Befristung in der Wissenschaft

Liebes Lage der Nation Team,

ich bin ja fast immer Eurer Meinung, aber was Befristungen in der Wissenschaft betrifft lasst ihr Euch aus meiner Sicht leider zu sehr von den aktuell sehr lauten Aktivisten beeinflussen. Diese sprechen natürlich bestehende Probleme an, allerdings sehr verkürzt und mit dem Fokus auf bestimmte Fächer. Was mich besonders stört sind die folgenden Aussagen:

  1. Man kann nur auf einer Professur entfristet werden. Das ist einfach nicht wahr, jede(r) Professor(in) kann seine Stellen in Abstimmung mit der Universität natürlich unbefristet besetzen - so habe ich es mit allen meinen Landesstellen getan.
  2. Nach 3 Jahren Post-Doc Zeit ist Schluss - auch das ist faktisch falsch: Wenn die Bezahlung aus Drittmitteln erfolgt, kann ein Vertrag beliebig oft verlängert werden. Bei mir sind von 25 Mitarbeitern nur 2 nicht aus Drittmitteln bezahlt - das harte Ende betrifft also nur einen (je nach Fach größeren oder kleineren) Teil des Personals.

Außerdem ist es aus meiner Sicht nur sehr begrenzt zulässig, eine Tätigkeit in der Wissenschaft mit einem normalen Job zu vergleichen - als Wissenschaftler hat man enorm viele Freiheiten und Privilegien die man so in keinem anderen Beruf findet - der Preis dafür ist eine geringere Sicherheit als in einem langweiligen 9 to 5 Job. Wer nicht bereit ist, diesen Preis zu zahlen, der soll bitte die Wissenschaft verlassen - ich vermute allerdings das die meisten es bereuen werden.

Und bevor der übliche Kommentar kommt: der hat ja gut Reden mit seiner Lebenszeitprofessur. Ich habe seinerzeit eine unbefristete Professur ausgeschlagen um eine thematisch passendere befristete Stelle anzunehmen - im Nachhinein eine sehr gute Entscheidung.

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Du kritisierst zurecht die häufig anzutreffende Binnensicht, die der Vielfalt des Systems Universität einfach nicht gerecht wird: Nahezu alles, was man in der Presse liest (und jetzt auch in der Lage gehört hat) wird aus Erfahrungen in den Geisteswissenschaften extrapoliert. Das ist insoweit nachvollziehbar als das Juristen und Journalisten beide dort ihre Heimat und Kontakte haben und gerade diese Disziplinen auch „kommunikationsstark“ sind. Der Diskurs bekommt aber einfach eine Schieflage.

So ist für PostDocs in den Ingenieurswissenschaften die Zeit als PostDocs auch ohne Professur am Ende beispielsweise mitnichten „verloren“, sondern sie bekommen das in aller Regel voll als Berufserfahrung angerechnet und knüpfen in dieser Zeit über gemeinsame Projekte oft auch die Kontakte zum späteren Arbeitgeber. Nur ein Bruchteil der PostDocs hat hier überhaupt das Ziel, in der (universitären) Wissenschaft zu bleiben!

Aber auch wir „Insider“ halten das eigene Setting für „normal“:

Ob man entfristen kann ist in der Realität von Bundesland zu Bundesland, darin von Universität zu Universität und selbst von Fakultät zu Fakultät verschieden. Bei uns gibt es beispielsweise fast gar keine „Stellen“ mehr, sondern nur noch Geld, aus dem man dann Stellen „backen“ kann. Von diesem Geld ist nur ein Bruchteil garantiert, der Rest der Landesmittel wird vom Land über die Universitäten über die Fakultäten bis auf die Professuren nach relativen leistungsorientierten Kriterien verteilt – und schwankt entsprechend. Fakultät und Universität tun sich sehr schwer, daraus feste Stellen zu backen.

Letzteres sind Regeln, die sich die Universitäten und Fakultäten selber auferlegt haben. Das könnte man prinzipiell auch wieder ändern, aber das liegt definitiv nicht in der Hand der einzelnen Professorin.

Und da sind wir an einem Punkt, den gerade die Lage hätte etwas detaillierter aufgreifen können: Diese Vielfalt war vom Verfassungsgeber so gewollt! Die grundgesetzlich garantierte Freiheit von Forschung und Lehre gewährt den Fakultäten und darin den Professor:innen nun einmal die entscheidende Rolle bei der Gestaltung des Wissenschaftsbetriebs. Das kollidiert naturgemäß mit jeder Menge anderer Rechtsgüter (wie dem Arbeitsrecht, weshalb es hier ja Sonderformen wie das WissZeitVG gibt).

Es führt aber vor allem dazu, dass die tatsächliche Situation von Disziplin zu Disziplin, Universität zu Universität und Fakultät zu Fakultät sehr, sehr unterschiedlich sein kann.

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Dein absatz unten ist ziemlich überheblich und wirkt in anbetracht dass du den anderen Thread zu Disssertationen nicht gelesen zu haben scheint etwas ignorant. Es geht nicht um eine verabsolutierte Sicherheit sondern um eine relativ unmittelbare. Eine Sicherheit die eine gewisse Planbarkeit ermöglicht und nicht den Rest des Lebens andauert. Zu mal das auch in den als sicher geltenden Berufen zu falschen Anreizen führt. Eine Person die aus rein finanziellen Asbekt lieber den Lehrerberuf als Wissenschaft wählt gereicht selten den Schüler*innen zum Vorteil. Zu mal Forschung auch nicht der einzige Bereich ist der sich zunehmend prekarisiert. Insbesondere die Möglichkeit der Teilhabe an der Wissenschaft sollte kein Luxus sein den man sich leisten können muss.
Nachher auch wieder rumgejammert dass die „intellectuelle Oberschicht“ keine Kinder bekommen würde. Man fragt sich warum…

Hinzu kommt dass die Romantisierung von Wissenschaft als Passion auch problematisch ist. Wissenschaft ist schon auch ein Beruf, der auch wenn auch nicht ausschließlich als Lohnarbeit betrachtet werden sollte. Forschende sind auch nicht die einzigen die ihre schlechten Arbeitsbedingungen entlang einer angeblich speziell wichtigen Stellung glorifizieren. Meist wird sich in solchen Gruppen nicht organsiert, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Stattdessen gerinnen die Strukturen und die Nachteile werden nach unten weitergereicht.

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Volle Zustimmung - mich störte (vor allem auf Twitter) der Tenor: das System ist Schuld, mein(e) arme(r) Chef(in) kann da gar nichts machen, er/sie muss mich mies bezahlen und kurz befristen. Nein, muss er/sie nicht, das ist eine bewusste Entscheidung, weil es für die Kollegen und Kolleginnen natürlich bequemer ist, Mitarbeitern einfach halbe Stellen zu geben, als aktiv Drittmittel einzuwerben (und ja, das geht auch in den Geisteswissenschaften). Vor dem Hintergrund, dass die Handelnden Personen mitnichten das Ministerium ist, war die Forderung nach gesetzliche geregelter Planungssicherheit natürlich ein echtes Eigentor (mit Ansage).

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Bei uns hatte man sich vor einigen Jahren dazu entschieden, dass es dauerhaft zugeordnete, aber befristet zu besetzende Stellen gibt. Ein Prof, der also gut verhandelt hat, konnte sich so aus Landesmitteln finanzierte Stellenhülsen sichern, die dauerhaft zu seinem Lehrstuhl gehören, aber alle n Jahre (bin mir unsicher, wie groß n ist) mit neuem Personal befristet zu besetzen sind.

Da kann ich nur zustimmen. Ich (selber PostDoc ueber mehrere Jahre + Laender), kann nur bestaetigen, dass es ein Fehler ist, PostDocs aus verschiedenen Fachrichtungen direkt miteinander zu vergleichen. Fuer PostDocs aus den Natur- und Ingenieurswissenschaften ist eine mehrjaehrige PostDoc Zeit sicher nicht verloren (da der Absprung in die Welt ausserhalb der Unis oft leicht ist).

Aus meiner Sicht, ist das eigentliche Problem, dass wir, dadurch dass fast alles projektfinanziert ist und Doktoranden meist deutlich guenstiger sind als PostDocs, viel zu viele Doktoranden ausbilden („Doktorand als guesntige + natuerlich befristete Arbeitskraft“).

Ich wuerde es begruessen wenn:

  1. Universitaeten ein gesuenderes Verhaeltnis von Profs/PostDocs/Doktoarndin anstreben wuerden um z.B. die Inflation an PhD Titeln zu verhindern und eine bessere Betreuung zu gewaehrleisten.

  2. Darueber nachzudenken, ob es sinnvoll waere die gleichen Befristungsregeln wie in der freien Wirtschaft (ohne Projktfinanzierungsausnahmen) anzuwenden (ergo mehr unbefristete Stellen), aber gleichzeitig den Kuendigungsschutz im oeffentlichen Dienst anzupassen um zu verhindern, dass Leute auf unbefristeten Stellen quasi unkuendbar sind. Ich faende es fairer, ehrlicher und akzeptabel, wenn mir als PostDoc mit entsprechender Frist gekuendigt wuerde weil (a) meine Arbeitsleistung ungenuegend war oder (b) sich die Finanzierung des Instituts verschlechtert hat.

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Ich liebe diese position die ist genauso seltsam wie anstregend zu lesen.

Moin,

Ich glaube ich wäre vorsichtig mit beiden generellen Aussagen.
Aus meiner Zeit als Post-Doc mit Personalverantwortung in Bremen weiß ich, dass dort die 6+6 Regel so ausgelegt wird:

Nach 6 Jahren ist Schluss und es werden einem Mitarbeiter keine unbefristeten Verträge mehr vergeben, selbst wenn die Person auf Drittmitteln eingestellt ist. Das kann sich der Fachbereich oder Professor anders wünschen, aber diese Wünsche werden nicht berücksichtigt. Der Mitarbeiter / die Mitarbeiterin könnte auch 1 Millionen Euro Forschungsgeld einwerben und dürfte sich trotzdem auf diesen Drittmitteln nicht selbst einstellen. Hintergrund scheint zu sein, dass der Kandidat sich ansonsten leicht einklagen könnte und die Uni Bremen will das verhindern.

Unbefristete Verträge werden so gut wie nicht vergeben, selbst wenn der Professor / Fachbereich das gerne hätte. Auch diese Wünsche werden nicht berücksichtigt. Das gilt auch auf Haushaltsstellen die der Professur auf Lebenszeit zustehen. Dort kann der Professor / die Professorin dann gerne im Wechsel neues Personal einstellen, entfristet wird man darauf aber nicht. Ich habe das so verstanden, dass die Uni nur eine bestimmte Prozentzahl an Stellen entfristen kann, da sie massiv unterfinanziert ist. Die Angst ist dann, dass Menschen den Haushalt blockieren.
Bei mir war es damals so, dass eine Entfristung eigentlich ausgeschlossen wurde.

LG
Georg

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In der angehefteten Grafik, die die Systeme wissenschaftlicher arbeit in Deutschland, Niederlande, USA, und UK vergleicht, ist es doch recht gut ersichtlich, dass es in Deutschland ein Problem mit den Befristungen gibt. Zugegebenermassen sind die dargstellten Daten etwas veraltet, aber laut Tagesspiegel, die die Zahlen der befristeten Stellen im Mai 2022 mit 81% angibt, hat sich das Problem doch eher verschlimmert.


(Befristete Jobs in der Wissenschaft: Durch ständiges Pendeln erschöpft, Partnerschaften leiden)

Unter anderem wegen der prekaeren Situation der Wissenschaft in Deutschland habe ich mich dazu entschieden in den Niederlanden zu promovieren, geht hier in vielen Faechern auf Englisch und wenn man aus dem Ausland kommt gibts neben einer deutlich besseren Verguetung noch einige Benefits.

Wie habe ich das zu verstehen? Nach dem Motto wenn ich da durch musste, darf es fuer kommende Generationen auch nicht besser werden?

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Als jemand, der ein zweites Staatsexamen für Sekundarschulen hat, dann drei Jahre Vollzeit in Schule gearbeitet hat, durch einen Zufall an die Uni gekommen ist, dort in Didaktik promoviert hat und eine langjährige Zusatzausbildung im Leiten von Gruppen und in Methoden lebendigen und effektiven Lernens und Lehrens hat, möchte ich gerne eine Sache anmerken: Ihr sagt, dass z.B. im Tenure Treck von Juniorprofs gutes Lehren eine Rolle spielt.
Mit Verlaub: Nach 18 Jahren Uni glaube ich halbwegs sicher sagen zu können, dass die einzigen, die sich für gute Lehre interessieren die Studis sind.
Die allermeisten Lehrenden haben diesen so wichtigen Teil ihres Handwerks schlicht nie gelernt und wissen daher gar nicht, was sie nicht wissen.
Das ist übrigens auch ein großes Problem bei der Ausbildung von Lehrpersonen. Wenn Ihr in der Lage über Lehrer*innenmangel redet, wäre es hilfreich auch die Orte, wo Lehrpersonal ausgebildet wird, in den kritischen Blick zu nehmen.

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Die Grafik vergleicht Äpfel mit Birnen! In Deutschland sind Doktoranden in der Regel wissenschaftliche Mitarbeiter mit einem regulären Arbeitsvertrag. In England und den USA sind sie meist Studierende in strukturierten Promotionsprogrammen (ohne regulären Arbeitsvertrag) und tauchen daher in der Grafik gar nicht auf. Würde man diese große Gruppe mitrechnen, würden die Zahlen ganz anders aussehen. Schönes Beispiel für „traue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast“.

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Hallo Georg, das ändert nichts an der Aussage, dass sich das Problem nicht über ein Gesetz lösen lässt. Das aktuelle (und auch das neue) Gesetz erlaubt die unbefristete Beschäftigung! Wenn man was ändern will, muss das an den Lehrstühlen, den Fakultäten und den Rektoraten passieren und nicht im BMBF. Strengere gesetzliche Regelungen führen dann nur dazu, dass in Zweifelsfall halt überhaupt keine Post-Docs mehr angestellt werden. Außerdem ist meine Erfahrung, dass man als Prof schon Druck machen muss - einfach fragen „Darf ich jemanden entfristen“ wird natürlich erst mal mit „Nein“ beantwortet.

Eines verstehe ich nicht ganz: Warum stört sich eigentlich kaum jemand an dem grundsätzlichen Problem der Befristung? Warum dürfen Hochschulen (und auch Forschungseinrichtungen wie Fraunhofer) überhaupt so viel befristen? Warum wird hier die Befristung nicht auch auf zwei Jahre begrenzt? Dafür gibt es doch keinen ernsthaften Grund.

In der LdN-Sendung wurde als Begründung für das Gesetz angeführt: „Die Unis sollen Leute problemlos wieder loswerden können, die sich wissenschaftlich eben nicht bewährt haben“.
Diese Begründung kann doch niemand ernst nehmen. Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: die Professor:innen, können eine Promotion bewerten, schaffen es jedoch nicht innerhalb von zwei Jahren zu erkennen, ob jemand gut wissenschaftlich arbeiten kann?

Die Befristungsmöglichkeiten sind in der Wissenschaft nicht minimal anders als in der übrigen Wirtschaft, sie unterscheiden sich eklatant:
Zwar ist die maximale Befristungsdauer (zur wissenschaftlichen Qualifizierung) auf 2x6 Jahre begrenzt, aber daneben / danach kann (und wird) eine Drittmittelbefristung gemacht werden. Hochschulen und Forschungseinrichtungen finanzieren sich nun einmal über Drittmittel, so dass diese Befristungsmöglichkeit praktisch immer gegeben ist. Die Befristungszeit (zur wissenschaftlichen Qualifizierung) kann dann zusätzlich noch durch Elternzeit oder Kindererziehungszeiten verlängert werden.

Eine solche Kettenbefristung wäre bei einem „normalen“ Arbeitgeber nicht rechtens, wird aber in der Forschung problemlos akzeptiert.

Disclaimer: Ich bin bei Fraunhofer als wissenschaftlicher Mitarbeiter befristet beschäftigt (6 Jahre zur wissenschaftlichen Qualifizierung und 3 Jahre projektbezogen).

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In den Niederlanden sind die PhD candidates allerdings auch fest angestellt, der vergleich wuerde hier also funktionieren. Ausserdem es geht bei der Diskussion ja auch nicht um PhD candidates sondern alles nach dem PhD. Also was genau funktioniert hier im Vergleich nicht?

Na, angenommen 50% der Angestellten in Deutschland sind Doktoranden (alle befristet), dann muss man die rausrechnen, wenn man nur die Post-Doc Phase betrachten will. Dadurch würden sich die anderen Prozentzahlen verdoppeln. Also 16% Nebenberuflich, 28% Wiss. Mitarbeit. (befristet), 30% Wiss. Mitarb. (unbesfristet) 28% Profs. Erst dann kann man das sinnvoll vergleichen.

Ist es wirklich hilfreich die Statistik so lange anzugreifen, bis der ursprüngliche Diskussionsgrund nicht mehr klar ist? Ich finde zwar auch, dass der Vergleich mit dem internationalen Umfeld vielleicht nicht perfekt ist, aber es gibt auch gute Gründe es so zu belassen. Die von dir angesprochenen strukturierten Doktorandinnenprogramme in anderen Ländern z.B. kann man mit dem Weg in Deutschland auch nicht wirklich vergleichen. Doktorandinnen hier haben oft ja eben nicht nur ihre Promotion als Aufgabe, sondern diverse Tätigkeiten für die Fachgebiete (also wieder ein Grund sie mit aufzuführen).

Aus meiner Sicht ist das Problem in Deutschland derart strukturell, dass es über eine einfache Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetz allein nicht zu lösen ist. Die Befristung an sich ist ja erst mal nicht das Problem. Wie aber auch hier im Forum zu lesen ist, dass viele Doktorandinnen nur Teilzeitstellen bekommen oder Verträge mit kurzen Laufzeiten. Hier ist meiner Meinung nach auch der Bund als großer Drittmittelgebende gefordert. Es kann nicht sein, dass sich die Universitäten zum Teil gegenseitig unterbieten, weil der Preis oft ein relevantes Teil-Kriterium bei Ausschreibungen ist. Da kann man sich oft eigentlich selber fragen, wie mit den Personalmitteln dann ein Promovierender eigentlich sinnvoll und kontinuierlich an einer Dissertation arbeiten kann. Sicherlich gibt es auch gute finanzierte und längerfristig angelegte Projekte, aber die öffentliche Hand hätte zumindest die Möglichkeit auch direkt die Situation zu verbessern.

Wenn ich darauf hinweise, dass in den Niederlanden die PhD candidates ebenfalls angestellte sind, hoffe ich dass du verstehst dass ich nicht meine was du hier beschreibst. Mindestens der Vergleich zu den Niederlanden funktioniert daher. Aber auch wenn man die PhD positionen aus Deutschland rausrechnen muessten und mit den aelteren Zahlen rechnet (nicht die 81% befristete stellen des tagesspiegels) sondern die der Grafik, haetten wir 27% unbefristete stellen in Deutschland und 66% in England. Mir ist bewusst dass es nicht perfekte equivalente sind, aber es ist doch irrsinnig zu behaupten das waere nur weil in Deutschland die PhDs als Angestellte gelten.
Es ist doch offensichtlich, dass es in Deutschland ein Problem gibt in der Sicherheit der wissenschaftlichen Karrieren. Das berichten die Forschenden und ist auch im Vergleich der Laender klar zu sehen.

Vielen Dank für den interessanten Podcast. Ich bin selbst im Wissenschaftssystem unterwegs, derzeit als Junior Prof, ohne Tenure Track.

Mit der Beschreibung des Ist-Zustands stimme ich überwiegend überein. Ich würde die geplante Änderung des Gesetzes aber fundamental anders bewerten:

Das Problem ergibt sich, das ist korrekt dargestellt, daraus, dass es sehr viele Leute so toll finden, Prof. zu werden, dass sie dazu bereit sind, ein extrem großes Risiko in Kauf zu nehmen („Verschwendung“ von 10 Jahren Lebenszeit*). Deshalb versuchen es so viele Leute, dass es zwangsläufig sehr viele nicht schaffen können. Deswegen: Risiko.
Das neue Gesetz führt aber nun doch dazu, dass nicht erst nach 10 Jahren in der Postdoc Phase ausgesiebt wird, sondern schon nach drei. Aus der Perspektive der Mitarbeiter:innen ist das doch besser, weil sie weniger „verschwendete“ Lebenszeit* beklagen müssen und diejenigen, die das System nach zehn Jahren sowieso verlassen hätten, finden das jetzt schon nach drei Jahren heraus. Das ist doch besser!

Ich glaube, dass alle Mitarbeiter:innen, die man am Ende hört, einen entscheidenden Punkt übersehen: Wenn sie sich nach drei Jahren PostDoc auf Professuren bewerben, haben sie nicht so schlechte Chancen wie sie jetzt glauben: ihren Konkurrent:innen im Bewerbungsprozess geht es ja genau so wie ihnen!
Ok, ich gestehe zwei Einschränkungen zu:

  1. Für diejenigen, die als erste von dem neuen Gesetz betroffen wären, ist es tatsächlich blöd, weil sie konkurrieren ja mit Leuten die nach der bestehenden Regel sechs Jahre Zeit zur Qualifikation hatten. Aber auch das ist nicht unmöglich.
  2. Sie konkurrieren mit Bewerberinnen aus dem Ausland, die mehr als drei Jahre zur Qualifikation hatten. Vielleicht sind das nur wenige, aber dies könnte tatsächlich zu einem systematischen Nachteil führen wenn man nicht international mobil ist.

Richtig blöd, und da hatten einige der Stimmen in der Tat Recht, ist es für die Arbeitgeber:innen (also die Unis) und den Wissenschaftsstandort weil wir die Leute nur noch kürzer „ausbeuten“ dürfen.
Aber wie gesagt, aus der Arbeitnehmerperspektive ist die vorgeschlagene Änderung meiner Ansicht nach besser.
Nicht, weil sie sichere Jobs schafft, sondern weil sie zu einem früheren Zeitpunkt im Leben Klarheit verspricht.

Noch zwei Ps:

  1. *„verschwendete“ Lebenszeit: Ich weiß nicht. Der Job ist ja auch keine Katastrophe. Je nach Fach (nicht für alle) stimmt es zwar, dass man außerhalb der Uni (teilweise erheblich) mehr verdient. Aber dafür hat man riesige Freiheiten und kann häufig komplett selbstbestimmt arbeiten - also nicht nur wann und wie, sondern tatsächlich auch was, also an welchen Themen. Das ist sehr besonders und findet man außerhalb der Uni vermutlich (?) nirgends.
    Außer man macht sich selbständig… das aber auch nicht unbedingt die größte Sicherheit bringt.
  2. ich glaube, dass es auch eine inhaltliche Leerstelle gab, bin aber unsicher: aktuell ist es so, dass bei Drittmittelprojekten eine Ausnahme vom wiss zvg gilt: man darf also länger als sechs Jahre als Postdocs arbeiten wenn man über ein Projekt bezahlt wird, sprich, nicht aus Landesmitteln. Das ist nicht irrelevant. Ein Beispiel: Von meinen sechs Mitarbeiter:innen sind fünf auf Projektstellen. Die sind zwar alle Prädocs, aber bei Postdocs ist das Verhältnis wahrscheinlich sogar extremer, weil es da noch weniger Stellen auf Landesmittel gibt.
    Ich weiß jedoch nicht, ob diese Regelung bei dem Vorschlag von Frau Stark Watzinger beibehalten wird, deshalb meine Unsicherheit.
    Vielleicht wurde das im Podcast weggelassen, um ein ohnehin kompliziertes Thema nicht noch komplizierter zu machen (?).

Vielleicht noch ein Punkt:
Ich finde nicht dass alles gut ist im Wissenschaftssystem in Deutschland - im Gegenteil! Es gibt mit Sicherheit viel zu wenige Dauerstellen im Mittelbau - aber das lässt sich meiner Ansicht nach nicht mit der Abschaffung von Kettenverträgen ändern. Meiner Ansicht nach wäre es sinnvoller, in der Forschungsfinanzierung entgegen des Trends der letzten Dekaden wieder zurück umzuschichten: von der Finanzierung von Forschung über Drittmittel hin zu mehr Grundausstattung. Damit könnten die Unis mehr Dauerstellen für Daueraufgaben schaffen, auf denen eine hohe Rotation wirklich keinen Sinn ergibt.

Nein, das ist nicht Irrsinn, sondern Statistik.

Das liegt daran, dass ein Gutteil des tradierten Forschungsbetriebs darauf aufbauen, dass dort (relativ) junge, talentierte Leute mit 150% ackern. Das ist nicht mit einem „normalen“ Beruf vergleichbar, sondern eher mit dem Aufbau eines Startups. In diesem Modus kann man aber nicht ewig arbeiten, so dass die Forscher, die nicht entweder zu höherem berufen sind (sprich: Professur oder Gruppen-/Abteilungsleitung an einem außeruniversitären Institut) oder sich eine Staff-Stelle erarbeiten (sprich: in Administration und Infrastruktur das Rückgrat einer Einrichtung bilden), nach ein paar Jahren den Platz räumen müssen für die nächste Jahrgänge begeisterter Nachwuchswissenschaftler.

(Daneben gibt es natürlich noch weitere Aspekte, wie die Problematik, dass Drittmittel grundsätzlich nur befristet zur Verfügung stehen, oder dass ein Professor, der 10 Jahre vor der Emeritierung einen Postdoc entfristen wollte, damit seinem Nachfolger für zwei Jahrzehnte die Möglichkeit nimmt, diese Stelle nach eigenen Vorstellung zu besetzen.)