Beweisumkehr der Innenministerin

Wie einfach kann man die Beweislastumkehr vornehmen? Macht man mit diesem Instrument nicht einzelne Berufsgruppen Mundtot? Bei Maischberger sind die Schlagwörter: öffentlicher Dienst, Verwaltungsakt, Entfernen aus dem Dienst und Beweislastumkehr gefallen. Ich verstehe die Aussage so: „ich kündige dich ohne Beweise, du kannst ja dann beweisen, dass du nichts falsches getan hast“.
Die Gewerkschaft der Polizei macht zum Glück mobil, aber wie ist die Lage der Nation hier wirklich?

  1. Du verstehst die Aussage falsch.
  2. Natürlich stänkern die Täterschutzorganisationen der Polizei dagegen.

Was wirklich geplant ist, so wie ich das verstehe, ist dass das Rechtsschutzverfahren gegen eine derartige Kündigung vorerst keine aufhaltende Wirkung hat.

Bisher ist es so, selbst wenn bspw. ein Polizist glasklar verfassungsfeindliche Dinge äußert/tut, wird eine Kündigung erst dann wirksam, wenn das entsprechende Verfahren vor den Verwaltungsgerichten rechtskräftig abgeschlossen ist. Und das kann dauern, denn warum sollte der betroffene Polizist nicht trotz Aussichtslosigkeit bis zum Ende durch alle Instanzen gehen? Er hat doch bis dahin praktisch unbegrenzt bezahlten Urlaub und erhält in Summe an Beamtenbezügen für diese Zeit vermutlich weitaus mehr Geld, als ihn das Verfahren kostet.

Hier z.B. spontan mit einer Websuche ein Urteil gefunden.

https://www.bverwg.de/171117U2C25.17.0

Gegen einen Polizeibeamten wurden ab 2007 Disziplinarverfahren zur Entlassung aus dem Dienst geführt, weil er u.a. an der Herstellung von CDs mit volksverhetzenden Liedtexten beteiligt war, Tätowierungen mit Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen trägt, seine Wohnung vollgestopft mit Nazi-Devotionalien war und er mehrfach dokumentiert den Hitlergruß gezeigt hat. Das Verfahren hat dann insgesamt 10 Jahre gedauert bis zum BVerwG, und über die ganze Zeit war der Typ anscheinend „unter ungekürzter Bezügezahlung vorläufig des Dienstes enthoben“.

Ehrlich gesagt fehlt mir als Steuerzahler jegliches Verständnis dafür, dem seinen Lebensstil über so einen pervers langen Zeitraum noch finanzieren zu müssen. (Auch warum die unteren Gerichte ihm zu großem Teil zuerst sogar Recht gegeben haben, sollte übrigens dringend hinterfragt werden. Es gibt aber afair auch Fälle, wo der suspendierte Beamte durchgängig in jeder Instanz verliert und es trotzdem einfach so lange durchzieht wie geht, hier z.B. wegen Drogendelikten:)

Ich fände es daher vollkommen legitim, wenn so jemand erstmal wirksam entlassen werden und dann dagegen klagen kann. Wenn er am Ende gewinnt, dann muss ihm natürlich seine ihm vorenthaltene Besoldung nachgezahlt werden. Aber einfach mal auf Kosten der Allgemeinheit sich zu einem Vielfachen des üblichen Hartz-Satzes einen faulen Lenz machen, selbst wenn jeder von Anfang an weiß, wie es am Ende ausgehen wird, halte ich für unfair der Allgemeinheit gegenüber.

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Für den Kontext: Hier das Interview vom 07.12., relevant ist hier Minute 1:45 bis 4:15.

Frau Faeser äußert sich hier schon eher problematisch. Jemanden einfach mit einem Verwaltungsakt aus dem Dienst rauszukegeln und ihm dann die Beweislast zu übertragen, zu beweisen, dass er nicht schuldig ist, klingt tatsächlich erstmal problematisch.

Ich denke aber, im Kern geht es tatsächlich um das, was @otzenpunk sagt: Frau Faeser sagte ja in diesem Ausschnitt klar, dass es um relativ klare Fälle geht, nicht um Zweifelsfälle. Daher soll hier wohl einfach eine Möglichkeit geschaffen werden, die Zeit zwischen „Beginn der Ermittlungen“ und „Ende des Verfahrens“ zu überbrücken.

Aktuell ist es so, dass Beamte ihren Beamtenstatus nach rechtskräftiger Verurteilung zu einer mindestens einjährigen Haftstrafe (in bestimmten Deliktgruppen reichen auch 6 Monate!) automatisch, durch Gesetz, verlieren (§ 24 Abs. 1 BeamtStG). Daher: Eine Verurteilung alleine reicht noch nicht, wenn diese, weil Berufung eingelegt wird, noch nicht rechtskräftig geworden ist. So entsteht eine sehr, sehr lange Zeit, in der Beamte nur beurlaubt werden können, weil die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 BeamtStG nicht erfüllt sind. Bis ein Prozess mit Berufung und Revision durch ist, vergehen oft viele, viele Jahre.

Das will man nun ändern, indem man eine weitere Möglichkeit schaffen will, das Beamtenverhältnis per Verwaltungsakt zu beenden (indem man z.B. eine Nr. 6 an § 23 Abs. 1 BeamtStG anhängt). Dagegen kann der Beamte dann natürlich auch klagen - aber dann muss hier schon ein Gericht - i.d.R. im einstweiligen Rechtsschutz, also kurzfristig - entscheiden, ob der Beamte bis zur rechtskräftigen Verurteilung (oder einem Ausbleiben dieser) aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden darf.

Ich sehe hier grundsätzlich keine Probleme, da der Rechtsschutz nicht ausgehebelt wird, da der Beamte auch gegen die Entlassung per Verwaltungsakt juristisch vorgehen kann. Es bedeutet lediglich, dass die Außerdienststellung eben früher im Verfahren entschieden wird, was u.U. natürlich zum Vorwurf der Vorverurteilung führen kann. Aber das ist ein verhältnismäßig kleiner Preis dafür, dass man Extremisten schneller aus dem Staatsdienst bekommt. Und das kann dann natürlich auch schnell zu hohen Schadenersatzforderungen führen, wenn die Entfernung aus dem Dienst im Hauptverfahren dann doch für unzulässig erachtet wird.

Für die Bundesbeamten gilt übrigens:

§ 31 Abs. 1 Nr. 1 BBG regelt, dass eine zwingende Entlassung vorzunehmen ist, wenn die Voraussetzungen aus § 7 Abs. 1 Nr. 1 BBG nicht mehr vorliegen. Schauen wir uns mal § 7 Abs. 1 BBG an:

Ich finde es ehrlichgesagt schockierend, dass § 31 Abs. 1 Nr. 1 BBG die zwingende Entlassung aus dem Beamtenverhältnis vorsieht, wenn nachträglich die Zugangsvoraussetzung der passenden Staatsangehörigkeit entfällt, nicht aber, wenn nachträglich die Zugangsvoraussetzung der Verfassungstreue entfällt. Warum hat man hier in § 31 Abs. 1 Nr. 1 BBG nicht direkt alle Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 BBG einbezogen?!? Also den nachträglichen Wegfall der Staatsbürgerschaft explizit höher zu gewichten als den nachträglichen Wegfall der Verfassungstreue erscheint mir, gelinde gesagt, eine sehr, sehr merkwürdige Prioritätensetzung zu sein.

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Danke