Im dieswöchigen Podcasts gab es bei zwei so kurz aufeinanderfolgenden Themen einen so absurden Kontrast, dass ich das als treuer Lage-Hörer zum Anlass nehme, mich hier anzumelden und meinen Senf dazuzugeben.
Zum Thema beschleunigte Verfahren auf Kosten des Umweltschutzes habt ihr die Meinung vertreten, dass der Personalmangel in den Behörden dies rechtfertigen würde, um die Arbeit für die Behörden zu reduzieren. Beim Thema verlängerte Abschiebehaft liegt das an der Behörden-„Schlamperei“. Was den nun?
Warum sollen die armen Genehmigungsbehörden überlastet sein, die fiesen Polizeibehörden aber schlampen? Bei der Polizei suchen sie ebenso händeringend nach Leuten wie überall sonst. Polizeibeamten werden regelmäßig erhebliche Mengen Überstunden angeordnet, die häufig nicht abgebaut werden können, bis sie irgendwann gestrichen werden oder verfallen.
Da diskriminiert ihr mit eurem platten Schlamperei-Vorwurf m.E. jede/n einzelne/n Polizisten/in, der/die auch nur seinen/ihren Job macht, so gut er/sie es kann.
Vor allem hätte es so viele andere, kurze, knackige Argumente gegeben, von denen ihr ständig sprecht: Effizienz durch Digitalisierung, Bürokratieabbau und (das Argument weshalb der arme, bestimmt nur eine einzelne Rotmilan in den sauren Apfel beißen muss:) Reduktion der anfallenden Arbeit, z.B. durch weniger Abschiebungen! Das passt doch wunderbar in euer Narrativ und ist, finde ich, auch besser vertretbar, als den Umweltschutz zum gleichen Zweck hinten anzustellen.
von Polizei war gar nicht die Rede - ich meine, wie haben die Behörden nicht näher genannt, aber ich dachte eher an die Ausländerbehörden. Die Polizei führt ja letztlich nur aus, was die Ausländerbehörde plant.
liegt die Schlamperei darin, dass man sich nach der Inhaftierung offenbar noch mehr als zehn Tage Zeit lassen möchte, ehe die eigentliche Abschiebung stattfindet. Das ist ein geradezu haarsträubender Umgang mit dem Freiheitsrecht von Menschen. Selbstverständlich muss eine Abschiebung komplett vorbereitet sein, bevor man die abzuschiebende Person in Haft nimmt. Man kann doch nicht Menschen quasi auf Vorrat einsperren und erst dann schauen, ob man die Abschiebung überhaupt organisiert bekommt.
Daher geht es bei der Abschiebehaft aus meiner Sicht nicht um Personalmangel bei den Behörden, der ohne Zweifel besteht, sondern nur um eine vernünftige, insbesondere am Freiheitsrecht der betroffenen Personen orientierte Organisation von Abschiebungen.
klar, da wäre ich sofort dabei … sofern die Person nicht ohnehin eine Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, sodass man auch keine Abschiebehaft vollziehen muss, kann man von mir aus auch komplett auf Abschiebungen verzichten.
Nur zur Sicherheit, gilt das so unbegrenzt wie du es schreibst? Angenommen es gäbe jetzt 3 Jahre in Folge > 1 Million Asylbewerber. Bei der Masse stellen Gerichte keinen Asylgrund fest und die Kapazitäten unsere Integrationseinrichtungen sind völlig überlastet, während die Stimmung in der Bevölkerung kippt.
Wärst du in diesem hypothetischen Fall, der hoffentlich nie eintritt, wirklich für eine Aussetzung von Abschiebungen, auch wenn Asyl hier nur als Backdoor zur Arbeitsmigration genutzt wird?
Und was würden unsere europäischen Nachbarn dazu sagen, die sich schon heute über die asylfreundliche Politik Deutschlands beklagen (bspw. Frankreich, Italien, Dänemark).
Dir ist sicher klar, dass eine solche Haltung uns innenpolitisch UND außenpolitisch mächtig unter Druck setzen dürfte.
Man könnte natürlich auch einfach erwarten, dass ausreisepflichtige Personen das Land ganz ohne Zutun der Polizei verlassen. Die Menschen wissen, dass sie kein Bleiberecht mehr haben. Die Haft ist demnach das Resultat eines Fehlverhaltens. Mit der Haft gehen Verantwortung für das Wohlergehen des Menschen und weitere Arbeit/Kosten einher. Es kann gar nicht im Interesse des Staates liegen die Menschen länger in Haft bzw. im Land zu behalten als nötig.
Problematisch ist dabei nur, dass eine solche Organisation komplexe, logistische Probleme verursacht, die besonders unter massivem Personalmangel nicht einfach zu lösen sind. Vielleicht macht es sich die abschiebende Behörde da leicht - aber ich glaube nicht, dass sie die Leute aus Sadismus oder reiner Faulheit/ Schlamperei so lange festhält. Und ja, ich stimme zu, dass das idealerweise auch ganz ohne Haft gehen sollte. Aber mir geht es ja auch nicht darum, wie böse oder nicht böse die abschiebende Behörde ist, sondern um den unfairen Bias dieser Behörde gegenüber.
Idealer Weise würde auch für beschleunige Bauverfahren eine Lösung gefunden, ohne den Umweltschutz mit dem Argument auszuhebeln, dass die eigene ineffiziente Organisation und Personalstruktur der Aufgabe sonst nicht gewachsen sei. Den Umwelt- und Klimaschutz auszuhebeln, ist ja letztlich auch ein Füßetreten des Gundrechts auf Freiheit - nämlich der Freiheitsrechte über die Generationen. Da kann man sich streiten ob das bei dem Lebensraum des einen Milan anfängt oder bei den paar Tagen mehr oder weniger Haft. Beides ist nicht toll.
Nein das ist es sicher nicht. Ich möchte wissen, ob die Aussage von @vieuxrenard tatsächlich so grenzenlos gilt wie sie dort steht.
Daher habe ich ein hypothetisches Szenario aufgemalt, zumal das nicht mal zu krass sind, denn es gibt einige Fachleute, die sagen dass wir jährlich über 1 Million Migranten bräuchten.
Beispielsweise Frau Professor Schnitzer. Wie kann das dann polemisch sein?
Und was genau heißt das jetzt?
Dass Deutschland auf jeden Fall zum Scheitern verurteilt ist?
Denn wir brauchen ja die Zuwanderer, können aber ihre Integration nicht bewältigen? Wo genau soll diese Argumentation hinführen?
Ich bin ja der Meinung, dass man Dinge nicht schafft, weil man sich zu sehr damit beschäftigt, sich über die Herausforderung zu beklagen statt sie pragmatisch anzupacken.
Was ist denn das bitte für eine extremistische Position. Wenn du demnächst mal bei Rot fährst, dürfen wir dich dann auch einsperren? Resultat eines Fehlverhaltens? Bei Rot zu fahren ist immerhin bei weitem gefährlicher, als sich einfach nur ohne rechtliche Befugnis in D aufzuhalten.
Das ist keine sinnvolle Frage, weil niemand weiß, wie sich bis dahin die anderen Rahmenbedingungen verändert haben werden.
Stand heute würde ich auf Abschiebungen weitgehend verzichten und alle geflüchteten Menschen, die in D leben, egal in welchem Status, arbeiten lassen. Die Kosten für Migration würden sich dann in ein Plus verwandeln, denn dann hätten wir Einnahmen an Steuern und Sozialabgaben und endlich wieder genug Arbeitskräfte. Abschiebungen von Menschen, die nicht zur winzigen Gruppe der Schwerkriminellen gehören, schaden vor allem unserer eigenen Gesellschaft.
Natürlich müsste zu dieser Strategie auch ein Ende der rassistischen „das-Boot-ist-voll“-Rhetorik gehören, aber ich bin sicher, wenn solche Sprüche nur noch von der AfD kommen, wird das auch gelingen.
nein, sondern aus Bequemlichkeit und dem unreflektierten Gefühl, die Abschiebungen seien nun mal kompliziert, das gehe nicht einfacher/schneller, das habe man halt immer schon so gemacht und da müssten die Abzuschiebenden dann eben durch. Ich habe lange genug in der Justiz gearbeitet, um diese Dickfelligkeit selbst bei schwersten Eingriffen in Grundrechte aus dem Kollegenkreis zu kennen: Wer ständig Menschen einsperren lässt, verliert schnell das Bewusstsein dafür, was das eigentlich für die Betroffenen bedeutet.
Interessanterweise geht es dann meistens wie von Zauberhand, wenn man muss, zB weil das Verfassungsgericht reingrätscht
Daher habe ich überhaupt kein Verständnis mehr für Grundrechtseingriffe aufgrund schlechter Behördenpraxis. Get your shit done! Oder lasst die Abschiebungen halt sein, sie schaden uns eh nur (siehe oben).
Ich fand Ihre Frage auch gerechtfertigt - zumal zumindest ein Szenario, in dem wir 3 Mio Migranten ‚managen‘ müssen, angesichts des Klimawandels m.E. recht wahrscheinlich ist. Und diese beispielhaften 3 Mio werden wir auch ziemlich sicher nicht zu 90% wieder abschieben, abschrecken oder rausekeln können, wie das gerade als politische Ansicht populär zu sein scheint. Sich dem zu verschließen, halte ich für naiv.
Das ist für mich eines der besten Argumente dafür, dass wir die Zeit jetzt, wo die Migration noch einigermaßen überschaubar ist, nutzen müssen - und zwar sowohl um Strukturen zur Aufnahme, Bildung und Integration einer großen Zahl von fremden Menschen aufzubauen als auch um Entscheidungsgrundlagen und Lösungen zur Abschiebung oder Verteilung dieser Menschen zu finden.