Auseinandersetzung mit der gesetzlichen Rentenversicherung

Seit 9 Monaten beschäftige ich mich jetzt mit der gesetzlichen Rentenversicherung.
Meines Erachtens brauchen wir unbedingt eine gesellschaftliche, politische aber auch mehr wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Zukunft der gesetzlichen Rentenversicherung.
Das Thema ist natürlich relativ komplex, was es einerseits schwieriger aber auch gleichzeitig wichtiger macht, sich damit zu beschäftigen. Die Lage hat schon mehrfach bewiesen, auch in kompliziertere Themen ausführlich einzusteigen und Handlungsoptionen darzustellen.

Es ist klar, dass die demographische Situation das System vor Herausforderungen stellt. Mit einem guten Arbeitsmarkt und Einwanderung kann man hier natürlich kompensieren.

Es gibt aber auch wesentliche Mängel in der Konstruktion des Systems.
Da die Rente absolut gewaltige Ausgaben beinhaltet bedeuten schon kleine Veränderungen große Auswirkungen.

Nachstehend möchte ich anhand eines etwas vereinfachten Beispiels darstellen, was meiner Ansicht nach die relevantesten Effekte sind, über die man unbedingt diskutiteren muss.
Das gesetzliche Rentensystem verteilt aus zwei Gründen in relevanten Umfang von arm nach reich um.
Zum einen ist dies proportionale Bezuschussung, zum anderen die Korrelation von Einkommen und Lebenserwartung.

Betrachten wir zwei Personen A und B. Beide sind im gleichen Alter und haben über einen ähnlich langen Zeitraum gearbeitet, wobei Person B wesentlich höheres Einkommen hatte und damit auch mehr in die Rente eingezahlt hat.
Wir nehmen vereinfachend an, dass beide Personen keinen Anspruch auf zusätzliche Leistungen haben (also A insbesondere nicht auf die Grundrente).
Nehmen wir an, dass bei einer angemessenen Bewertung der Einzahlung A eine Rente von 500€ und B eine Rente von 2000€ pro Monat bekommt.
Wir nehmen zusätzlich an, dass die Politik feststellt, dass die Rente von 500€ nicht ausreicht und die Rente so angepasst werden sollte (beispielsweise durch Haltelinien), dass A eine Rente von 600€ bekommt.

Wenn nun aber jeder eingezahlte Euro gleich bewertet wird, bedeutet dies, dass die Rente von B auf 2400€ angehoben wird.

Wir nehmen zusätzlich an, dass die Rente von 500€ bzw. 2000€ auf eine durschnittliche Rentenbezugsdauer von 20 Jahren ausgelegt ist.
Es gibt eine Korrelation von Einkommen und Lebenserwartung (ob auch Kausalität besteht, kann man nicht wirklich nachweisen, ist aber wohl plausibel).
Wer höheres Einkommen hat, lebt in Erwartung (relevant) länger.

Nehmen wir an, dass A eine erwartete Rentenbezugsdauer (ab gesetzlichem Renteneintrittsalter) von 16 2/3 Jahren und B eine erwartete Rentenbezugsdauer von 25 Jahren hat.
Der Quotient von 25/(16 2/3)=1,5 ist nicht unrealistisch (siehe zum Beispiel hier bei einer geringeren ferneren durchschnittlichen Lebenserwartung als heute).

Wenn man von 500€ bzw. 2000€ ausgeht und den Effekt der unterschiedlichen erwarteten Bezugsdauer berücksichtigt, werden die Renten auf 600€ bzw. 1600€ angepasst.
Die Erhöhung bei Person A ist jetzt nicht mehr zwingend notwendig.

Der Unterschied bei Person B ist gewaltig.
Dabei wurde lediglich Umverteilung abgebaut.

Ich denke, dass wir gesellschaftliche mindestens über die folgenden Fragen sprechen sollten:

  • Was verstehen wir unter dem Äquivalenzprinzip?
  • Sollte die Korrelation von Einkommen und Lebenserwartung in der Rentenberechnung berücksichtigt werden?

Wesentlich detaillierte Ausführungen zur gesetzlichen Rente habe ich auch mal hier aufgeschrieben: mdrees.de/rente.pdf