftsrelevante Thema ist mit der Bildung verknüpft. Digitalisierung, Klimawandel, Energiewende, Fachkräftemangel, Teilhabe an unser Demokratie, Rentenversorgung, eine gerechte Gesellschaft, für jedes dieser Themen (und auch diese Liste ist eigentlich viel länger) könnte ich aufzeigen, dass ohne eine langfristig ausgelegte Bildungspolitik wir auf extreme Probleme stoßen werden.

Doch leider ist das Problembewusstsein für dieses Thema nicht gegeben. Vielleicht, weil es normal ist, dass die Schulzeit für viele Menschen nicht die beste Zeit des Lebens war. Und was uns nicht tötet, macht uns Deutsche ja bekanntlich nur härter. Das diese Haltung leider ignoriert, dass es gangbare Alternativen gebe, welche schlussendlich der gesamten Gesellschaft helfen, ist der traurige Aspekt der ganzen Geschichte. Am Ende trifft es ja nicht nur den einzelnen Schüler sondern das gesamte System und davon bist auch immer Du ein Teil.

Es würde mich freuen, wenn wir das Thema hier öfters wieder vorschlagen könnten, vielleicht zu weiteren Anlässen. Weitere Hiobsbotschaften aus dem Bildungssystem (welche ignoriert werden wollen) werden ja kommen.

Beste Grüße

Moin,

vorab: man möge mir meinen langen Beitrag verzeihen…

Zur Situation an den Schulen

Wir Menschen neigen dazu, dass wir unsere Tätigkeiten rechtfertigen und somit potemkinsche Dörfer für andere beschreiben, wenn wir doch in unserem Beruf auch eine andere Wahrnehmung haben. Aus diesem Grund möchte ich hier die Situation an Schulen in Bundesrepublik Deutschland nicht euphemistisch darstellen. Ich selbst bin seit 8 Jahren Lehrer für Mathematik und Physik und habe nicht auf Lehramt studiert. Somit bin ich selbst schon ein Symptom des Mangels und unterrichte unglaublich gerne.

Ich habe mir erlaubt durch das hervorheben von Wörtern eine „TL;DR“-Version zu erstellen.

Warum hat die Bundesrepublik Deutschland einen Lehrkräftemangel?

  1. Der Beruf der Lehrkraft wird immer unattraktiver, da die Sicht auf diesen Beruf mit negativer Konnotation verklärt wurde und weiterhin wird. Dies liegt daran, dass für viele ehemalige SchülerInnen der Unterricht eine negative bis belanglose Erinnerung ist (Dies ist bei mir nicht anders). Also werden nun Vorurteile aufgebaut und verbreitet, die auf einen sehr fruchtbaren Boden treffen, mit denen aber aufgeräumt werden muss:
    • Über Lehrkräfte wird stets behauptet, dass sie „vormittags Recht und nachmittags frei“ hätten, da natürlich nur der Unterricht an sich als Arbeitszeit wahrgenommen wird. Die Vor- und Nachbereitungszeit wird hier bagatellisiert, da diese Arbeit eben nicht wahrgenommen wird. Dies ist nur noch schlimmer bei der individuellen Elternarbeit. Viele Lehrkräfte haben, wenn sie guten Unterricht geben wollen, mehr als 40 Arbeitsstunden pro Woche.
    • Lehrkräfte haben defacto vormittags auch nicht recht, da ihre Rechte über die letzten Jahrzehnte immer weiter beschnitten, während ihnen zeitgleich immer mehr Pflichten auferlegt wurden. So wurden zum Beispiel in Schleswig-Holstein die Ordnungsmaßnahmen nach §25 immer weiter reduziert, wobei die letzten beiden Abschnitte (Parallelklassenversetzung und Schulwechsel) nur noch durch einen genudgten Antrag der Eltern vollzogen wird. Auch wurde in Schleswig-Holstein eine belanglose Konferenz verpflichtend pro Semester in der Sekundarstufe I eingeführt. Dies geschah durch der fehlerhaften Annahme, dass sich Lehrkräfte einer Klasse nicht über die Schüler innerhalb der Klasse austauschen würden. Durch die sogenannte pädagogische Konferenz sollte dies für eine Akte sichergestellt werden, doch sind genau diese Konferenzen lediglich eine Zusammenfassung dessen, was die Lehrkräfte schon zuvor außerhalb ihrer Unterrichtszeit erarbeiten mussten, sodass Unterricht überhaupt möglich ist.
    • Lehrkräfte müssen sich mit der wachsenden Esoterik, Xenophobie und Wissenschaftsfeindlichkeit arrangieren, da stellenweise Bücher im Deutschunterricht nicht mehr gelesen werden sollen, da Eltern die Lehrkräfte und auch Schulleitungen bedrängen. Der Grund ist oftmals, dass der Inhalt des Buches nicht in das Weltbild der Eltern passt (Hier ist das Buch „Krabat“ als Beispiel zu nennen.). Auch kommt es regelmäßig im naturwissenschaftlichen Unterricht zu Beschwerden von einigen Eltern, da sie der Meinung sind, dass naturwissenschaftliche empirische Fakten nur Meinungen sind (Beispiele: Anthropogene globale Erwärmung, Funktionsweise und Aufbau von Atomkraftwerke, Endlagerfrage, Evolution, usw.).
    • Lehrkräfte sollen während ihres Fachunterrichts organisatorische Dinge erledigen. Hier ist zum Beispiel das Land Sachsen zu nennen, dass es verlangt, dass die Klassenlehrkräfte einmal pro Schuljahr die SchülerInnen über das korrekte Drachensteigenlassen oder das Korrekte Verhalten beim Auffinden von Weltkriegsmunition aufklären sollen.
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  1. Der Unterricht wird immer anstrengender, da immer weiter auseinander liegende Erziehungsstile (auch wenn einige diese Betitelung nicht verdienen) in den immer voller werdenden Klassen aufeinander treffen. Auch sind die Kompetenzunterschiede innerhalb einer Klasse immer größer, was auch auf den vermeintlich homogeneren Gymnasien gilt. Das Kompetenzgefälle in einer Gymnasialklasse ist oftmals nur geringfügig kleiner als in einer Gemeinschaftsschulklasse. Somit ist es bei sehr vollen Klassen von 28 oder mehr SchülerInnen immer schwerer allen SchülerInnen gerecht zu werden. Die Lösung, die hier dann von vielen Lehrkräften bevorzugt wird, ist schlechter Unterricht (wodurch sich die Vorurteile verstärken):
    • Beim Frontalunterricht mit Tafelbildern werden die SchülerInnen dazu angehalten mitzuschreiben, was den enormen Vorteil hat, dass SchülerInnen, die Schreiben in der Regel ruhiger sind. Allerdings ist beim Übernehmen von Tafelbildern keinerlei kognitiver Aktivierung festzustellen. Gerade im naturwissenschaftlichen Unterricht können die SchülerInnen so den Lösungsweg nicht durchsteigen und benutzen die Aufzeichnungen danach wie eine Schablone. Ändert sich etwas an den Gegebenheiten der Aufgabenstellung sind die meisten SchülerInnen dann verloren.
    Auswendiglernen wird mit Bildung verwechselt, was zur Folge hat, dass vor allem Fleiß anstatt Intelligenz belohnt wird. Auch sorgt eine solche Förderung von Auswendiglernen die Akzeptanz von Fake News.
    • Durch die zusätzlichen Verwaltungstätigkeiten der Lehrkräfte muss am eigentlichen Fachunterricht gekürzt werden, sodass die SchülerInnen danach auf die Erklärvideos, wie die von Simple Club, Daniel Jung oder Lehrer Schmidt, zurückgreifen. In diesen Videos wird in der Regel an einer Beispielaufgabe erklärt, wie man solche Aufgaben löst, jedoch wird nur selten bis gar nicht über ein die dahinterliegenden Mechanismen gesprochen, sodass die SchülerInnen anhand der dieser Videos eine Verfahren auswendig lernen ohne das Verfahren an sich oder die grundlegenden Hintergründe dazu zu verstehen. Einige Lehrkräfte neigen dazu, dass sich die SchülerInnen über solche Videos den gesamten Lehrstoff aneignen und nur in der Schule dann geübt wird. Reverse Classroom ist dabei nichts weiter eine Verstärkung der Benachteiligung durch den finanziellen Hintergrund der Eltern.
    • Viele Hausaufgaben haben letztlich nur zur Folge, dass entweder die Eltern, Alexa, Google oder Nachhilfeinstitute die Aufgaben erledigen, sodass auch hier letztlich nur der finanzielle Hintergrund der Eltern überprüft wird.
  2. Schule wird als Dienstleistung verstanden. Eltern erwarten durch ihre gezahlten Steuern, dass ihre Kinder ein Einser-Abitur bekommen und versuchen dies mit aller Macht durchzusetzen. Hier ist der Begriff „Rasenmähereltern“ zu erwähnen, da diese schon prophylaktisch versuchen alle Hindernisse für ihr Kind zu beseitigen, was sich oftmals durch das ständige Kontaktieren der Lehrkräfte zeigt. Um solche, oftmals sehr unangenehme, Kontakte mit den Eltern zu vermeiden, neigen viele Lehrkräfte zur Noteninflation, sodass ein Notenspektrum nur noch von 1 bis maximal 3 reicht. (Die Sinnhaftigkeit von Noten soll hier gar nicht besprochen werden.)
  3. An vielen Schulen ist die Digitalisierung nach wie vor nicht angekommen, oftmals in nur Unterricht aus dem letzten Jahrhundert möglich.
  4. Viele Lehrmaterialien weisen eklatante Fehler auf oder sind extrem veraltet, sodass eine Lehrkraft, die guten Unterricht geben will, gezwungen ist sich ihre Materialien selbst zu erstellen, was wiederum eine mögliche Beschwerdewelle von Eltern nach sich ziehen kann.
  5. Gerade Menschen, die sich eher dem MINT zugewandt sehen, bekommen in vielen Bereichen eine viel bessere Entlohnung und Arbeitsbedingungen, sodass gerade die Schule bei MINT-Fächern sehr unattraktiv ist.
  6. Inklusion wird quasi nicht betrieben, da in den extrem großen Klassen die Lehrkraft besonders viel Zeit für den Lernerfolg des Inklusionsschüler aufwenden muss und die Lehrkraft in der Regel den Spagat zu den anderen 27 SchülerInnen der Lerngruppe leisten kann. Die aktuelle Inklusion ist oftmals nicht mehr als eine Einsparmaßnahme und an vielen Schulen durch sogenannte Inklusionsklassen eher eine Exklusion.
  7. Lehrkräfte wurden in der letzten Zeit vor allem als faul medial dargestellt und in der politischen (sehr kurzen und ergebnislosen) Debatte zu dem Thema wurden vor allem nochmal Modelle entworfen, die die oben genannten Aspekte verschlimmern würden. Es wurde unter anderem behauptet, dass Lehrkräfte zu viel Gehalt bekommen würden, denn nur so könnten sie es sich leisten in Teilzeit zu gehen. Hierbei wurde ausgeblendet, warum so viele Lehrkräfte in Teilzeit gehen…

TL;DR: Lehrkräfte werden von der Gesellschaft nicht respektiert und haben desolate Arbeitsbedingungen.

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Wie schlimm ist der Lehrkräftemangel wirklich?

  1. Es werden Unterrichtsstunden standardisiert gekürzt, sodass diese gewollt fehlenden Stunden nicht in den Lehrkräftemangel einbezogen sind.

  2. An vielen Schulen wird nochmals der Unterricht gekürzt, sodass die Eltern an dieser Stelle den Lehrkräftemangel nicht wahrnehmen.

  3. Eine Schule hat eigentlich genug Lehrkräfte, wenn über 110% der Regelstunden abgedeckt werden können, da in der Regel immer ein Teil der Beschäftigten krank ist. Doch oftmals reicht eine Besetzung von 100% als volle Besetzung des Unterrichts in den Statistiken aus, sodass es zu diesen hohen Ausfallanzahlen kommt.

  4. Einige Stunden werden von völlig unqualifiziertem Personal gehalten, da es vor alle um die Aufsicht über die SchülerInnen und nicht deren Lernerfolg geht. Es werden für einige Stunden Eltern, Hundetrainer, FSJler usw. angestellt. Diese Stunden gelten dann als besetzt.

  5. Es werden Fächer zu einem neuen Fach zusammengeschoben, sodass der Lerninhalt dann komplett fachfremd vermittelt wird. Hier sind die Beispiele NaWi (Physik, Chemie und Biologie) und MeNuK (Musik, Kunst, Sachkunde) zu nennen. Oftmals kommen die SchülerInnen mit komplett falschen „Erkenntnissen“ aus diesem Unterricht in den Fachunterricht der höheren Klassen. Diese Stunden gelten dann dennoch für die Fächer als vollständig besetzt, in denen kein Unterrichtsstoff vermittelt wurde.

  6. Die Klassen sind alle besonders stark gefüllt und wenn man guten Unterricht ermöglichen möchte, dann sollte die Regelklassengröße stark reduziert werden (dann würde die Inklusion auch wirklich zu Chance für alle).

  7. Das Durchschnittsalter von Lehrkräften ist an vielen Schulen sehr hoch, sodass sich die Situation nochmals stark verschärfen wird, wenn die Babyboomer in Rente gehen.

  8. Weiterhin wird die Anzahl der SchülerInnen in der Bundesrepublik Deutschland anwachsen, da durch Zuwanderung vor allem auch Kinder oder junge Familien in Deutschland dauerhaft bleiben werden. Die Prognosen zum Verhalten der SchülerInnenanzahl ignoriert die Zuwanderung und vernachlässigt komplett die Krisenlagen (Beispiele: Jugoslawien, Syrien, Ukraine, usw…). Somit wird sich die Lage leider nochmals verschärfen.

Offizielle Angaben der Länder behaupten, dass circa 15000 Lehrkräfte fehlen, während die Gewerkschaften von rund 40000 sprechen. Ich denke, dass man an meinen Ausführungen erkennen kann, dass die Schätzungen von den Gewerkschaften eher ein realistisches Bild abgeben würden.

Insgesamt finde ich es sehr deprimierend, dass dieses Thema und vor allem die Folgen davon eigentlich so gut wie gar nicht ernsthaft thematisiert wird. Es braucht dringend mehr Lehrkräfte, sodass man die SchülerInnen zukunftsfähig machen kann. Daran sollte eigentlich jeder Interesse haben, denn die SchülerInnen sind unsere Zukunft, die wir gerade an den Schulen verspielen. Der Fachkräftemangel könnte behoben werden und die jungen zugewanderten Menschen könnten hier ihre Ausbildung dafür erhalten.

Ich beschäftige mich schon seit Jahren auch mit der Verbesserung der Bildung doch letztlich führt das Thema immer wieder nur zu einer neuen Stufe der Verbitterung, da es für so viele als „egal“ angesehen wird.

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Moin Yawgmath,
vielen Dank für deine ausführliche Darstellung, welche viele wichtige Faktoren für das immer unattraktiver Werdens des Lehrberufes gut darstellen. Wenn man sich nach deinen Ausführungen die Empfehlungen der „Expertenkommission“ der KMK nochmals anschaut (größere Klassen, mehr Stunden für die Lehrkräfte, keine Teilzeit, Achtsamkeitsgruppen, etc.) wird wieder klar, dass nicht an einer echten Problemlösung gearbeitet wird, sondern einfach nur weiter Löcher gestopft werden.

Ich möchte noch gerne das Thema der zu geringen Studienplätze einbringen. Die Bundesländer bilden einfach zu wenig Lehrer aus. Hier das Bsp. Berlin, wo es auf Grund der zu hohen Nachfrage und des zu geringen Angebots einen NC für das Grundschullehramt von 1,9 gibt. https://www.fu-berlin.de/studium/docs/DOC/nc_staatsexamen_und_monobachelor.pdf
Für andere Schultypen, hier sein insbesondere das Berufsschullehramt hervorgehoben, wird zu wenig geworben. Gerade die Berufsschulen stehen in direkt Konkurrenz zu der freien Wirtschaft.

Mich würde es wirklich freuen, wenn die Lage sich einmal dem Thema der Bildungspolitik widmen würde, da sich klar abzeichnet, dass dieser Bereich der deutschen Politik planlos betrieben wird.
16 Bundesländer verfolgen unterschiedliche Ansätze/Ziele und konkurrieren am Ende um zu wenig Lehrkräfte. Die KMK, welche eigentlich sich auf einheitliche Bildungsstandards und langfristige Ziele innerhalb der Bildungspolitik einigen sollte findet grundsätzlich immer nur den kleinsten gemeinsamen Nenner, da die Länder in der Bildungspolitik eines ihrer letzten Handlungsfelder haben, in dem der Bund nicht mitreden darf. Die Folgen dieser Struktur sind 16 selbstreferentielle Systeme, welche sich um Selbsterhalt bemühen, aber wirklichen Wandel blockieren.

Beste Grüße

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Ich möchte die Dringlichkeit dieses Themas nochmal mehr unterstreichen, indem ich noch einige Punkte benenne:

Grundprobleme im Bildungswesen:

  1. Schule soll nach Meinung vieler lauter Stimmen so ausgerichtet werden, dass die SchülerInnen auf den Beruf vorbereitet werden ohne sich dabei den Konsequenzen bewusst zu sein.
    • Aus dieser Argumentation heraus sollen „die Fächer, die man später eh nicht braucht“, abgeschafft werden, was an vielen Schulen oftmals schon probiert wird (wegen Lehrkräftemangel und dieser ökonomischen Argumentation). So wird immer mehr der Kunst- und Musikunterricht abgeschafft, was zur Folge hat, dass gerade die psychologische Beeinflussung durch Farb- und Tongebung leichter wird, da solche Techniken nicht mehr allgemein bekannt sind. Auch wird so ein aktives Rezipieren stark reduziert und der passive Konsum angekurbelt. Auch werden die Lernerfolge in MINT-Fächern durch das Fehlen dieser Fächer erschwert, da unter anderem perspektives Zeichnen, Bruchrechnung in der Notenlehre, usw. wegfällt.
    • Religion ist durch unser Grundgesetz das einzige Fach, das geschützt ist (was mit anderen Grundgesetzartikeln zeigt, dass wir mit Nichten in einem säkularen Staat leben, doch das ist ein anderes Thema.) Religion sollte in der Schule dringend unterrichtet werden, jedoch nicht konfessionell. Denn würde in der Schule über den institutionellen Glauben aufgeklärt werden, können wieder vermehrt Auslegungen Verbreitung finden, die definitiv nicht zu einer demokratischen und freiheitlichen Grundordnung passen und die daraus resultierenden Gewalttaten zunehmen. Dies kann man gut am Laizismus in Frankreich oder der Türkei erkennen. In einem modernen Religionsunterricht sollten die diversen Weltanschauungsvorstellungen gleichrangig diskutiert werden und vor allem über ihre Grundkonzepte aufgeklärt werden.
    • Eine Ausrichtung der Bildung alleine auf dem Beruf oder gar andere monetäre Aspekte wie Steuerrecht ist auch nicht zu empfehlen, da die Berufswelt so vielseitig ist. Auch ist hieran besonders bedenklich, dass somit die Eltern über die Berufswahl der SchülerInnen in einer irreversiblen Art und Weise entscheiden würden.
    • In der Schule werden die SchülerInnen trainiert, dass sie Befehle unreflektiert abarbeiten, was durch sogenannte „Operatoren“ in Aufgabenstellungen verwirklicht wird. Dies ist bedenklich, da viele Unternehmen zwar einen Befehlsabarbeiter haben wollen, doch ist hier eine Erosion der demokratischen Teilhabe ebenso eine Folge.
    • Wenn Unterricht eher auf die Berufswelt vorbereiten sollte, wieso ist dann der Wirtschafts- und Politikunterricht deutschlandweit so spärlich ausgeprägt? Sollte nicht gerade Politik ein durch die Verfassung geschütztes Schulfach sein, sodass die Schüler mehr über die diversen Auslegungen und Ausprägungen von Demokratie kennenlernen als Psalme und Gebote? Dies wird in der Regel nicht gefordert, da gerade von gutsituierten Haushalten argumentiert wird, dass die politische Bildung Teil der Elternverantwortung sei. Aus diesen Grund gehen finanziell benachteiligte SchülerInnen später auch seltener zu Wahlen. Auch kann hierin mit ein Grund gesehen werden, warum sich Mythen (Beispiele: Bürgergeld, Asylsuchende, anthropogene globale Erwärmung, Impfen, Steuern, usw.) durch unsachgemäße Annahmen, Ausblendung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und falscher Extrapolation über die sogenannten sozialen Netzwerke ohne kritische Reflexion verbreiten und somit auch zur Gefahr für die Demokratie werden können.
    • Es gibt keinen flächendeckenden Informatikunterricht, was besonders bemerkenswert ist, da genau dies einer der zentralen Bereiche unserer heutigen Wirklichkeit (nicht nur beruflich) abbildet. Wie man hier keinen flächendeckenden Unterricht ab der Grundschule haben kann, kann einzig und alleine mit dem Unwillen einer digitalen Ausstattung der Schule und der doch hohen Technik- und Zukunftsfeindlichkeit von Lehrkräften begründet werden.
  2. Eine Schule wird oftmals auch nur bezüglich ihres kurzen ökonomischen Nutzen betrachtet, sodass das Lernen für die SchülerInnen erschwert wird. Ich werde auf diesen Punkt noch eingehen, wenn ich auf die Situation der SchülerInnen komme.
  3. Unterricht wird aktuell zu juristisch betrachtet, was man besonders gut bei den MINT-Fächern erkennen kann. Viele Experimente sind nur unter schwersten Sicherheitsvorkehrungen möglich, da ein hypothetischer (oftmals eher rein fiktiver) Schaden eines Schülers ausgeschlossen werden soll. Hier bildet, das Experimentieren mit Lasern wohl das beste Beispiel, da einige SchülerInnen in ihrem außerschulischen Alltag gerne mal mit Lasern herumspielen, die eine deutlich höhere Leistung als Laser für den schulischen Gebrauch haben und darüber hinaus die SchülerInnen keinerlei Umgang mit diesen Geräten in der Schule erlernen konnten. (Ähnlich ist dies beim Experimentieren mit radioaktiven Stoffen, oder bestimmten chemischen Reaktionen, sodass der Unterricht auf Videos von „früher“ ausgelagert werden muss.)
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Die Situation der SchülerInnen:

Aus den von mir schon bereits genannten Gründen resultiert eine prekäre Lage der SchülerInnen:

• Die Raumausstattung: Die Räume sind zu klein, sodass didaktische und pädagogische Konzepte nicht umgesetzt werden können. Ein Unterricht mit hoher kognitiver Aktivierung, der zeitgleich differenzierend (enaktiv, ikonisch, symbolisch) ist, kann so nicht realisiert werden. Die Räume sind in der Regel auch schlecht zu lüften (wie sich medial während der Coronawinter zeigte), was die Konzentrationsfähigkeit stark beeinträchtigt. Die Räume haben in der Regel auch schlechte Schallisolationen, sodass die Architektur der Räume schon für hohe Lärmbelastung sorgt. In vielen Berufen wären die Lärmschutzbestimmungen gerissen, aber die SchülerInnen (und Lehrkräfte) müssen dies aushalten.

• Schlechter Unterricht: Durch die Lehrkräftebelastungen, den Erwartungshaltungen von Eltern an ihre Kinder entsteht ein extrinsischer Motivationsdruck, den viele SchülerInnen als Leistungsdruck beschreiben. Lehrkräfte neigen durch die Bedingungen, die sie vorfinden, schlechten Unterricht zu halten (da nehme ich mich selbst auch nicht aus). Das wird nochmal verstärkt, durch den Erwartungshaltung auf gute Noten, was zu Auswendiglernen statt Verstehen führt, durch Frontalunterricht mit Abschreiben von Tafelbildern, da so die Lärmbelastung niedriger ist, usw… Durch den bereits bekannten schlechten Unterricht, der allerdings wenig kognitive Aktivierung beinhaltet und somit als leichter von den SchülerInnen wahrgenommen wird, fordern diese umso mehr den schlechten Unterricht ein. Den SchülerInnen wird so systematisch aberzogen, dass sie Fragen stellen können und ihre Neugier wird zerstört. Da nun keine intrinsische Motivation mehr vorhanden ist, rückt nur der fiktive spätere Beruf in den Fokus, sodass die SchülerInnen nicht mehr fürs Leben lernen wollen, sondern nur noch für den Gelderwerb. Das alles führt zu vielen psychischen Erkrankungen.

• Erfolg durch finanziellen Rückhalt der Eltern: SchülerInnen kommen oftmals nach der Schule zu Nachhilfeinstitute, die lediglich ein ökonomisches Interesse an den SchülerInnen haben. Dort werden Klassenarbeiten und Tests von den jeweiligen Lehrkräften gehortet und zum Auswendiglernen bereit gestellt. So entsteht eine Abhängigkeit von diesen Instituten, während die SchülerInnen nicht lernen zu lernen oder sich selbst zu helfen. In ökonomisch gutsituierten Haushalten erzeugt dies nochmal mehr ein Notendruck vor allem, wenn ein Elternteil sich auch noch in Teilzeit befindet oder generell durch die ökonomische Lage durch das Einkommen Zeit für das Kind hat, während in den ökonomisch schlechter gestellten Haushalten die Eltern gezwungen sind besonders viel Zeit und Lebenskraft auf der Arbeit zu verbringen, sodass die finanziell benachteiligten SchülerInnen durch schlechte Noten leiden. Somit sind Hausaufgaben in der Regel nichts weiter als eine Überprüfung der häuslichen Situation.

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Lösungsvorschläge:

  1. Abschaffung von Gymnasien, denn diese erzeugen nur ein denken nach ökonomischen Klassen. Alle SchülerInnen profitieren davon, wenn sie gemeinsam lernen und nicht in Klasse 4 ihr Lebensweg vorbestimmt wird. (Hier ist die suggerierte Bildungsdurchlässigkeit kein passendes Gegenargument, da der ökonomische Druck auf arme SchülerInnen dafür sorgt, dass eben kein weiterer Bildungsweg in der Mehrzahl aller Fälle eingeschlagen wird.) Gerade der Austausch von Weltsichten und individuellen Erlebnissen würden Empathie stärken und so auch Toleranz fördern.
  2. Abschaffung von Privatschulen, da auch diese entweder für stark privilegierte da sind oder aber fragwürdige Ideologie vermitteln (Beispiel: Waldorfschulen).
  3. Ein/e Schulplaner/in für jede Schule anstellen, der/die Klassenfahrten, Wandertage, Unterschriften usw. einsammelt und plant.
  4. Ein Schulsozialarbeiterschlüssel pro X Schüler muss vorhanden sein, sodass auch SchülerInnen, die „erzogen“ wurden nicht für ihr erlerntes Verhalten bestraft werden. (Hier sind natürlich noch mehr Arbeitsfelder vorhanden wie Präventionsarbeit usw.)
  5. Noten sollten generell überdacht werden. Viel mehr könnte man hier mit der preußischen Tradition brechen, dass eine Klasse in Altersgruppen zusammengefasst später ein Regiment bilden soll und viel mehr Fächer einzeln nach ihrem Bestehen betrachten, sodass sich im Unterricht nicht altershomogene sondern vorwissenshomogenere Gruppen abbilden würden. Dies hätte auch den Effekt, dass SchülerInnen in einigen Fächern nicht hoffnungslos verloren gehen würden.
  6. Die Schullaufbahn sollte erst nach der Pubertät durch den/die Schüler/in selbst entschieden werden, was zur Folge hätte, dass alle SchülerInnen mindestens bis zur 11. Klasse gemeinsam lernen und danach erst ein Weg zur Vorbereitung auf ein Studium eingeschlagen werden kann.
  7. Lehrkräfte müssten regelmäßig Fortbildungen machen, damit sie auf dem neusten Stand bleiben. Hier sollte allerdings Lehrkräfte keine Fortbildungen in Bereichen machen, in denen sie bewandert sind. Hier könnten Tests eine Rolle spielen.
  8. Die 2. Fremdsprache (oder auch 3.) gehört auf den Prüfstand, da durch die relativ gleiche Grammatik und durch die gleiche lateinische Schrift oftmals keine weitere Kompetenz erworben wird und dies vor allem nur die SchülerInnen aussortiert, die MINT-interessiert sind. Wenn es eine 2. Fremdsprache geben sollte, dann eine mit einer anderen Schrift und einer grundlegend anderen Grammatik. (Beispiele: Mandarin, Koreanisch, Japanisch, Arabisch, Russisch, Griechisch, usw.)
  9. Das Fach Religion muss konfessionell entbunden werden, dazu bedarf es eine Grundgesetzänderung.
  10. Die Fächer Informatik, Politik, Wirtschaft (wobei diese am Anfang auch EDV und Medienkompetenz vermitteln sollten) müssen flächendeckend und durchgängig und so früh wie möglich existieren, damit gerade Demokratie, Freiheit und Zukunftskompetenz erlernt werden kann.
  11. Die Klassengrößen sollten auf maximal 20 Schüler begrenzt werden.
  12. Abschlüsse gehören bundesweit zentralisiert, wie auch die gesamten Bildungsstandards, da in dieser hochflexiblen Zeit ein Umzug, welcher oftmals aus finanziellen Gründen begangen wird, mit einem Kind durch diesen Flickenteppich für das Kind schulisch gesehen nur Schaden mit sich bringt.
  13. Es braucht eine echte Ganztagsschule, sodass eben nicht mehr der finanzielle Hintergrund der Eltern über den Bildungsweg entscheidet. Diese müsste so gestaltet sein, dass durch genug Freiräume und -zeiten die Hausaufgaben komplett entfallen und standardisierte Hobbys in den Schulalltag integriert sind. Die Konzepte der offenen Ganztagsschule sind hier nur ein namentliches Feigenblatt, welches nicht viel mit einer echten Ganztagsschule gemeinsam hat.
  14. Einige Fächer gehören inhaltlich auf den Prüfstand. Dies kann ich besonders gut am Mathematikunterricht festmachen, in denen die SchülerInnen eben nicht mathematisches Denken erlernen, sondern bis circa Klasse 8 nur das Rechnen üben. Um die achte Klasse herum kommt das erste Thema mit wirklicher Abstraktion, wobei dann die Pubertät sowie das Abtrainieren des mathematischen Denkens in den vorherigen Schuljahren dann einem Erkenntnisgewinn im Wege stehen, folglich sollte die Äquivalenzumformung viel früher unterrichtet werden. Genauso hat Halbleitertechnik im Unterricht der 9. Klasse im Physikunterricht noch nichts zu suchen, wenn die Grundlagen für das Verständnis der Halbleiter erst in späteren Klassenstufen unterrichtet werden (wenn überhaupt).
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All diese Forderungen und auch die Probleme sind seit Jahrzehnten bekannt und genau deswegen interessieren sie wohl auch nicht mehr, da wir zu einem Thema immer nur ein gewissen Aufmerksamkeits- und Empörungspotential zu haben scheinen.
Die „Expertenkommission“ der KMK hat gezeigt in welch einem Trauerspiel die Schullandschaft steckt, da hier von JuristInnen wie Frau Prien nach einer ökonomischen Kurzsicht auf die Schule gefragt wurde, sodass die Realität und die Bedürfnisse der Betroffenen ausgeblendet werden konnten. Auch die Beschlüsse der KMK gehen in der Regel an der Wirklichkeit vorbei, so wurde unter anderem beschlossen Tafelwerke und Taschenrechner, mit erweiterten Funktionen (CAS und WTR) nicht mehr in Prüfungen einzusetzen sind, während gleichzeitig digitale Messtechnik in Physik und Chemie verpflichtend wird, die sogar Größen messen kann, die man physikalisch gar nicht messen kann (Leyboldts Cassy System ist hier zu nennen). Fehlkalkulationen und Fehlbeschlüsse rund um die Schule all der beschriebenen Punkte sind logisch, da es mehr als eine Legislaturperiode dauert bis Kinder in die Schule kommen und SchülerInnen wählen halt auch nicht, somit sind sie „egal“.

Um nochmals mehr die Bildung in den Fokus zu nehmen, könnte man einen Bildungsvertrag auf juristische Machbarkeit prüfen lassen, welcher vorsieht, dass ein Mensch in Deutschland Schulbildung erhält und dann wenn er arbeitet auf sein Einkommen einen prozentualen Betrag für einen gewissen Zeitraum an den Staat zurückzahlt. Dabei muss dieses Geld zu 100% wieder in die Bildung gesteckt werden

TL;DR: (auf die Gefahr einer unzulässigen Extrapolation, gekoppelt mit einer Hyperbel) Wenn dieses Thema weiterhin so erfolgreich wegignoriert wird, dann wird genau hier die Gefahr für die Demokratie größer, denn schlechte schulische Bildung ist mit einer der größten Ursachen für die Symptomprobleme, über die aus dem jeweiligen aktuellem Anlass alle gerne diskutieren.

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Mir ist aufgefallen, dass wir bisher das Thema ein wenig zu kurz gefasst haben und uns ausschließlich auf die schulische Bildung gestürzt haben. Dabei beginnt das Problem ja bereits viel früher. Da das politisch gewollte Familienmodell zwei arbeitende Elternteile vorsieht und Elterngeld maximal 14 Monat ausgezahlt wird, sind Eltern (außer sie sind reich) gezwungen Ihre Kinder in einer Kita betreuen zu lassen. leider hat der Staat es versäumt parallel zu dieser Entwicklung adäquate Betreuungsstrukturen aufzubauen, in denen die Kinder nicht nur geparkt sondern wirklich gefördert werden. Zu den schlechten Arbeitsbedingungen (keine passende räumlichen Ausstattungen, schlechter Erzieherschlüssel etc.) kommt im Erzieherberuf auch noch eine zu geringe Bezahlung hinzu, was diesen Beruf für viele Interessierte unattraktiv macht.

Ich will an dieser Stelle auch noch einmal darauf hinweisen, dass ab dem Jahr 2026 für alle Schulkinder eine Ganztagsbetreuung gelten soll. Wie diese überhaupt finanziert und realisiert werden soll, hat der Gesetzgeber jedoch offen gelassen und nur den Anspruch formuliert. Die Zeit hat dazu einen lesenswerten Artikel verfasst: https://www.zeit.de/gesellschaft/schule/2023-02/lehrermangel-grundschule-weifelstede-lehrkraefte-kultusministerium-bildung

Beste Grüße

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Wenn wir dieses Thema genau betrachten, dann müssten wir sogar noch früher anfangen, bei der Situation der Eltern und diese analysieren. Doch diese Situation kann ebenfalls nur geändert werden, wenn eine grundlegende Empathie und Bildung in der Gesellschaft vorhanden ist. Um ins Detail zu gehen:
Eltern sind durch ökonomischen Druck gezwungen Arbeiten zu gehen, es sei denn es handelt sich um bessersituierte Haushalte, sodass sich eine Teilzeit oder gar ein Verzicht auf Arbeit für einen gewissen Zeitraum rechnet. Hinzu kommen die vergleichenden Zwänge, dass ein Kind in bestimmten Zeiträumen bestimme (oft irrationale) Meilensteine erreichen muss, sodass hier schon durch die gesellschaftlichen Erwartungsbilder ein irrationaler Darstellungsdruck entsteht. So wird also schon in der frühsten Phase eines Lebens extrem stark nach finanzieller (und nicht sozialer) Herkunft differenziert. Dies könnte man ändern, in dem generell der extreme ökonomische Druck auf die Menschen reduziert wird, was aber kaum absehbar ist. Um die Differenzierung nach Situierung zu mindern, wäre mit guten Betreuungsstrukturen auch eine KiTa-Pflicht zu empfehlen.
Dann kommen einige Kinder in die KiTa und dort müssen die Defizite von den PädagogInnen aufgefangen werden, die entweder durch die Versäumnisse der erschöpften Eltern (mir ist es wichtig hier zu betonen, dass die Eltern stellenweise durch die Arbeit so entkräftet sind, dass sie sich eben nicht mehr um die Kinder angemessen kümmern können.) oder durch die Zwangsvergleiche der sogenannten Frühförderung entstanden sind. Diese Defizite sind stellenweise so groß, dass Kinder über die Amnesiegrenze hinaus noch gewindelt werden müssen, noch nie einen Stift zum Hiebkritzeln bekommen haben, o.ä… Gerade das Vorlesen von Geschichten fällt hier besonders auf, da es immer weniger stattfindet und sich so starke sprachliche Defizite aufsummieren. Nicht selten werden die Kinder noch vor Bildschirmen geparkt, da diese eine kognitive Überforderung im Gehirn erzeugen, sodass diese kurzzeitig ruhig sind. Es gibt Studien, die besagen, dass Kinder erst ab einem Alter von circa 6 Jahren das Konzept eines Bildschirms vollständig verstehen.
Diese Versäumnisse der Eltern (wofür die Eltern in der Regel nichts können) müssen von den Pädagogen aufgefangen werden und geben so in der logischen Konsequenz wiederum Versäumnisse der KiTa an die Grundschulen weiter und diese wiederum an die weiterführenden Schulen, die dann immer neue Rekordanzahlen von Topabschlüssen (40% 1,x-Abitur in Sachsen im letzten Jahr, mit 4,2% 1,0er Abitur) produzieren, während die Universitäten feststellen, dass die Absolventen oftmals keine Studierfähigkeit besitzen.
Folglich müssten viele bundes- und landesweite Stellschrauben in vielen Bereichen neu justiert werden, um eine chancengerechte Bildung zu ermöglichen.

Neben der angemessenen Entlohnung existieren weitere Optionen, den Beruf ErzieherIn attraktiver zu machen. Eine Variante wie man deutlich mehr Erzieher bekommen könnte, wäre die Aufhebung eines gesellschaftlichen Generalverdachts der pädophilen Neigung gegen männliche Pädagogen. Nicht wenige Schüler, die ich bis zu ihrem Abschluss (Klasse 10) begleiten durfte, wollten diesen Beruf gerne ausüben, haben sich aber wegen der Vorurteile gegen eine Ausbildung entschieden. Wobei bei den SchülerInnen, die ich bis zum Abitur begleiten durfte, das Lehramtstudium für Sekundarstufe I oder II nicht wegen genannten Vorurteile ausgeschlossen wurde.

Hallo zusammen,

Ich wäre auch sehr dafür, dass die Lage dieses Thema behandelt und auch wirklich ausführlich (können von mir aus auch 16 Teile werden, eins für jedes Bundesland jedes Schulsystem mit deren spezifischen Stärken und Schwächen ;)).

Ich möchte an dieser Stelle auch noch einen weiteren Aspekt hervorheben, der in der Diskussion ein wenig untergegangen ist. Bildung ist die Grundvoraussetzung für beruflichen und damit auch wirtschaftlichen Erfolg. Aus der Teilhabe Forschung ist belegt, dass die Partizipation und aktive Beeinflussung der gesellschaftlichen Prozesse am stärksten von gut gebildeten und gut verdienen Milieus erfolgt. https://www.bpb.de/lernen/inklusiv-politisch-bilden/335036/ein-mehrdimensionaler-blick-auf-teilhabe/
Daraus lässt sich ableiten, dass eine lebendige und gut funktionierende Demokratie stark von einem funktionierenden Bildungssystem abhängt. Auch ist der Zusammenhang bekannt, dass weniger gut gebildete Milieus weniger sich an Wahlen beteiligen und daher die Parteien ihre Agenda dementsprechend weniger an dieses ausrichten. Hierdurch fühlen diese sich von der Politik alleingelassen und partizipieren noch weniger an politischen Prozessen, ein Teufelskreislauf beginnt. Man kann also sagen, dass eine verfehlte Bildungspolitik nicht nur den wirtschaftlichen Wohlstand unseres Landes bedroht, sondern auch sukzessive den gesellschaftliche Zusammenhalt gefährdet und schlussendlich dafür sorgt, dass der Demokratie in Deutschland Ihre Berechtigungsgrundlage entzogen wird.

Lieber Ulf, lieber Philip redet doch mal darüber. Es erwartet ja keiner, dass hier euer konstruktiver Journalismus direkt eine Lösung auf den Tisch legt, aber um das Problembewusstsein zu schärfen und überhaupt Entwicklungsprozesse anzustoßen wäre hier eine Stärkung des Themas schon eine große Hilfe.

Beste Grüße

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Eine Umgestaltung der Lehrerausbildung ist sicherlich notwendig. Gerade eine stärkere Verschränkung von erster und zweiter Phase wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Dafür würde es jedoch besser Betreuung der Studierenden von Seiten der Uni und auch der Schulen benötigen. Ich weiß aus meiner Erfahrung, dass nicht jeder Lehrer Lust und Zeit hat sich um die Betreuung der Referendare zu kümmern. Hier müssten die Kollegen Doppelsteckungen und Stundenerlass erhalten um dieser Aufgabe angemessen nachgehen zu können. Leider ist dies auf Grund des Lehrermangels wohl nicht zu realisieren und bleibt dann wie so viele andere Leistungen auch eine zusätzliche Belastung für die Lehrkräfte.

Da die Wege in den Lehrerberuf zukünftig eher durchlässiger Gestaltet werden, wäre es auch sinnvoll hier einheitliche Standards zu formulieren, welche von allen Bundesländern akzeptiert und realisiert werden. Es gibt jetzt schon den Seiteneinstieg, Quereinstieg, einen Quereinstiegsmaster und den „Bodenständigen“ Weg in den Lehrberuf. Aus meiner Erfahrung als Fachseminarleiter kann ich nur zurückmelden, dass die Referendare alle mit extrem unterschiedlichen Voraussetzungen starten und für mich sehr ersichtlich ist, dass es hier dringend einheitliche Standards geben muss, damit eine gute Ausbildung der Referendare überhaupt möglich wird.

Was das Testen von pädagogischen und didaktischen Konzepten angeht, so wären sicherlich Modellschulen (wie z.B. in Bielefeld) die in Kooperation mit den Unis langfristig Konzepte erproben und evaluieren können sinnvoll. Da müsste der Staat halt wieder Geld in die Hand für nehmen. Ein weiterer wichtiger Punkt, der in einem anderen Beitrag schon mal angerissen wurde, ist, dass in Deutschland viele wissenschaftliche Erkenntnisse rund um den Wissenserwerb einfach konsequent ignoriert werden. So ziemlich alle Erkenntnisse der Hattie-Studie wurden wohlwollend zur Kenntnis genommen um dann einfach so weiter zu machen wie bisher. Ich führe hier jetzt nur ein Bsp. an: Eine der größten Verbesserungen der Unterrichtsqualität wird dadurch erzielt, dass Lehrkräfte Unterricht gemeinsam planen und sich gegenseitig in ihrem Unterricht besuchen und konstruktive Feedbacks geben. Hierfür müssen die Schulen halt entsprechend Lehrerteams und Strukturen zur Verfügung stellen, damit dies überhaupt realisiert werden kann. Dies erfolgt in der Regel halt nicht, wodurch diese Maßnahme, welche eigentlich relativ kostenneutral die Unterrichtsqualität steigern könnte, nicht realisiert werden kann.
Hierbei wird halt auch erkenntlich, dass die Frage wie Bildung konkret ausgestaltet werden soll, eher eine Glaubensfrage denn eine Frage ist, welche auf wissenschaftlich fundierten Fakten erfolgt.