Bannmeile um Privathäuser von Politiker*innen

Ich weiß nicht, ob eine Bannmeile tatsächlich notwendig ist. Nach § 15 Abs. 1 SächsVersG kann eine Versammlung ja verboten oder von Beschränkungen abhängig machen, wenn die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet ist. Grundsätzlich ist natürlich die Versammlung vor Häusern von Politikerinnen keine Straftat (soweit ich weiß), so dass keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit vorliegt. Eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung kann man aber m.E. aber eigentlich annehmen,. Nach (allerdings sehr alter) BVerfG-Rechtsprechung bildet sich die öffentliche Ordnung aus jenen ungeschriebenen Regeln, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzungen eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebietes sind. Bereits so sollte es möglich sein, zumindest eine Verlegung der Versammlung zur Auflage zu machen (die käme eventuell allerdings einem faktischen Verbot gleich, weil es vermutlich den Charakter dieser Versammlungen genau ausmacht, dass sie vor dem Haus einer Einzelperson sind). Aber auch ein faktisches Verbot sollte in der Abwägung verhältnismäßig sein, da mit der Einschüchterung von Mandatsträgerinnen stets auch die Funktionsweise der parlamentarischen Demokratie gefährdet wird, wenn diese sich aufgrund des Drucks nicht mehr frei äußern.
Dem Thema Fackeln könnte man eventuell durch eine kleine Änderung zumindest im sächsischen Versammlungsrecht begegnen, indem man in den § 4 Abs. 3 SächsVersG neben" […] sonstige Gegenstände, die ihrer Art nach zur Verletzung oder Einschüchterung von Personen […] geeignet und bestimmt sind" einfügt. Überdies ist (allerdings nur meine persönliche Meinung) eine Versammlung auch nicht mehr friedlich, und deswegen nicht mehr durch Art. 8 GG geschützt, wenn die Art der Versammlung einen militarisierten Eindruck erweckt und demnach nicht mehr der Meinungskundgabe, sondern bloß der Einschüchterung dient.

Vielleicht lese ich das Versammlungsgesetz das bisweilen zu restriktiv, aber m.E. hätte man die Versammlung auch mit geltendem Recht schon verbieten können, und es lag eher an den sächsischen Sicherheitsbehörden, dass dies nicht geschehen ist.

Grundsätzlich denke ich aber, dass Bannmeilen um Häuser sinnvoll sind, weil auch martialische Aufzüge vor Gemeinschaftsunterkünften von Geflüchteten bspw. eigentlich nicht durch das Versammlungsrecht geschützt sein sollten. Hier könnte es möglich sein, grundsätzlich den Aufzug vor Privathäuser zu verbieten, wenn dieser nicht nur zufällig ist, weil die Aufzugsroute dort vorbei führt, sondern gezielt dem Eindringen in die persönliche Sphäre der Betroffenen dient.

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Was mir noch einfiel: Könnte man nicht wenigstens Fackeln auf Demos verbieten? Heutzutage sind die ja eher nicht als Licht- oder Wärmequelle verbreitet, sondern werden eben als Waffe/ zur Einschüchterung benutzt (das wäre ähnlich zur Uniform).

PS: Würde mich selbst noch gern korrigieren: Da die öffentliche Sicherheit alle Gesetze umfasst, ist es als Verstoß gg. das allgemeine Persönlichkeitsrecht doch nach einer Abwägung möglich, die Demonstrationen oder Aufzüge zu verbieten.

Bei der dunklen Jahreszeit wird man als Demonstrant ja schlecht gesehen, deswegen finde ich die Idee mit den Fackeln ganz gut. Man sollte nur aufpassen das niemand in Brand gerät. Man könnte zwar auch das Licht vom Handy nutzen aber das hat so was von Teenie-Konzert.

Ist das ernst gemeint oder soll das irgendwie witzig sein? Fackelaufmärsche vor den Häusern anderer Menschen ist deutliche rechtsradikale Symbolik und nicht zu tolerieren. Ich hoffe sehr, dass Frau Faeser mit maximaler Härte endlich gegen Rechts durchgreift. Ihre ersten Aussagen machen Hoffnung nachdem Horst Seehofer 4 Jahre Rechtsradikale geschützt hat.

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Ich würde nur noch Laternen zulassen :stuck_out_tongue_winking_eye:

Ich muss sagen ich war von der vehemenz mit der Ulf das Thema “Fackel” thematisiert hat sehr irritiert.

Fackel und Feuer sind vermutlich mit die ältesten Symbole der Menschen, fackeln als rein recHtsextreme Symbolik zu bezeichnen halte ich für sehr seltsam.
Feuer und auch Fackeln spielen in der christlichen osternacht eine große Bedeutung, das olympische Feuer wird mittels Fackel durch die Welt getragen etc.

Ich muss sagen, nach der an Moderation (nazi Fackelzug unter den Linden, soviel fressen wie ich kotzen möchte) war ich enorm überrascht das das Thema “demo vor Privathäusern” kam; ich hatte ehrlich erwartet es geht nochmal um die Symbolik beim großen Zapfenstreich (Fackeln! Und Pickelhauben).

Bei. Eigentlichen Thema bin ich bei euch: es sollte eine Möglichkeit für die zuständigen Behörden geben bei Versammlungsanmeldung den Versammlungsort zu untersagen, wenn es sich dabei um die Privatwohnung einer Person handelt gegen die sich die Demonstration richtet.

Ergänzung: Phillip meinte ja, “man müsste mmal beobachten ob das jetzt häufiger vorkommt”.
Das glaube ich nicht, denn das ist in meiner Wahrnehmung kein neues Phänomen:(Auswahl)

https://www.zeit.de/politik/deutschland/2021-12/corona-protest-karl-lauterbach-impfgegner-koeln

https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/demonstration-vor-privathaus-von-nrw-innenminister-reul-17579112.html (Demo aus dem linken Spektrum)

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Auf Demonstrationen vielleicht aber nicht generell auf Versammlungen, es gehört oft zum Brauchtum und sieht gut aus bei Umzügen zB von Schützenfest oder auch zu St Martin und hat da auch keine negative Auswirkung.

Hallo,

ich habe mir den Beitrag angehört und eigentlich weniger „technische“ Kritik vorgestellt.

Findet außer mir eine derartige Einschränkung des Versammlungsrechts (das immerhin im Grundgesetz verankert ist) nicht komplett am Thema vorbei? Ich denke, dass Ulf und Philipp hier deutlich am Ziel vorbeigeschossen bzw. einem falschen Diskurs gefolgt sind.

Fakt: eine derartige Einschränkung des Versammlungsrechts hätte diese Situation nicht verhindert. Es handelte sich um eine nicht gemeldete Demonstration, die so als Aufmarsch sowieso schon strafwürdig ist.
Dazu kommt, dass bei einer hypothetisch angemeldeten „Demonstration“ nicht unbedingt die gewollte Wegstrecke freigegeben hätte werden müssen (aus den im Beitrag genannten Gründen).
Drehen wir das um: wenn ein „linker“ Demonstrationszug vor einem „rechten“ Versammlungspunkt (oder Privathaus) gezogen wäre, würden wir gleich an Grundrechtseinschränkungen denken?
Bevor jetzt wieder die rechts-links-Thematik aufkommt: ich sympathisiere in keiner Weise mit rechtem Gedankengut. Tatsächlich finde ich alternative, solidarische und diverse Positionen deutlich sinnvoller. Darum geht es mir aber gar nicht.

Etwas weiter gefasst: wegen eines strafrechtlich relevanten Vorgangs sehen es wir als legitim, die Grundrechte ALLER einzuschränken. Ohne, dass der dann geführte Rechtsbezug den zugrundeliegenden Fall überhaupt verhindert hätte. Das ist doch genau die Argumentation beispielsweise bei der Vorratsdatenspeicherung.

Ich finde, dass so ein Einschüchterungsversuch überhaupt möglich ist, erschreckend. Aber das Problem ist nicht, dass unser Versammlungsrecht zu lax ist (dass man das überhaupt so bezeichnen kann), sondern, dass extreme Positionen weiter wachsen und sich so gestärkt fühlen, sich dem Rechtstaat zu widersetzen. Das spricht eher für den mangelnden Einsatz gegen Rechts und der konstanten Verharmlosung und Relativierung der Positionen. Das ist nicht hinzunehmen, und das erfordert sowohl Einsatz des Staates, Aufklärung, Bildung und nicht zuletzt Zivilcourage.

Das Ulf, als Vorsitzender der GFF für einen derart weitgehenden Eingriff in die Grundrechte aller Bürger befürwortet, hat mich wirklich gewundert.

Vielmehr finde ich dein Einrichtung von Bannmeilen selbst überaus problematisch. Ich verstehe den Einschüchterungsgedanken, aber wie kann man durch den legitimen Willen der Bevölkerung eingeschüchtert werden. Das spricht doch eher für das Selbstverständnis, dass die Wahlen alle vier oder fünf Jahre die Willensbekundung sein sollen, man dazwischen aber doch bitte in Ruhe seine Parlamentsarbeit machen möchte.
Wie sollen denn Demonstrationen für Gleichheit, Verkehrswende, Umwelt oder anderes gehört werden, wenn es „nur“ an zentralen Orten, die aber weit weg vom eigentlichen Entscheidungsorganen.
Ich finde, dass abgeordnete durchaus ihrem Gewissen verpflichtet sind und das auch beinhaltet, sich der Meinung auszusetzen. Und sei es nur, um sie zu ignorieren oder sich ihr zu widersetzen.
Der letzte Teil ist ausdrücklich NICHT auf den Vorfall in Sachsen bezogen.

Wo genau ist das Problem für die Freiheit, wenn man nicht mehr mit Fackeln Politiker:innen in ihren Privathäusern bedrohen kann?

Schon nach Art. 8 GG ist nur das Recht geschützt, sich „friedlich und ohne Waffen“ zu versammeln. Demos mit Fackeln sind aber gerade nicht friedlich, sondern drohen Gewalt zumindest an. Das ist genau dieselbe Idee, die dazu führt, dass heute schon Demos in Uniform nicht erlaubt sind.

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2011 ist deshalb die Partei nach einem Fackelmarsch durch das Brandenburger Tor wegen dieses Verstoßes zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

Mein Eindruck ist, dass die zuletzt häufigeren Aufmärsche vor Privathäusern für ein besseres Bewusstsein in der diskutierenden Öffentlichkeit gesorgt haben, dass wir ein Problem mit rechter Gewalt gegenüber Mandatsträger:innen haben, - besser als die zahlreichen Rücktritte von Bürgermeister:innen aus kleinen Gemeinden (zu lasch in unserer Aufmerksamkeitsökonomie) oder als der Mord an Walter Lübcke (zu krass). Die Aufmärsche haben genau den richtigen Erregungsgrad, dass wir das im öffentlichen Diskurs verarbeiten können. (Entweder das oder es war der berühmte Tropfen, der…)

Ich erhoffe mir von der neuen Innenministerin kurzfristige Maßnahmen gegen rechte Mobs, aber auch langfristige gegen Diskursverrohung zB. bei Telegram und Co.

Ich bin überrascht, dass diese Aufmärsche rechtens sind. Manchmal überrascht mich unser Rechtsstaat:

  • „du bist so 1 Pimmel“ → Hausdurchsuchung
  • unangemeldete Demonstration abends mit Drohrufen auf eine Person zielend → okay!

Anderes Beispiel

  • als Firma und Angestellter jahrelang bewusst Lügen über den Klimawandel verbreiten und so das Überleben der Menschheit riskieren → okay!

Ich bin kein Jurist. Das können die Mütter und Väter unseres GG doch nicht gewollt haben.

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Also wie ich schrieb: Vor Privathäusern darf nach einigen Gerichtsurteilen sowieso eigentlich nicht demonstriert werden, weil die Privatsphäre durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt ist und eine Versammlung dann normalerweise einen nicht-verhältnismäßigen Eingriff darstellt. Hier hätte also sowieso die Polizei alles auflösen können (per se ist natürlich nicht nur auf Grund der fehlenden Anmeldung die Möglichkeit zum Auslösen gegeben).
Dabei ist der Punkt mit der Bannmeile sehr spannend und ich würde dir zustimmen, dass eine solche vor Orten des Diskurses eigentlich nicht unbedingt sein muss. Wenn ich das richtig sehe, dürfte man aber trotzdem recht nah an das Parlament rankommen (so sah es zumindest bei FFF Demos aus).

Die Fackeln sehe ich aber anders als die Mehrheit hier und das Rekurrieren auf christliche Traditionen hilft nicht weiter: Gerade der Verweis auf Olympia ist tückisch, die Fackeln für Olympia wurden nämlich 1936 von Carl Diem, einem Schergen Hitlers (vielleicht wieder?) eingeführt, wohl wegen eines Bildes auf einer antiken Vase. Allerdings hat auch Goebbels das Motiv begeistert aufgenommen.
Heute dienen Fackeln bei Demonstrationen grundsätzlich dazu, dem Aufzug ein martialisches und damit einschüchterndes Bild zu geben. Und die Wirkung nach außen ist für die Beurteilung von Versammlungen ja relevant, weil die Störung der öffentlichen Ordnung davon abhängig ist, wie Dritte den Aufzug beurteilen.

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Das ist gar nicht mein Punkt. Ich finde den Vorgang so ungeheuerlich wie jeder, der mit beiden Beinen auf dem Boden des Grundgesetzes steht. Die Symbolik ist tatsächlich ein Ausschlusskriterium, das bestreite ich auch nicht.

Ich finde es nur problematisch, einen Vorgang zu Grundrechtseinschränkung heranzuziehen, der gar nicht betroffen ist.
Wie gesagt, ein Einschränkung des Ortes oder der Gestalt sind ein Eingriff, der ALLE betrifft. Die Einschränkung wird dann ja nicht heißen „nicht mit Fackeln und nicht vor Gebäuden, in denen Privatpersonen leben“.

Oder anders: ist eine unangemeldete, spontane, widerrechtliche Versammlung wirklich Anlass, allgemein die Versammlungsfreiheit einzuschränken? Ist dass dann nicht eher willkürlich gewählt und schränkt alle anderen ein statt, die, die sich sowieso nicht daran halten.

Der Postillon hat jährlich die Meldung, dass eine Demo mit Schlagwaffen und Pyrotechnik aufgelöst wird - ein Laternenumzug für Kinder :slight_smile:
Aber sind wir soweit von davon entfernt, willkürliche Einschränkungen von Grundrechten hinzunehmen?

Beim Thema Verschlüsselung vertretet Ihr die diametral entgegengesetzte Position: wenn man das verbietet/einschränkt, trifft das eben nicht die, für die das gedacht ist.

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Ja aber das ist doch genau der Punkt. Es macht einen gravierenden Unterschied, ob ich das im Rahmen des Brauchtums mache, oder als politische Demonstration. Denn dort werden sie eigentlich ausschließlich genutzt, um eine einschüchternde Atmosphäre zu schaffen.

Warum ist eine Demo nicht friedlich wenn dabei Fackeln getragen werden?

das haben wir in der Lage Folge 270 erläutert … bitte einfach noch mal nachhören :wink:

Sicher, dass das wegen der Fackeln war? Konnte im Artikel nichts dazu finden.

Lol Zapfenstreich ist ein schlechtes Beispiel international Fand man den nicht so witzig. Es auch keine Pickelhaupen sondern M40 Stahlhelm repliken und K98 Gewehre beides Wehrmacht nicht Reichwehr Ausrüstung.

Linke Demos würden wahrscheinlich vorher gekesselt werden. Die Polizei hat da oft relativ wenig Skrupel selbst, auch ohne rechtliche Grundlage zu handeln.
Trotz deiner eignen Relativierung, möchte ich nochmals Betonen, dass nicht „extreme“ Positionen (ein in sich schon sehr vager Begriff selbst bei Extremismus „Theoretikern“, da dieser letztlich von der Mitte abhängt, welche ine variable Größe ist) sondern recht Positionen und die Ignoranz der auswüchse dessen. Wie OP schon anmerkte eine entsprechende Debatte gab es bei Geflüchtetenunterkünften nicht. sondern erst als Politikerinnen bedroht wurden.