Bahar Aslan wegen Kritik auf die Polizei gekündigt

Danke für den freundlichen Hinweis, ich habe die Formulierung entsprechend geändert. Dass der Lehrauftrag ihr einziger Job ist, habe ich nie behauptet. Das ändert aber nichts daran, dass die Hochschule die berufliche Zusammenarbeit mit Frau Aslan beendet hat - soweit ich es verstanden habe mit der inkriminierten Formulierung in dem Tweet als Begründung. Sollte ich das mit der Begründung falsch verstanden haben, bleibt immer noch die Vermutung eines kausalen Zusammenhangs zwischen den beiden Ereignisssen.

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Um zu entscheiden, was Whataboutism ist, müsste man erstmal Klarheit darüber haben, worum es in der Diskussion überhaupt geht. Ich habe den Thread so verstanden, dass es um einen (weiteren) Beleg für systematische Schieflagen und Biases in Polizeieinrichtungen geht. Dass die Diskussion dann mit Strohmann-Argumenten, dass Bahar Aslan pauschale Vorwürfe erhoben habe, und tone policing, wie man Kritik gefälligst zu äußern habe, derailed wurde, ist so erwartbar wie unglücklich.

Nein, das ist es offensichtlich nicht. Im verlinkten Artikel ging es ja gerade darum, dass die Bundespolizeiakademie den rechtsextremen Dozenten gerne zügig wieder unterrichten lassen wollte - und erst vom Innenministerium gestoppt werden musste.

Wenn der Polizei wirklich daran gelegen wäre, endlich wirksam gegen rechtsextreme Umtriebe vorzugehen, dann würde sie sich doch mit Bahar Aslan solidarisieren. Es scheint immerhin einige Stimmen in der Polizei zu geben, die sich hinter sie stellen:

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Ich denke Aslan hat klar gemacht, worum es ihr ging, wenn sie sagt (Zitat aus dem obigen Artikel):
„Vielleicht war es eine unglückliche Wortwahl. Es tut mir leid, wenn sich Polizisten angesprochen fühlen, die vorbildlich ihren Dienst tun“, erklärte die Lehrerin im Gespräch mit der „Zeit“. Es sei ihr um jene Beamte gegangen, die sich an rechtsextremen Chats beteiligten und mit ihrer „Geisteshaltung ganze Dienststellen vergiften.“
Ich fände es sinnvoll wenn sich die Hochschule nochmal mit ihr zusammen setzt um eine Lösung zu finden.

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So habe ich den Beitrag aber nicht aufgefasst.

Es war mehr die Darstellung, dass jetzt bei Bahar extrem schnell reagiert wird, während bei den präsentierten Fällen erst langwierig untersucht werden müsste, bevor man sich zu irgendwelchen Reaktionen gezwungen sah.

Und ich hege die Befürchtung, dass deine Hoffnung enttäuscht werden würde.

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Okay, der Vergleich ist erst Mal fair - auch bei Rassismus-Vorwürfen sind regelmäßig mehrere Auslegungen möglich, sodass man natürlich auch hier fordern könnte, die weniger „schändliche“ Auslegung zu wählen.

Dennoch gibt es hier einen großen Unterschied, der bei kritischer Betrachtung möglicherweise durchaus auf meinem eher linken Bias beruht (sodass ich nachvollziehen kann, dass konservative Menschen diese Meinung nicht teilen):

Eine harsche Kritik an den Sicherheitsbehörden ist ein klassisches „Treten nach Oben“ - beim Kritisieren von systematischen Problemen in den Machtstrukturen der Gesellschaft sind auch sehr polemische Aussagen mitunter sinnvoll und notwendig, um Menschen aufzurütteln. Letztlich ist mit dem Staat ein starker Gegenspieler an den Schaltzentralen der Macht, der - z.B. in Form von Horst Seehofer oder diversen Polizeigewerkschafts-Chefs - aktiv verhindert, dass es zu zu starken Vorurteilen gegenüber der Polizei kommt und regelmäßig massive PR-Kampagnen für die Sicherheitsbehörden betreibt.

Wenn hingegen ein Politiker strukturell ähnliche harsche Kritik an den Benachteiligten der Gesellschaft übt - also an Migranten, Flüchtlingen, ALG-II-Empfängern usw. - ist das ein klassisches „Treten nach Unten“, das - da es keine annähernd gleich starken, geschweige denn stärkeren Fürsprecher der Betroffenen gibt - sehr schnell zu massivem Rassismus, Ausländerhass oder Sozialdarwinismus führt. Diese Gefahr sehe ich bei harscher Kritik an Missständen innerhalb des Machtapparates eben nicht, deshalb würde ich in beiden Fällen zu einer unterschiedlichen Bewertung kommen.

Oder anders ausgedrückt:
Es ist mMn eine Bürgerpflicht, Missstände in den Machtstrukturen zu kritisieren, während das Kritisieren von Missständen in benachteiligten Bevölkerungsgruppen oft aus rassistischen Motiven erfolgt und auch wenig hilfreich ist (wir kennen die Missstände, eine Stigmatisierung hilft nicht, weil es im Gegensatz zu Kritik am Personal im Sicherheitsapparat keine zentralen Schaltstellen gibt, die diese Missstände abschalten könnten).

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Äh, genau sowas passiert doch ständig. Der gesamte Twitteraccount eines auf der Plattform berüchtigten DPolG-Funktionärs liest sich im Grunde genau so. Und man erinnere sich bspw. an die Aussage von Lindner, wenn er in der Schlange beim Bäcker steht. Hat ihm nicht geschadet. Er ist jetzt Finanzminister und darf das Land vor die Wand fahren.

Genau das ist der Punkt. Für Konservative und andere Rechtsgerichtete ist eben „Treten nach oben“ ein Sakrileg und verdient deswegen harte Bestrafung, während man sich das ureigene Recht „nach unten zu treten“ durch seinen sozialdarwinistisch definierten Platz in der Gesellschaft selbstverständlich erworben hat.

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Mmh ich finde, wenn linke bzw. grüne Politiker/innen, Journalisten oder andere Akademiker/innen Polizisten kritisieren, die nicht selten unter Einsatz ihres Lebens ihren Dienst verrichten, ist das genauso wenig ein „treten nach oben“ wie Kritik an kriminellen Migranten aus dem Clan-Millieu, die 100k Autos fahren und Immobilien im In- und Ausland besitzen, ein „treten nach unten“ ist.

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Du verkennst dabei, dass jeder Polizist den Staat „Bundesrepublik Deutschland“ und seine Sicherheitsbehörden repräsentiert und offiziell vertritt, was u.a. in der Staatshaftung deutlich wird (macht der Beamter im Dienst einen Fehler, haftet dafür in erster Linie der Staat und nur in Ausnahmefällen er selbst).

Der einzelne Polizist ist daher nur schwer von der Organisation „Polizei“ bzw. „dem Staat“ als Ganzen zu trennen. Eine allgemeine Kritik an „der Polizei“ sollte alleine aus diesem Grund von keinem Polizisten, der gute Arbeit leistet, persönlich genommen werden.

Ein einzelner Migrant hingegen repräsentiert nicht alle anderen Migranten. Eine allgemeine Kritik an „den Migranten“ ist alleine aus diesem Grund unzulässig.

Aber wie gesagt, diese Sichtweisen hängen sehr davon ab, welche politische Denkrichtung man verfolgt.

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Ich denke das ist der wirkliche Punkt hier. Die Strukturen weisen alle darauf hin dass auch nie etwas passieren wird und was in diesem Fall geschah wird viele Leute die etwas anprangern möchten einschüchtern.

Yo, das ist eigentlich normales politisches Verhalten hier in Deutschland. Sowas wird wöchentlich von der Union gemacht und da passiert gar nichts. Rassismus ist der Normalzustand, das ist was gemeint wird mit „institutioneller Rassismus“.

Was der Zustand der Bildung in Deutschland angeht gab es hier schon etliche Threads.

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Ich denke, dass solch feinsinnige Differenzierung bei den betroffenen Polizisten zu Recht wenig verfängt. Denn ebenso wie das regelmäßig zu hörende Ressentiment des „faulen und überbezahlten“ Beamten die Realität wiederspiegelt, so lässt es doch Aussagen wie erst jüngst durch den Wirtschafts"weisen" Werding, Beamte sollten in Zeiten von Rekordinflation finanzielle Sonderopfer bringen, auf teilweise positive Resonanz stoßen, wenn es nicht sogar so einen Unsinn erst begründet. Ähnlich verhält es sich aus meiner Sicht mit der Unterstellung, dass man als Migrant Angst vor einer Polizeikontrolle haben müsste, weil in der Polizei überall Rassisten säßen.

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Ich finde das trotzdem irgendwie heuchlerisch, um ehrlich zu sein.

Bei der Polizei gibt es exakt das, braunen Dreck - wir reden hier von Staatsbeamten, die sich mit ihren DIenstkolleg:innen auf Whattsapp Holocaustwitze und Hitlerbildchen schicken - teilweise sogar relativ offene rechtsextreme Parolen innerhalb ihrer Diensteinheiten verbreiten. Da gab es ja in den letzten Jahren nicht nur einen „kleinen Skandal“, wohlgemerkt teilweise ohne wirkliche Konsequenzen.

Dazu kommt, dass es in Deutschland ein strukturelles Problem mit rassistischen Stereotypen gibt. Dass die Dame und ihre Freundinnen Angst vor der Polizei haben kommt auch nicht ganz unbegründet, weil es in Deutschland täglich eine zweistellige Anzahl unverhältnismässiger Polizeigewalt gibt. Die wenigsten dieser Fälle haben Folgen - wie auch, wenn die Cops eigentlich eher ihre eigenen Leute decken und im Zweifel eine Gegenanzeige droht (Quelle)

Andererseits kreischt der „bürgerliche Mob“ laut auf, wenn ein Grüner irgendwo die falsche Portokasse öffnet. Klar, kann man Whataboutism schimpfen, aber was sich gerade linksgrüne Kreise seit Jahren anhören müssen geht halt auch auf keine Kuhhaut (Beispiel)

Das ist doch einfach kein gleicher Rahmen, kein fairer Massstab. Für mich wäre ihr Fall - gerade weil allgemein ein strukturelles Thema aufgegriffen wird - einfach nur ein Fall der freien Meinungsäusserung und ich bin der Meinung, dass der öffentliche Diskurs auch solche Töne aushalten muss. .

Nurmal so als Perspektive vielleicht.

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Überhaupt nicht „feinsinnig“ ist es dagegen, aus @Daniel_Ks Vergleich zwischen einer Kritik an Sicherheitsbehörden als Institution einerseits und an Migrant:innen als benachteiligter Gruppe andererseits mal eben einen Vergleich zwischen Kritik an einzelnen Polizist:innen und Organisierter Kriminalität von Migrant:innen zu machen.

Auf Seiten der Polizei individualisierst Du damit ein institutionelles Problem (nämlich die Duldung rassistischer und rechtsextremer Sicht- und Handlungsweisen bei Angehörigen der Sicherheitsbehörden) auf eine individuelle Ebene - wobei Du zudem noch suggerierst, dass Menschen, die bei der Ausübung ihres Berufs hohe persönliche Risiken eingehen, entweder nicht kritisiert werden können oder dürfen. Auf der anderen Seite beschreibst Du einige wenige Schwerkriminelle stellvertretend für eine Gruppe von Menschen, die gesellschaftlich systematisch benachteiligt sind und stellst damit - ob bewusst oder unbewusst - eine direkte Assoziation zwischen Migration und Kriminalität her. Sprich: Auf der einen Seite Individualisierung und positive Wertung, auf der anderen Seite Kollektivierung und negative Wertung.

Angesichts solcher Argumentationsmuster (das ist jetz alles nicht persönlich gemeint!) wundert es mich nicht, dass jemand wie Stephan Maninger, der so rechtsextrem ist, dass sogar der Verfassungsschutz gegen ihn ermittelt, weiter Professor an einer Polizeiakademie ist.

Wer unterstellst denn hier etwas, wenn nicht Du selbst? Wer hat denn behauptet, dass alle Migrant:innen Angst vor Polizeikontrollen haben „müssen“? Oder zweifelst Du die Tatsachen an, dass es rassistisch motivierte Polizeikontrollen und rassistisch motivierte Polizeigewalt gibt und dass es (potenziell) Betroffene gibt, die Angst davor haben?

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Finde ich übrigens gar nicht so eindeutig. Die Hochschule selbst spricht davon, dass eine „weitere Beauftragung mit sofortiger Wirkung beendet“ wird. Lehraufträge werden beantragt und bewilligt, in der Regel meines Wissens nicht „verlängert“. Auf Seiten von Bahar Aslan geht man anscheinend davon aus, dass hier eine bereits getätigte Zusage für einen künftigen Lehrauftrag wieder zurückgenommen wurde.

https://twitter.com/Anwalt_Jun/status/1661098093406724111?t=JeGMmywCaRva5NEuDBxmuQ&s=19

Meanwhile:

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Mal ganz abgesehen davon, dass Lehrbeauftragte generell kaum was verdienen und quasi keine Arbeitnehmer:innenrechte haben.

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Ohne mich nun mit dem konkreten Fall näher beschäftigen zu wollen, braucht es in einem Rechtsstaat in der Regel mehr als Ermittlungen, um beamtenrechtliche (und darum geht es anscheinend) Konsequenzen ziehen zu können. Und das ist aus meiner Sicht (bin selbst Beamter) grundsätzlich auch gut so. Frau Faeser versucht das gerade durch ein neues Gesetz zu ändern, in dem die Hürden für die Entfernung von Beamten aus dem Dienst wesentlich gesenkt werden sollen (sie könnte stattdessen auch dafür sorgen, dass Disziplinarverfahren schneller bearbeitet werden, aber das würde ja Geld kosten, also lässt sie lieber ein Gesetz schreiben).

Offensichtlich doch Frau Aslan und ihre Freunde:

„Ich bekomme mittlerweile Herzrasen, wenn ich oder meine Freund*innen in eine Polizeikontrolle geraten, weil der ganze braune Dreck innerhalb der Sicherheitsbehörden uns Angst macht“

Nein, wer eine bestimmte Erfahrung und/oder bestimmte Emotionen schildert, behauptet damit nicht, dass Millionen von Menschen diese genau so teilen müssen.
Aslan das zu unterstellen ist genau so daneben wie die Behauptung, sie hätte die Polizei in Gänze als „braunen Dreck“ bezeichnet (so wie gestern der Twittermob unter dem Hashtag „generalverdacht“). Da kann ich wirklich nur noch sagen: lesen hilft!

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So schnell kann man Disziplinarverfahren gar nicht beschleunigen, dass das bei Widersprüchen und Klagen durch alle Instanzen nicht jahrelang dauert. Und warum sollte nicht jeder rausgeworfene Beamte bis zum Bundesverfassungsgericht gehen, egal wie eindeutig der Fall ist, wenn er für jede weitere Instanz mit weiterer fürstlicher Besoldung fürs Nichtstun beschenkt wird, die um ein Vielfaches höher ist als die Gerichtskosten am Ende?

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Dass man in einer Sicherheitsbehörde die rassistischen Elemente vor zu harscher Kritik in Schutz nimmt, deutet ja eher darauf hin, dass diese dort dominant sind.

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Laut Focus und Antonio Amadeu Stiftung erwägt nun auch die Bezirksregierung Münster disziplinarrechtliche Schritte gegen Bahar Aslan (sie ist soweit ich weiß Lehrerin in NRW). Der Focus ist übrigens ganz vorne bei der Hetze mit dabei. Ein Artikel, den ich ausdrücklich nicht verlinke, war überschrieben mit: „Dozentin wird zur Twitter-Heldin - das sagt alles über die links-grüne Blase“

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Das ist vom Focus leider zu erwarten, der ist zwar noch nicht ganz so krass auf der „downward spiral“ wie die Welt, aber es geht schon seit Jahren recht klar in diese Richtung.

Ich gehe mal davon aus, dass Frau Bahar Beamtin ist, da sie nach kurzer Recherche Lehrerin an einer Hauptschule in Gelsenkirchen war (ist?). Dass die Bezirksregierung disziplinarische Schritte prüft, ist hier erst Mal normal. Da werden politische Vertreter - vor allem der CDU - ordentlich Druck ausüben - und ein Anfangsverdacht, dass das beamtenrechtliche Mäßigungsgebot bei politischer Betätigung verletzt wurde, lässt sich in jedem Fall argumentieren. Das ist daher - noch - kein Skandal.

Ein Skandal wäre es, wenn die Prüfung zu Disziplinarmaßnahmen jenseits eines einfachen Verweises kommen würde. Ein Verweis, daher die Aufforderung, in Zukunft bei öffentlichen politischen Äußerungen gemäßigter aufzutreten, wäre hier aber durchaus noch vertretbar, wenn Frau Bahar Beamtin ist. Wobei hier schon auffällt, dass das beamtenrechtliche Mäßigungsverbot bei „linken“ Meinungen wesentlich schneller und härter angewandt wird als bei „rechten“ Meinungen. Das dürfte wohl daran liegen, dass die Beamten als Bevölkerungsgruppe insgesamt im Schnitt konservativer sind als die Nicht-Beamten, was hier zu der klassischen „Blindheit auf dem rechten Auge“ führt.

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