Wenige Kilometer vor dem Ostseebad Sellin soll das LNG-Terminal entstehen – mit einer Import-Kapazität von bis zu 38 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr wäre es das größte in der EU. Zum Vergleich: Das erste LNG-Terminal in Wilhelmshaven hat eine Kapazität von fünf Milliarden Kubikmetern Erdgas. Dabei sind zehn weitere LNG-Anlagen in Deutschland in der Planung oder haben bereits ihre Arbeit aufgenommen. Das Giga-Terminal vor Rügen würde massiven Schiffsverkehr und den Bau einer neuen Gas-Pipeline quer durch den Greifswalder Bodden, der Kinderstube des Herings, verursachen. Dadurch gefährdet das unverantwortliche Projekt nicht nur Klima und Natur, sondern auch Anwohner*innen, Fischerei und Tourismus in der Region. Quelle: Eil-Appell: Kein Klimakiller-Terminal vor Rügen! | NABU
Ironisch ist dabei, dass Windkraftanlagen Betreiber für jedes Windrad ein oft jahrelanges Genehmigungsverfahren durchlaufen müssen und ein kritisches LNG-Projekt ohne vollständiges Umweltgutachten genehmigt wird. Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn das Thema mehr Aufmerksamkeit erhält und sowohl positive als auch negative Einflüsse diskutiert werden.
Der Ausbau der Windenergie war nie zwingend kurzfristig notwendig, um die Versorgungssicherheit herzustellen, daher hat man hier normale Planverfahren eingesetzt, in deren Rahmen die Umweltverträglichkeit sehr genau geprüft werden konnte. Die LNG-Terminals hingegen sollen die Versorgungssicherheit kurzfristig garantieren, daher werden hier weniger strikte Voraussetzungen für die Umweltverträglichkeitsprüfung gesetzt. Das ist aus Umweltschutzsicht definitiv traurig, aber aus politischer Sicht nachvollziehbar.
Ich finde es auch nicht gut, dass jetzt LNG-Terminals mit teilweise massiver Überkapazität aus dem Boden gestampft werden, aber nach den Erfahrungen der letzten Jahre ist es auch nachvollziehbar, dass die Politik hier auf Nummer Sicher gehen will. Man will so viele LNG-Terminals, dass auch bei einem z.B. sabotagebedingten Ausfall einer oder zwei Anlagen noch genug Kapazität vorhanden ist.
In diesem Sinne bin ich gegen diese Superlativen wie den NABU-Appell („Klimakiller-Terminal“ ist das Niveau, das ich von Schlagzeilen der Bildzeitung erwarte…). Man kann diese LNG-Terminals - vor allem die Überkapazitäten und die Risikobereitschaft im Hinblick auf die Umweltverträglichkeit - definitiv kritisieren und sollte das auch tun. Aber ich sehe keine tragfähigen Alternativen, denn der Ausbau von Windkraft und Solarenergie wird in diesem Ausmaß nicht stattfinden können (und kann auch nicht für alle Prozesse (Heizen, Industrieprozesse) kurzfristig das Gas ersetzen).
In diesem Sinne bin ich ganz ehrlich gegen diese ständigen „Not in my Backyard“-Proteste, bei denen die durchaus zutreffenden Kritikpunkte zur Rechtfertigung der Ablehnung aller im eigenen Einzugsbereich machbaren Technologien verwendet werden…
Kurzum:
Ja, die LNG-Terminals sind überproportioniert, ja, sie haben auch umwelttechnische Nachteile, aber nein, ohne eine bessere kurzfristig erreichbare Alternative sehe ich nicht, wie es sinnvoll sein kann, dagegen zu protestieren.
Wie gesagt, hier muss man zwischen kurzfristiger und langfristiger Problemlösung unterscheiden.
Hätte die Politik die letzten 20 Jahre konsequent den Ausbau erneuerbarer Energien und den Ausbau der Energie-Infrastruktur vorangetrieben, könnten Wärmepumpen und e-KFZ in der Tat in großem Umfang fossile Brennstoffe ersetzen. Hat sie aber nicht. Darüber kann, darf und soll man sich aufregen, gar keine Frage, aber das darf nicht den Blick verstellen, was heute notwendig ist, um die nächsten drei Jahre die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Und für die nächsten drei Jahre funktioniert das eben nicht über Wärmepumpen und erneuerbare Energien, dafür stehen kurzfristig weder die Anzahl der nötigen Wärmepumpen, noch die notwendigen Fachkräfte zur Installation, noch die notwendige (erneuerbare) Energie-Infrastruktur zur Verfügung. Der Wechsel der Heiz-Technologie ist etwas, das wie alles Gebäude-bedingte über Jahrzehnte stattfindet, nicht über wenige Jahre. Was jedoch kurzfristig möglich ist, ist der Bau von LNG-Terminals, denn die können die Infrastruktur des Gasnetzes, welche durch den Wegfall russischen Gases frei geworden ist, nutzen - und LNG ist auf dem Weltmarkt kurzfristig verfügbar. Daher: Das Gas kommt flüssig per Schiff am Terminal an, wird dort wieder regasifiziert und ins Gasnetz eingespeist.
Deshalb sind die LNG-Terminals eine kurzfristig geeignete Lösung, während Heizpumpen und mehr Wind- und Solarstrom eine langfristig geeignete Lösung sind. Das große Problem, dass ich nun ständig beobachte, ist, dass diejenigen, die sich - absolut mit Recht - darüber aufregen, dass die Regierung unter Merkel die langfristige Lösung verpatzt hat, sich nun gegen die kurzfristige Lösung stellen, weil sie nicht verstehen, dass es sowohl eine kurz- als auch eine langfristige Lösung für die Energieproblematik braucht. Wie gesagt: Ja, die LNG-Terminals wären jetzt nicht notwendig, wenn es kein 16-jähriges Politikversagen unter CDU und SPD/FDP gegeben hätte, aber das kann jetzt kein Argument gegen die LNG-Terminals sein…
Ja, aber wenn es aus der Politik kommen muss, bekommen wir immer nur die kurzfristige Lösung.
Meinetwillen baut man die ganze Küste voll mit LNG-Terminals. Dieses (…) Gemecker hat man irgendwann auch satt. Aber was passiert danach? Meistens eine Unions-Regierung und Null-Fortschritt.
Das ist leider das Problem mit der Demokratie, man wird nie das Ideal erreichen, sondern immer nur fragwürdige Kompromisse. Es ist in der Tat immer das gleiche. 16 Jahre lang hat die Regierung Kohl das Sozialsystem gegen die Mauer fahren lassen und keinerlei Reformen gemacht - und als Rot-Grün dann an die Macht kam durfte man den Scherbenhaufen auffegen und machte eine Sozialreform, die konservativer war, als alles, was in 16 Jahren Kohl reformiert wurde, weil man kurzfristig etwas tun musste, um die Systeme vor dem Kollaps zu retten.
Jetzt haben wir das gleiche mit der Energiewende. 16 Jahre Merkel haben keine Fortschritte gebracht und nun haben wir eine Ampel-Regierung, in der ausgerechnet die Grünen eine Verlängerung der Atom- und Kohlelaufzeiten und den Ausbau fossiler Infrastruktur in Form von LGN-Terminals pushen müssen, damit nicht kurzfristig alles vor die Wand fährt.
Diese Maßnahmen werden dann den Grünen und der SPD übel genommen und die CDU gewinnt wieder an Popularität in allen Umfragen. Im worst case haben wir dann die nächsten 16 Jahre eine Regierung Merz, die das nächste Thema massiv verbockt, bis dann mal wieder für 4 oder gar 8 Jahre andere Parteien ran dürfen, um den Scherbenhaufen aufzufegen und dafür abgestraft zu werden.
Ich bin daher völlig bei dir, dass ich mir wünschen würde, dass die Bürger endlich verstehen, was für eine miese Politik die Union permanent fährt und durchschauen, dass es nicht die Schuld der anderen Parteien ist, dass nach 16 Jahren CDU so viel Mist weggeräumt werden muss. Aber die Leute sehen halt nur: „In 16 Jahren Kohl / Merkel ging es uns doch gut, aber wenn danach die SPD an die Macht kam wurde es immer ganz schlimm!“.
Wenn die Klimakatastrophe sich weiter verschärft, gibt es nach noch einem Zyklus mit der Union so oder so ein Ende der Demokratie und vielleicht ist das auch besser so.
Seitdem ich in Deutschland mit ihrem völlig dysfunktionalen Verwaltungsapparat und desillusionäre Demokratie lebe, merke ich dass ich immer mehr demokratie-agnostisch werde.
(Jaja es ist reformbedürftig. Was hilft eine Reform die eh nicht während unseres Lebens passieren wird?)
Wo hast du denn vorher gelebt, wo es so viel besser lief?
Wie schon öfters mal angemerkt kann ich Kritik am Zustand der Demokratie in Deutschland total nachvollziehen, wir haben definitiv einige Baustellen. Aber außerhalb von Skandinavien sehe ich wenige Länder, die wirklich besser sind. Und auch die skandinavischen Länder sind uns eher Schritte als Meilen voraus. Global betrachtet ist Deutschland - insofern stimme ich der Einschätzung des Demokratieindex zu - in jedem Fall im ersten Dezil, also in den besten 10%, was Demokratie angeht. Daher halte ich mich mit Kritik auch ein wenig zurück, denn die Frage ist immer, was realistisch möglich ist, nicht, wie die ideale Utopie aussehen würde. In einem Land mit 83 Millionen Einwohnern wird es zwangsläufig immer auf harte Kompromisse hinauslaufen, was beim Umweltschutz bedeutet, dass es gerade die Demokratie ist, welche die Prozesse so langsam macht. Eine „grüne Diktatur“ hätte es hier deutlich leichter, aber die wollen wir denke ich auch nicht haben ^^
Demokratische Rechtsstaaten sind leider nicht bekannt dafür, Probleme besonders schnell lösen zu können, vor allem nicht, wenn das Problembewusstsein noch nicht überall vorhanden ist. Der Vorteil von demokratischen Rechtsstaaten liegt eher in der Einhaltung von Menschenrechten und einer relativen Stabilität. Der Nachteil ist, dass die Aushandlungsprozesse länger dauern als bei einem Alleinherrscher - und das merken wir aktuell beim Klimawandel leider ganz stark.
In den Niederlanden wo viele Sachen wirklich sehr agil und pragmatisch geregelt waren. Viele von den Problemen die in Deutschland unlösbar scheinen sind da längst gelöst ohne Rambazamba.
(Jahrzehnten Populismus und Rutte haben da auch viel zerstört aber das ist eine andere Geschichte.)
Bei einem Klimakollaps wird es keine Demokratie mehr geben und das ist wo wir jetzt auf hinsteuern also ist jede Diskussion über den Erhalt dieses Systems auch irgendwie gratuit.
Wir reden bei uns in der Verwaltung über Zebrastreifen die mehr als 10 Jahre brauchen um genehmigt zu werden. Geschweige denn von Maßnahmen die wirklich wirkungsvoll wären.
Natürlich sind Krisen Herausforderungen für Demokratien, in ihnen finden oft Leute, die einfache „Lösungen“ propagieren, zu viel Gehör, aber ein Naturgesetz ist es nicht, dass Demokratien dann untergehen. Die britische beispielsweise hat den 2. Weltkrieg überstanden.
Das sind in der Tat alles Baustellen in Deutschland, wobei man aber bedenken muss, dass solche Herausforderungen grundsätzlich einfacher werden, je kleiner und urbaner ein Land ist. Mit einer Urbanisierungsquote von 91,5% und einer Bevölkerungsdichte von 521 Einwohnern / km² haben die Niederlande es hier erheblich einfacher als Deutschland mit einer Urbanisierungsquote von 77,3% und 236 Einwohnern / km². Auch werden demokratische Prozesse mit zunehmender Bevölkerungsgröße immer schwieriger, das föderale System Deutschlands hilft auch nicht unbedingt bei Modernisierungen.
Die skandinavischen Länder haben zwar große Landflächen, aber die Urbanisierung ist dennoch in allen Ländern weiter fortgeschritten als in Deutschland, was die Versorgung der Bevölkerung mit Infrastruktur deutlich erleichtert.
Digitalisierung, Bildungswesen und ÖPNV scheitern vor allem am Föderalismus, PKV/GKV an der Parteienlandschaft, Großprojekte/Infrastruktur an zu behäbigen Verwaltungsprozessen, die bei größeren Staaten notwendig sind, um Missbrauch zu reduzieren (desto größer ein Staat, desto mehr Schutzmechanismen sind nötig), Fahrradinfrastruktur ist in Deutschland nur schwer flächenmäßig möglich, ich wäre schon froh, wenn alle urbanen Gebiete und Verbindungsstraßen unter 20 km fahrradfahrerfreundlich wären…
Anyways, was ich sagen will ist einfach, dass Vergleiche eines Flächenstaates wie Deutschland mit kompakten Staaten wie den Niederlanden (oder gar Stadtstaaten wie Monaco/Liechtenstein/Luxemburg) nicht ganz fair sind. Ein passenderer Vergleich ist Frankreich und bei dem Vergleich gibt es viel Licht und Schatten auf beiden Seiten.
Jetzt echt, muss man Energie verschwenden um zu erklären warum es bei uns so viel schlechter laufen muss?
Tut mir jetzt wirklich leid, aber das sind die typischen Reflexe in der Verwaltung die erklären warum es so bleibt wie es ist.
Das ist allerdings wieder Populismus. Es geht darum, zu verstehen, warum in einem Land wie Deutschland Transformationsprozesse deutlich langsamer laufen als in Ländern wie den Niederlanden. Wenn wir die Gründe für die Probleme verstehen, können wir auch an konstruktiven Lösungen arbeiten.
Aber natürlich können wir die Gründe auch einfach pauschal als Ausreden deklarieren und Änderungen fordern. Das wird bestimmt funktionieren. Sorry, aber hier gilt das gleiche wie immer, wenn es um Populismus und Dagegen-Sein geht: Es ist einfach, ein Problem zu benennen und ohne konkret werden zu müssen Verbesserungen zu fordern. Die große Kunst ist es, ein Problem zu analysieren, die Gründe aufzudecken und konkrete (politisch und wirtschaftlich tragfähige) Pläne zu erarbeiten, um die Probleme zu lösen. Der erste Schritt dazu ist in der Tat die Gründe zu verstehen.
Einfach zu sagen: „Es läuft scheiße, macht das gefälligst besser, die Niederlande schaffen es doch auch!“ ist eben keine Lösung, die uns irgendwie voranbringt.
Wenn du damit meinst ich möchte das Volk davon zu überzeugen bei der Verwaltung Veränderungswillen herbeizuführen, dann gebe ich dir recht.
Glaube da verdrehst du gerade was.
Ah ja. Und wenn man den Förderalismus, das Parteiensystem oder die PKV als Probleme benennt, dann trägt das ungemein zur Lösungsfindung bei.
Warum können wir nicht einfach anerkennen, dass es Dinge gibt, die woanders besser laufen. Um nichts anderes streiten wir.
Lass es bitte gut sein. Es bringt glaube ich nichts weiter zu fechten😀
Was ist denn DIE Verwaltung? Dass sind Menschen im Staatsdienst die die in den Parlamenten gemachten Gesetzen umsetzen müssen. Die Grenzen der Kreativität und Lösungsmöglichkeiten werden von Gesetzen und der Rechtsprechung vorgegeben. Alles andere wäre in einem Rechtsstaat kritisch zu hinterfragen.
Könnte die Lage das Theme „Erforderlichkeit“ und „fossiler Lobbyismus“ hier vielleicht nochmal aufgreifen? Eventuell auch in einer Sonderfolge wie damals bei der Windkraft?