Bericht über Afghanistan (Folge 252)

Liebe Community,

Die Berichterstattung über Afghanistan in der letzten Folge (252) habe ich als zu einseitig empfunden.
Dass es uns (und den Amerikanern) neben der Bekämpfung „der Achse des Bösens“ auch um geopolitisch strategische Interessen und den riesigen Rohstoffvorkommen in Afghanistan geht wird mit keiner Silbe erwähnt.
Selbst Horst Köhler sprach diese Wahrheit schon 2010 aus, was dazu führte dass er nicht blieb:

„Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen. “

Dass es bei den meisten Auslandseinsätzen um Öl, Gas, seltene Erden oder die geographische Lage des jeweiligen Landes geht lässt sich schon aus der imperialistischen Geschichte deutlich erkennen. Außerdem spielte im letzten Jahrhundert auch der Kampf gegen den Kommunismus eine tragende Rolle bei Auslandseinsätzen (wie Vietnam, Indonesien, Nicaragua usw…).

Über die Mitschuld der Bundesregierung an der Hochrüstung des islamistischen Terrors wird auch nicht gesprochen. Pakistan gehört immerhin zu einer der Hauptempfängerländer unter den Nicht-NATO Staaten von deutscher Rüstungsindustrie. Die Taliban erhalten wiederum einen Teil ihrer Waffen aus Pakistan. Die Amerikaner haben die Taliban auch im letzten Jahrhundert noch gegen die Sowjets unterstützt.

Selbst die Expertin berichtet doch erstaunlich einseitig über Auslandseinsätze.
Wenn man ihr zuhört gewinnt man den Eindruck, dass es dem Westen ausschließlich darum ginge demokratische Strukturen in anderen souveränen fremden Staaten aufzubauen und den Terror zu bekämpfen. Als wollten wir nur Gutes im Ausland tun, aber die „Leute vor Ort müssen schon soviel wollen wie wir wollen“ (sind die Afghanen jetzt hauptsächlich Schuld an der ganzen Katastrophe? Und was genau wollen wir eig?).
Sie nennt sogar den Irakkrieg einen „Stabilisierunsgseinsatz“. Dieser Krieg unter der „Koalition der Willigen“ war völkerrechtswidrig, hat hunderttausende tote Zivilisten zu Folge gehabt und beruhte unter anderem auch auf einer Kriegslüge der Amerikaner, die dem UN-Sicherheitsrat (durch den damaligen Außenminister Powell) falsche Belege hinsichtlich der Behauptung von irakischen Chemie-und Biowaffenlaboren vorlegten.

Dieses Interview erinnert mich ein wenig an das Interview von Herrn Graff Lambsdorff bei der LdN über die Ermordung des ehemaligen iranischen Soldatens durch eine amerikanische Drohne unter Trumps Führung. Dieses Interview war an einseitig nicht zu überbieten.

Ich würde mir wünschen, wenn die Lage sich bei außenpolitischen Themen häufiger zwei Seiten einer Geschichte ansieht.

5 „Gefällt mir“

Dass es bei Auslandseinsätzen um Öl und andere Ressourcen geht, ist indes ein Mythos.

2 „Gefällt mir“

Oder, zum Beispiel, das genaue Gegenteil davon: verhindern, dass China weitere Landwege zum nahen Osten bzw. Arabischen Meer bekommt oder regionale Instabilitäten erzeugen, damit die regionale Bevölkerung ihre Interessen nicht wahren kann. :wink:

2 „Gefällt mir“

Die Autorin dieses Buches arbeitet an der Naval Postgraduate School. Eine Universität in Trägerschaft der United States Navy. An der Objektivität dieses Buches habe ich deswegen einige Zweifel.

2 „Gefällt mir“

Was sind denn ihrer Meinung nach die Interessen der Menschen in Afghanistan? Unter der Herrschaft von fanatischen Islamisten wie den Taliban zu leben doch hoffentlich nicht…

1 „Gefällt mir“

Ob die Mehrheit der Afghanen die Taliban unterstützt, kann ich nicht beurteilen. Ich kann aber vermuten, dass die afghanische Bevölkerung ähnliche – menschliche – Bedürfnisse wie die deutsche hat, zum Beispiel Stabilität und Wohlstand. Ob es den Afghanen unter der Taliban durchschnittlich besser gehen wird, als in den letzten 20 Jahren, wird die Zukunft zeigen.

Als ein Aspekten unter vielen sei hier illustriert, dass es den Afghanen sicherlich besser gehen wird, wenn sie gute Beziehungen mit ihren Nachbarn pflegen würden. Es war allerdings schwierig gute Beziehungen aufzubauen, solange das Land de-facto von fremden Mächten kontrolliert wurde, die ausgerechnet alle Nachbarn des Landes als geopolitische Feinde deklariert haben (China, Iran und die „GUS-Staaten“ sowieso, und der Drohnenkrieg gegen Pakistan tut sein übriges). Die Taliban ist zwar auch nicht gerade der „ideale Nachbar“, aber zumindest Pakistan steht fest an deren Seite.

Sie zeichnen hier ein sehr schiefes Bild. In den vergangenen Jahren haben vor allem die Taliban dafür gesorgt dass Afghanistan immer instabiler und unsicherer geworden ist.

Wenn Sie der Meinung sind dass Repression und Vertreibung geeignete Mittel sind ein Land zu befrieden dann sind die Taliban natürlich die beste Wahl. In der Zeit ihrer ersten Machtübernahme (1996-2001) gab es aber weder Frieden noch Wohlstand und ich sehe nicht, warum sich das nun ändern sollte.

1 „Gefällt mir“

Wohlstand gibt es in Afghanistan im Wesentlichen als Folge von Zahlungen aus dem Ausland. Das Bildungs- und Gesundheitswesen ist fast vollständig davon abhängig, da das Land aus eigener Kraft so gut wie nichts davon selbst bereitstellen könnte. Wer in Kabul regiert, ist sekundär.

Und dass es Frieden in Afghanistan nicht gegen die Taliban geben kann, sollte nach 20 Jahren akzeptiert werden. Wieviele zehntausend Todesopfer, wieviele hunderttausend Verletzte und Traumatisierte sind hinzunehmen, um die Taliban weiterhin von der Macht fernzuhalten? Die Afghanen selbst haben in ihrer großen Mehrheit offenbar keine Kraft/Motivation mehr, diesen Kampf fortzusetzen.

Die Taliban haben gewonnen. Damit ist nun umzugehen. Und besser sie Siegen in einer weitgehend unblutigen Machtübernahme innerhalb von wenigen Wochen, als in einem monatelangen Krieg mit weiteren zehntausenden sinnloser Opfer.

Der schnelle Sieg der Taliban ist für die Mehrheit der Afghanen das kleinere Übel. Nur für den Westen, wo dieses Land allein aufgrund der dort aktuell produzieren Fernsehbilder relevant ist, wäre ein längerer Todeskampf des bisherigen Regimes bequemer gewesen.

1 „Gefällt mir“

Das stimmt natürlich alles im Grunde. Das heißt aber nicht, dass es in jedem Einzelfall und auch heute immer zutrifft.
Welche Rohstoffe gibt es denn konkret in Afghanistan (die Kommunisten sind jedenfalls schon eine Weile weg)?

Dass der Einsatz ursprünglich gegen den Terrorismus gerichtet war und man sich dann überlegt hat, dass man einen stabilen Staat aufbauen muss, damit er nicht zurückkommt ist doch sehr plausibel - und übrigens auch nicht wahnsinnig idealistisch, sondern im Eigeninteresse des Westens…

1 „Gefällt mir“

In diesem Thread gab es bereit eine Menge guter Hinweise und Links - u.a. zur Frage, was denn die Afghan:innen wohl wollen würden:

1 „Gefällt mir“

Dass Öl oder andere Rohstoffe der alleinige oder wichtigste Interventionsgrund ist, behauptet @Odeceixe ja nicht. Dass es aber KEIN Motiv wäre, wird durch Köhlers Aussage klar widerlegt.

Einfach mal maximal hochgehängt vom „Mythos“ zu sprechen, ist eine typisch reisserische These, wie sie oft dann im weiteren Text nur noch notdürftig durchgehalten (belegt) wird. Durch die Zusammenfassung wird diese Vermutung nicht widerlegt.

Ja, Zweifel scheinen angebracht.

Das ist aber nicht wirklich das Gegenteil von Sicherung der eigenen Interessen…

Ein friedliches, stabiles Afghanistan könnte in den Welthandel einbezogen Milliarden allein durch den Abbau seiner Bodenschätze generieren. Allerdings haben die Taliban mit ihrer reaktionären Ideologie daran gar kein Interesse. Viele der korrupten „Eliten“ (Warlords, Stammesfürsten etc) im Land leider auch nicht. Die USA und die Europäer haben es versäumt, Personen bzw. Gruppen zu unterstützen, die Afghanistan in Richtung eines halbwegs modernen Staatswesens zu verändern. Stattdessen müssen nun viele gebildete und modern orientierte Menschen das Land verlassen, um ihr Leben zu retten.

„Gesiegt“ hatten die Taliban im übrigen auch scheinbar schon 2001 als sie rund 90% des Landes kontrollierten. Nach der Intervention der Nato nach 9/11 fiel ihr Terrorstaat dann innerhalb weniger Wochen in sich zusammen. Es ist nur eine Frage der Zeit bis sich wieder ein bewaffneter Widerstand gegen sie bilden wird.

Finde bei den aktuellen Entwicklungen auch diese Meldung beachtenswert.

Habe mir da selbst noch keine abschließende Meinung gebildet, finde es allerdings mindestens zeitlich maximal unpassend dies in Der aktuellen Lage „anzubieten“ und bin geneigt der Kritik durch FDP und Grüne zuzustimmen. Wie im Artikel beschrieben wirkt es wie ein heraus kaufen aus dem eigenen Versagen der Politik und Behörden.

Übersehe ich da irgendwas oder ist das einfach nur maximal respektlos/pietätlos das überhaupt so in den Raum zu stellen?

1 „Gefällt mir“

Ich möchte auch noch einen Aspekt ergänzen, der nur am Ende im den Interview kurz behandelt wurde: Die Leistungsfähigkeit der Bundeswehr.

Klar muss man die Bundesregierung dafür kritisieren dass sie die letzten Monate NICHTS für die dortigen Ortskräfte gemacht hat. Man hätte schon viel früher evakuieren sollen. Das ist alles richtig. Nur ist es dafür aber jetzt zu spät.

Mich regt ganz allgemein auf wie nun über die AKTUELLE Lage in Afghanistan in Deutschland disktuiert wird. Insbesondere die „Forderungen“ der Opposition über eine „Luftbrücke“ ist einfach nur lächerlich. Von der anderen Seite kommt nur „wie viele lassen wir rein“, was bei den armseligen Haufen der bisher gerettet wurde einfach nur unmoralisch ist.

Man muss sich mal die Faktenlage anschauen:

  • Am Flughafen in Kabul sind ca. 5000 US Soldaten und ca. 200 Deutsche.
  • Die Bundeswehr setzt 2 A440M Maschinen ein, die Amerikaner mindestens 10 oder mehr. (Aktuelle Meldung: Die Amerikaner haben in 24 Stunden 16000 Leute ausgeflogen, 4x soviele wie die Deutschen in mehreren Tagen)
  • Die Amerikaner kontrollieren den Flughafen und lassen nach mehreren Augenzeugenberichten (aktuell) auch hauptsächlich nur „amerikaner“ und „deren Ortskräfte“ rein, außer sie werden von deutschen Soldaten eskortiert
  • Das ist auch der Grund dafür dass die Flugzege manchmal nicht voll werden. Wenn die amerikanische Flugkontrolle sagt, ihr fliegt jetzt, macht die Landebahn frei, dann müssen sich die Deutschen dem beugen.
  • Wenn die Amerikaner am 31.08 den Flughafen verlassen (sollten), das ist einfach Fakt: Dann ziehen auch alle anderen Nationen ihre Soldaten ab. Der Außenbeauftragte der EU hat es faktisch zugegeben: Selbst alle EU Armeen zusammen können den Flughafen nicht ohne amerikanische Unterstützung sichern.

Man muss sich eingestehen dass die Bundesregierung (die EU) hier nur am Rand steht und zuschauen kann. Man hat hier wenig eigene Möglichkeiten. Insbesondere die Forderung einiger Politiker auch Menschen ausserhalb Kabuls durch die Bundeswehr rauszufliegen ist wahnwitzg…

Und die deutsche Öffentlichkeit (nicht nur die Parteien, sondern gesamtgesellschaftlich) sollte sich auch mal selbstkritisch Hinterfragen: Wenn man in so einen EInsatz rein geht und die Soldaten aus „politischen Gründen“ nicht gut Ausstattet (es soll ja nicht Krieg heißen und auch nicht so aussehen) brauch man sich nicht zu wundern wenn man dann die Rolle zugewiesen bekommt die man verdient.

Wer gedient hat und vielleicht mit amerikanischen Soldaten zu tun hatte, weiß vielleicht was ich meine…

1 „Gefällt mir“

Gegenteil bezog sich auf freie Handelswege und regionale Instabilität, nicht auf die eigenen Interessen.

Freie Handelswege sind aber ziemlich direkt eigene Interessen.

Das habe ich auch nicht bestritten. Ich habe nur angemerkt, in Ergänzung zu den Beispielen von Herrn Köhler, dass es auch ein Kriegmotiv sein kann anderen Nationen freie Handelswege zu untersagen. Im Beispiel Afghanistan wird/hätte Deutschland nahezu keinen Nutzen aus freien Handelswegen durch Afghanistan gezogen. Sehr wohl aber – je nach Blickwinkel – dass China gerade keine freien Handelswege durch Afghanistan nutzen kann.

Die Kritik richtet sich doch an die Politik und nicht an die Armee. Daher verstehe ich auch den Verweis nicht. Die Rahmenbedingungen sind alte ein Frage mit der man umgehen sollte, das schafft Deutschland und dass ist die Kritik. Andere staaten insbesondere USA und UK haben ihre Definitionen, wen sie mitnehmen deutlich erweitert. Deutschland nicht. Hinzukommen diverse Person in Afghanistan selbst welche hierbei wesentlich flexibler vorgehen. Die deutschen scheinen das nicht zu machen.

Zu der voran gegangen Diskussion möchte ich noch anfügen,

  • dass die Taliban (meines Wissens) alles Afghanen sind, Menschen aus dem „eigenen Volk“ und keine fremden.
  • Die Taliban offensichtlich mehr Sympathien im Volk hat als die „offizielle Regierung“
  • ein demokratischer Anspruch ist „Selbstbestimmung“. Ich befürchte dass genau das gerade in Afghanistan passiert.

Es passt uns nicht, aber es scheint so dass der Teil der Bevölkerung der „westlich Orientiert“ ist nur eine Minderheit darstellt.

1 „Gefällt mir“

Die “Einschätzung”, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, Köhlers, der als Bundespräsident nicht in die Entscheidung eingebunden war (und in der Politik wohl nicht gut vernetzt), belegt oder widerlegt m.E. erstmal gar nichts über die wirklichen Hintergründe oder Ziele des Einsatzes. Es ist maximal ein Indiz.

1 „Gefällt mir“