Begnadigung durch die Präsidenten

Vielleicht wollt ihr mal das Thema Begnadigungen durch die Präsidenten behandeln. Trump begnadigt nach Gutsherrenart, Putin kann seit kurzem auch tun und lassen was er will. Das klingt nach tiefsten Mittelalter.

Das passt doch nicht in unsere Zeit, was ist hier los und gibt es Bestrebungen den Treiben ein Ende zu setzen?

Viele Grüße
Gilbert

Wird nicht schon immer in den USA begnadigt, gerade zum Ende der Amtszeit?

Interessieren würde mich, ob es sozusagen „gute“ Begnadigungen gibt und „schlechte“? Und wie kann man das jeweils definieren? Oder sollten Begnadigungen in den USA grundsätzlich abgeschafft werden?

Moin, mal ausgehend von den USA: Die Möglichkeit Menschen zu begnadigen ist nicht unzeitgemäß sondern allenfalls ein kleiner Eingriff in den Rechtsstaat (vulgo eine Gerichtsentscheidung aufzuheben). Das funktioniert so lange, wie die Menschen an der Macht sich dem Geist ihrer Verfassung verpflichtet fühlen. Das Problem in den USA ist, dass sie sehenden Auges einen Menschen auf ihre Verfassung losgelassen haben, der diese verachtet. Und an der Stelle versagen Checks and Balances. Die Frage ist also weniger, ob eine Begnadigung zeitgemäß ist, denn das ist sie immmer. Sondern warum immer mehr demokratische Systeme mühsam erkämpfte Rechte und Normen fast schon herschenken. Nicht nur in den USA sondern insbesondere in Europa. Vielleicht holt sich LdN hier mal ein paar alte Haudegen zum Interview die nicht mehr verantwortlich zeichnen, die können ja meist doch etwas freier reden. Mal einen Joschka Fischa zum Interview laden? Nahe genug dran am politischen Berlin ist LdN ja anscheinend.

VG
RE

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Ja, natürlich gibt es die. Die Unterscheidung fällt mal mehr und mal weniger einfach.

Begnadigungen, die dazu dienen, sich selbst oder Helfer nach Ablauf der Immunität vor einer Strafverfolgung zu schützen, sind definitiv die schlechten.

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Du schreibst:

Dem kann ich nicht zustimmen. Eine Begnadigung ist ein Aufheben der Gewaltenteilung und damit ein zutiefst schlechtes Zeichen für eine funktionierende Justiz. Sie ist damit nicht nur eine Aufhebung einer Gerichtsentscheidung, sondern ein Aushebeln der Gesetze.

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Ich denke der Vergleich zwischen den Begnadigungen die Trump vorgenommen hat und denen die Obama vorgenommen hat hinkt schon ziemlich gewaltig. Trump begnadigt ja im Wesentlichen Leute die in seinem persönlichen Umfeld standen oder gar aufgrund von Taten einsitzen, die im direkten Zusammenhang mit der Trump Administration oder Kampagne stehen (Manafort, Flynn, Stone). Das lässt sich bei Obama schwer konstruieren.

Trump Pardons
Obama Pardons

Gleichwohl finde ich, dass man durchaus grundsätzliche Zweifel daran haben muss, ob diese Möglichkeit des Pardons nach „Gutsherrenart“ überhaupt existieren sollte. Ich denke vor dem Hintergrund, dass es ein historisch gewachsenes Instrument ist, von höchster Exekutiv-Ebene in die Entscheidung der Judikative „hineinzuregieren“, kann man schon davon ausgehen, dass es eine gewisse Daseinsberechtigung hat. In bestimmten Fällen ist vielleicht „Gnade vor Recht“ aus politischen Gründen angebracht (ich würde da bspw. an Chelsea Manning denken). Das Problem in den USA (und anderen Staaten) ist, dass das Recht zur Begnadigung keine unabhängige Kontrolle durch andere Institutionen (Gerichte bspw.) vorsieht. Das liegt zwar in der Natur der Sache, führt aber zu großen Problemen, wenn der Inhaber des Begnadigungsrechts auf die ungeschriebenen Normen und Tabus pfeift. Dies lässt sich bei Trump generell beobachten.

Auch in Deutschland - und den meisten anderen Ländern soweit ich das überblicken kann - existiert ein Recht des Bundespräsidenten auf Begnadigung (Art. 60 II GG). Allerdings ist das Gnadenrecht wohl im Einzelfall oft Sache des Ministers des jeweiligen Landes. Auch hier ist es wahrscheinlich so, dass die maßvolle Anwendung des Gnadenrechts im wesentlichen davon abhängt, dass diejenigen die über das Recht zur Begnadigung verfügen, die politischen und rechtlichen Gepflogenheiten und ungeschriebenen Normen wahren.
SZ - Begnadigung

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Das Begnadigungsrecht (ähnlich wie das Petitionsrecht) ist tatsächlich schon uralt und stand ursprünglich den Monarchen bzw. Fürsten zu, die (nicht nur) in dieser Hinsicht über dem Gesetz standen. Die meisten demokratischen Staaten haben das dann übernommen. Meist ist der Staatspräsident dafür zuständig, wenn es keinen Monarchen mehr gibt. Auch dem deutschen Bundespräsidenten – und sogar den Ministerpräsidenten – steht dieses Recht zu. Es wird bloß in Deutschland in der Regel nicht öffentlich, sondern eher diskret angewandt.

Es gibt auch durchaus Fälle, wo man das moralisch sehr gut vertreten kann, meistens passiert das allerdings erst nachdem schon ein großer Teil der Strafe verbüßt ist.

Beispiele:

  • Ein Strafgefangener ist sehr alt oder schwer krank und wird seine reguläre Haftentlassung vermutlich nicht mehr erleben.
  • Es werden erst nachträglich Umstände bekannt, die zwar nicht die Unschuld des Verurteilten beweisen und somit zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens führen würden, aber die Tat in einem anderen Licht erscheinen lassen und daher einen Strafnachlass rechtfertigen.
  • Es werden Tatsachen bekannt, die ohne jeden Zweifel tatsächlich die Unschuld des Verurteilten beweisen und eine Begnadigung geht deutlich schneller und unkomplizierter als das komplette Verfahren neu aufzurollen.
  • Der Strafgefangene hat im Gefängnis eine außergewöhnliche Wandlung durchgemacht und zeigt so tiefe Reue für seine Tat, dass man ihn praktisch vorzeitig als resozialisiert ansehen kann.
  • Jemand wird für eine Straftat verurteilt, die man eigentlich moralisch nicht verurteilen kann. Das Gesetz ist sozusagen „falsch“. (z.B. Chelsea Manning, von Barack Obama begnadigt, oder Menschen in Deutschland, die früher wegen einvernehmlichen, gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten verurteilt wurden)
  • Insbesondere in Ländern wie den USA, wo es die Todesstrafe und „echtes“ lebenslänglich gibt, wenn der Delinquent schon sehr, sehr lange inhaftiert ist.

Wofür das Begnadigungsrecht natürlich eigentlich nicht da ist, ist dass der Präsident seine korrupten Freunde begnadigt, die für ihn Straftaten begangen und Gerichte und Untersuchungsausschüsse belogen haben.

Dem kann ich nicht zustimmen. Eine Begnadigung ist ein Aufheben der Gewaltenteilung und damit ein zutiefst schlechtes Zeichen für eine funktionierende Justiz. Sie ist damit nicht nur eine Aufhebung einer Gerichtsentscheidung, sondern ein Aushebeln der Gesetze

Im Grunde genommen schon, ja, schreibe ich ja auch. Aber wenn eine Begnadigung nicht persönlicher Vorteilnahme gilt, wie zb bei Trump, kann(sic!) sie eine Berechtigung haben. Und zwar dann, wenn eine gesellschaftliche Entwicklung die Grundlage der Strafe längst überholt hat. Stell dir vor, ein Mensch wird wegen seiner sexuellen Orientierung oder seiner Einstellung für Pressefreiheit eingesperrt und in der Gesellschaft tritt ein Wandel ein, warum diese Menschen dann im Gefängnis lassen und nicht begnadigen? Was ich hingegen für falsch halte ist in der Tat die Willkür die einem US-Präsidenten gegeben wird, da gibt es glaube ich keine zwei Meinungen. Eine Begnadigung per order de mufti ist nichts was in einer FDGO Platz hätte.