wir, mehrere Eltern in Berlin, fragen uns seit einiger Zeit ob und wie es möglich ist das Thema Schule und Weiterentwicklung von Schule ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu stellen. Dabei geht es uns beispielhaft um die Situation an den uns bekannten Schulen. Grundsätzlich aber auch um die Tatsache, dass wir es uns leisten pädagogische Konzepte in Schulen zu erproben, aufwändig zu überwachen und weiter zu entwickeln und gleichzeitig die Konzepte zu demontieren und ad absurdum zu führen. Das Ergebnis ist beispielsweise eine Gemeinschaftsschule die sich im Moment unter den letzten 15 Schulen in der Auswahl zum deutschen Schulpreis befindet. Diese Schule befindet sich nun im Regelbetrieb (nicht mehr Schulversuch) und verliert seitdem immer wieder Unterrichtende (Streichung von Stellen, Veränderung der Berechnung der ReferendarInnen, …), ganze Fächer verschwinden quasi aus dem Stundenplan oder 3. KlässlerInnen sollen 1,9 km durch den Stadtverkehr zur Schwimmhalle laufen da der Schwimmbus zu teuer ist und dieses Unterfangen auch mit Inklusionsklassen nicht länger als 20 Minuten dauern sollte.
Ein anderes Beispiel ist eine weiterführende Schule deren Schulgarten preisgekrönt ist und nun für einen Behelfsbau abgerissen wird. Insgesamt macht es uns betroffen, wie die Gleichzeitigkeit mit der guten Abiturnoten und Lernbedingungen festgestellt werden oder die positive Wirkung eines gemeinsam gestalteten und genutzten Schulgartens und der anschließenden Demontage der Schulstruktur (zu wenig Unterrichtende, zu wenig Raum, Zeitdruck in der Stundentafel durch Fußmärsche durch Berlin) sich immer wiederholt. Dies ist eine Verschwendung von Ressourcen und Verschleiß motivierter Menschen und lässt Problemlösungen im Bereich schlechte Bildung sofort wieder in sich Zusammenfallen sobald die Scheinwerfer des Schulversuchs aus sind.
Falls das irgendwie interessant sein könnte, habe ich mehrere Kontakte aus Schulen die relativ ähnliche Erfahrungen machen.
Ich bin Schulelternsprecher und seit kurzem auch im Schulträgerausschuss im Kreistag und Gemeinderat einer ländlichen Gegend in RLP. Mein Sohn geht (als Inklusionskind) an eine Grundschule, die mal den deutschen Schulpreis gewonnen hat und immer noch ein recht anspruchsvolles pädagogisches (Ganztags-)Konzept weiterentwickelt.
Aus meiner Sicht ist es in der Tat so, dass Schulen aufpassen müssen, (dringend notwendige) pädagogische Reformen und Innovationen nicht auf eine Art und Weise durchzuführen, dass das Personal und die Räumlichkeiten davon überlastet werden.
Gleichzeitig sind diese Innovationen aber auch für viele Lehrer ein wichtige Motivation und für das Gelingen von Schule unter veränderten Rahmenbedingungen (Inklusion, Integration, neue Lernziele) notwendig. Ich war vor ein paar Monaten bei einem Elternabend einer Grundschule, wo die Umsetzung von Konzepten wie jahrgangsübergreifender und gruppenorientierter Unterricht und die Abschaffung von starren Prüfungsformaten und klassischen Noten durch die Lehrerinnen explizit damit begründet wurde, dass sie keinen Bock mehr darauf haben, nachweislich schlechte Pädagogik mit ihren Kindern zu betreiben.
Für mich ist der Knackpunkt die materielle und personelle Ausstattung der Schulen. Kein pädagogisches Konzept kann erfolgreich sein, wenn durch Krankschreibungen an guten Tagen nur 75% der Lehrerstunden zur Verfügung stehen und ein wesentlicher Teil des Unterrichts in 15 Jahre alten Containern stattfindet. „Klassische“ Unterrichtsformen (klassengebunden, frontal), geben vielleicht den Eltern das Gefühl, dass eine vertraute Unterrichtsform praktiziert wird und Lehrer werden nicht mit der Umstellung auf innovativere Unterrichtsformen zusätzlich belastet, aber wir sollten uns nichts vormachen: besser wird die Ausbildung unserer Kinder dadurch am Ende nicht.
Gestern habe ich in einer Sitzung des Schulträgerausschusses des Kreistags gesessen, wo der Landrat die Prognose von 10-30% mehr Schülern über die nächsten 10 Jahre verkündet und das Aufstellen von Containern und anderer Notmaßnahmen an diversen Schulen empfohlen hat. Auf die Nachfrage, ob man dann nicht auch den Aus- und Neubau von Schulgebäuden in Angriff nehmen solle, war die Antwort: Nein, das geht nicht, weil wir nicht wissen wie sich die Schülerzahlen über die 10 Jahre hinaus entwickeln und solche Baumaßnahmen mindestens 15 Jahre in Anspruch nehmen würden .
Das ist die Einstellung, mit der wir aufräumen müssen.
Da bin ich mir nicht so sicher, denn es ergibt schon Sinn. Schulgebäude wieder verkleinern geht halt selten gut und die erzeugen ja Betriebskosten. Container kann ich hingegen bei Bedarf wieder abbauen.
Man sollte daher eher die Frage stellen warum der Ausbau so lange dauert. Ich kenne mehrere Fälle in meiner Heimatstadt. Da waren die Mittel für den Ausbau von Schulgebäuden bereits bewilligt, aber die Genehmigungsverfahren waren so umfangreich, dass es bis zur Genehmigung mehrere Jahre dauerte. Leider änderten sich in dieser Zeit die finanziellen und absehbaren demographischen Gegebenheiten, so dass der Ausbau wieder gestoppt wurde. Irgendwann war der Wille wieder da, doch das Vergabeverfahren hat den Prozess abermals ausgebremst.
Einige Iterationen später stand die neue Turnhalle dann nach etwa 15 Jahren bzw. 25 Jahre nachdem die Schulleitung sich dafür erstmals stark gemacht hat.
Das andere geplante Schulgebäude, das eine ähnliche Historie hatte, steht bis heute nicht.
Es wäre soviel möglich wenn wir endlich mal ernsthaft über unsere Regelungswut hinweg kommen würden.
Es gibt natürlich Möglichkeiten Gebäude multifunktional zu planen und zu bauen. Es gibt kein Naturgesetz, dass vorschreibt dass ein Schulgebäude nicht als Bürofläche oder (wenn es entsprechend geplant wurde) auch als Wohngebäude umnutzbar wäre. Natürlich ist der Anpassungsaufwand größer, je mehr man von der ursprünglichen Nutzung weggeht und die eine flexible Planung ist essentiell.
Davon abgesehen reden wir in Deutschland aber seit gefühlten 50 Jahren darüber, dass wir keine neuen Schulgebäude bauen können, weil die ja irgendwann nicht mehr gebraucht werden. Die Realität sieht anders aus: die Schülerzahlen steigen und die veränderten Anforderungen an Bildung brauchen oft mehr Raum pro Schüler (Inklusion ist zum Beispiel nicht ohne zusätzliche Räume für Therapie und Rückzug möglich).
Und was ist der Worst Case? Dass ein paar Schüler zu viel Platz zum lernen haben?
Auch Container sind nicht umsonst. Eine schulgerechte Containeranlage geht (je nach Größe) über mehrere Jahre schnell in die Millionen Euro. Anders als beim Bau eines Schulgebäudes entsteht zudem praktisch keinerlei Gegenwert. Das Geld ist weg, die Container (wenn sie gekauft und nicht gemietet werden) sind spätestens nach 15 Jahren unbenutzbar.
Zudem werden für Container praktisch nie neue Flächen erschlossen. Die Anlagen entstehen also meist auf Schulhöfen, die dann auf kleinerer Fläche mehr Schüler beherbergen müssen.
Meinem Eindruck nach ist das Hauptproblem nicht das baurechtliche Verfahren, sondern liegt an ein paar anderen Stellen:
Raumplanung: Flächennutzungspläne anzupassen ist in Deutschland ein extrem aufwändiges und langwieriges Verfahren. Für den schnellen Bau öffentlicher Gebäude müssten die Kommunen im Idealfall regelmäßig die eventuellen Flächenbedarfe für die nächsten 50 Jahre schätzen und den Flächennutzungsplan dann bei der nächsten Gelegenheit entsprechend anpassen, damit immer eine „Reserve“ beplanbarer Fläche vorhanden ist. Aktuell läuft es eher so, dass ein ad-hoc Bedarf eintritt und dann aber bis zur nächsten Anpassung des F-Plans gewartet werden muss, bis man weitermachen kann.
Die meisten Gemeinden kaufen ad-hoc benötigte Flächen. Das ist sehr teuer, weil die Grundstückseigentümer sich den Druck der Kommunen gut bezahlen lassen. Und oft scheitern daran Projekte, weil etwa der Bauer, dem das Land auf dem eine Schule gebaut werden soll überhaupt nicht verkaufen möchte. Besser wäre es, wenn die Gemeinde über längere Zeit eine „strategische Flächenreserve“ aufbaut und Bebauungspläne nur auf Flächen ausweist, die ihr ohnehin schon gehören.
Gerade im Schulbau ist eines der größten Hindernisse, dass die Gemeinden und Kreise hier immer auf projektbezogene Zuschüsse der Länder angewiesen sind. Die Verfahren hierfür dauern ewig und sind zudem manchmal recht willkürlich. Besser wäre es, den Schulträgern frei verfügbare Budgets auf der Basis des Alters der bestehenden Schulsubstanz, der geographischen und sozialen Struktur des Gebiets und der Prognose zur Schülerentwicklung zur Verfügung zu stellen.