Hallo Lageteam,
Wie wäre es mal mit einem Thema, welches in der Allgemeinheit nahezu unbekannt ist?
Selber bin ich kein Arzt, aber ich habe mit ihnen Beruflich viel zu tun u ich bin mit einer verheiratet.
Obwohl es viel zu wenig Ärzte gibt, ist deren Situation vor allem in der Assistenzzeit absolut unterirdisch! Man kann hier nur von Ausbeutung sprechen! Trotz Arztmangel hat die Klinikleitung immer noch genug Druckmittel in der Hand! In der Assistenzzeit müssen Ärzt*innen Unterschriften sammeln um für die Facharztprüfung zugelassen werden zu können. Hier ist sehr wenig geregelt und dies gibt dem Chefarzt sehr viel Macht.
Allgemein wird in Kliniken sehr oft das Arbeitsrecht mit Füßen getreten. Da ist es ganz normal, dass gesagt wird, man dürfe keine Überstunden aufschreiben, vorgeschriebene Mittagspausen können nicht genommen werden und dies darf natürlich nicht dokumentiert werden, oft ist der Nachtdienst mit einem Arzt völlig unterbesetzt, so dass die Patienten überhaupt nicht versorgt werden können. Unvorstellbarer Stress ist die Folge. Sogar ein Toilettengang ist eigentlich nicht möglich!!! Das ist keine Übertreibung!!! (Kommt natürlich auf die Fachrichtung an) Dabei gilt der Horror dann fast immer offiziell als „Bereitschaft“. Aber schlafen kann man da zwischendurch nicht!
Auch beim Urlaub wird das Arbeitsrecht gerne mal vernachlässigt. Urlaub wird meist nur gestückelt genehmigt und nicht selten wird man aus dem Urlaub zurückgeholt.
Das sind jetzt nur die Sachen die mir spontan einfallen.
Die Arbeitsbelastung ist unglaublich hoch! Ich arbeite in der Pharmaindustrie. Nicht gerade ein Sanatorium. Aber kein Vergleich zu den Zuständen in den Kliniken.
Der Arztmangel macht die Situation in den Kliniken natürlich auch nicht besser!
Da will man nicht Patient sein!
… Satz gel. Mod.
Wenn Sie das Thema interessiert, kann ich sicher noch mehr beisteuern.
Ganz so schlimm wie mein der Threadersteller möchte ich das Problem nicht darstellen. Kurz zu meinem Hintergrund: ich stecke aktuell mitten im sogenannten PJ, dem letzten Jahr des Medizinstudiums, in dem man unter engerer Aufsichtbereits Vollzeit im Krankenhaus arbeitet. Vergleichbar ist es mit dem PJ der Pharmazeuten sowie den Referendariaten der Juristen und Lehrämtler. Im Gegensatz zu denen erhalten wir allerdings nicht etwa >1.000 Euro monatlich, sondern wesentlich weniger. In Hamburg erhielt ich im Sommer genau 0 Euro, ab Januar sollen dort 400 Euro/Monat eingeführt werden. In Münster erhalte ich 22,50 pro Anwesenheitstag, ergibt einen Studenlohn von satten 2,81 (wenn ich nicht oft länger als 8h bleiben würde), Ich sehe in Sachen Arbeitsrecht aber auch meine Zukunft: für ein dann ganz ordentliches Monatsgehalt (Einstieg 5000 Euro brutto nach 6,5 Jahren Regelstudeinzeit) werde ich regelmäßig Überstunden machen, die nicht abgerechnet werden, Mindestpausenzeiten unterschreiten, mal wieder am Rechner zwischen 2 Arztbriefen essen und in meiner Freizeit natürlich wissenschaftlich arbeiten und mich weiter fortbilden. Das alles, um meinen Patienten in einem langsam kaputtgesparten Gesundheitssystem Qualitätsmedizin zu ermöglichen. Ärzte haben eine gute Lobby - im Vergelich zum Pflegepersonal insbesondere. Aber wenn ich von Patienten mal wieder hören muss, dass ich besser tuen würde was sie verlangen, ihre Beiträge zahlten ja schließlich mein Gehalt, kann ich nur müde lachen. Welches Gehalt?
Ohne dieses Gehalt bewerten zu wollen, finde ich eine Aussage wie
schon seltsam.
Die meisten dieser Patienten, die anscheinend gesetzlich versichert sind, liegen darunter. Und ich hoffe nicht, du glaubst, dass die alle ihre Arbeitszeit gemäß Stempeluhr auf der linken Arschbacke absitzen.
Edit: Da @Ronja sich auf das Ausbildungsgehalt bezieht, kann ich das nur unterstreichen.
Ich beziehe mich hier auf mein zu Teilen nicht vorhandenes, zu Teilen absolut niedriges PJ-Gehalt, nicht das Gehalt der Assistentzärztlichen Kolleg*innen. Das ist natürlich ein überdurchschnittliches Gehalt. Entschuldigung wenn das nicht deutlich durchgekommen ist….
Hier stimme ich dir zu.
Ich verfolge das nicht wirklich, da meine Bekannten das alle hinter sich haben. Aber damals mussten viele in Pflegeberufen für die Ausbildung noch zahlen, während Lehrlinge ein (damals auch witzlos niedriges) Gehalt bekamen. Die Vergütung von Auszubildenden wäre sicher auch ein interessantes Thema, vor allem in Verbindung der politischen Entscheidung, diese nicht als Midijob laufen zu lassen - in meinen Augen ein Zeichen, dass man junge Wähler nicht ernst nimmt.
Wieso überdurchschnittlich? Einstiegsgehalt bei Chemikern liegt höher. Dabei ist da die Arbeitsbelastung bei weitem nicht so hoch.
Warte mal ab wenn die Nachtdienste losgehen!!!
Natürlich ist das von der Facharztrichtung abhängig wie schlimm es wird. Und es soll vereinzelt Kliniken geben in denen es schon sowas wie Arbeitsgesetze schon mal gelesen wurden. Aber in der Regel ist der Stress unglaublich hoch. Und das in einem Bereich, in dem jede Entscheidung zählt!!!
Ich finde das furchtbar, dass so mit Ärzti*innen umgegangen wird und auch fatal : wundert mich nicht dass viele gar nicht mehr richtig zuhören können. Und erstaunt mich dass manche sich das irgendwie bewahren .
Was willst du denn mit dieser Aussage ausdrücken? Das es unbezahlte Überstunden auch in anderen Berufen gibt relativiert doch nicht die Exzesse in den Kliniken.
Fakt ist, dass Assistenzärzte in einem schwierigen Abhängigkeitsverhältnis zu den Kliniken stehen, da kein allgemeiner Rechtsanspruch auf eine Weiterbildung i.R. der Anstellung besteht. Da die Erlangung eines Facharzttitels aber Voraussetzung für eine Niederlassung ist, gibt es entsprechend kaum einen Weg um die Klinik herum, was von vielen Kliniken gnadenlos zu Ungunsten der Ärzteschaft ausgenutzt wird.
5000€ nach einem Studium in das man kaum rein kommt (trotz Arztmangel kam noch niemand auf die Idee die Studienplätze zu erhöhen) und dann eine Irre Verantwortung hat??? Das ist ein Witz, das muss ein Witz sein.
Erst seit meine Frau den Facharzt hat verdient sie mehr als ich. Und mein Job ist einfach gegen den ihren. Und ich habe keinen Wert auf Karriere gelegt und bin lieber Kajak fahren gegangen, sonst würde ich immernoch mehr verdienen.
Und noch was gasaaanz wichtiges: ein hohes Gehalt gleicht den Gesundheitsverlust dieses Stresses nicht aus!!!
Ich kann deine Empörung verstehen. Ich verdiene auch wesentlich stärker, obwohl ich weniger Verantwortung und Stress habe und ich finde dieses Gehalt selbst als übertrieben, verglichen mit dem was andere Menschen bekommen, die nicht weniger hart, arbeiten.
Dennoch gehört zur Wahrheit auch die Erkenntnis, dass das Medianbruttohaushaltseinkommen (also inklusive Haushalten mit mehr als einem Berufstätigen) in Deutschland etwa bei 5000 € pro Monat liegt und man als Alleinverdiener damit in Deutschland definitiv zur oberen Einkommensklasse gehört.
Nur weil wir so gut verdienen, ist ein Gehalt von 5000 € keineswegs schlecht. Etwas Demut darf man ruhig zeigen.
Das blöde ist, jetzt wird hier wieder viel zu viel über Gehalt diskutiert.
Die Arbeitsbedingungen sind untragbar.
Egal zu welchem Gehalt.
Auch 10000 im Monat helfen da nicht!
Und ich sage allen: bei dem was ich sehe, möchte ich nicht als Patient in die Klinik müssen.
Seht das mal als Patienten!
@Detrusor hat völlig recht. Ich sitze aktuell zB auf einem Sonntagsdienst in der Notaufnahme. Den Nachtdienst habe ich von einem Kollegen übernommen, der 20 Nächte in Folge gemacht hat (zu wenig Personal). Ein Nachtdienst geht von 22-8 Uhr, formell ist das ein Bereitschaftsdienst. Praktisch ist bei einem Nachtdienst in der Notaufnahme an Schlaf nicht zu denken, an Pausen auch nicht. Wir verlegen die Patienten nur sehr erschwert auf die Stationen - struktureller Personalmangel führt zu seit Wochen gesperrten Betten. Mehr als eine Ärztin aus meinem Bekanntenkreis hatte Harnwegsinfektionen, weil während der Schichten keine Zeit für Toilettengang ist. Wenn gegessen wird, dann am Rechner, und eine Stunde nach Schichtende Feierabend zu machen ist früh gehen. Aber Dienst nach Vorschrift ist keine Option, wenn man nicht bereit ist, Leben und Gesundheit der Patienten zu riskieren.
Medizin ist mein absoluter Traum und ich freue mich darauf Ärztin zu werden - aber trotz der Arbeitsbedingungen. Immer mehr meiner Kommilitonen entscheiden sich dafür, Medizin in anderen Ländern zu praktizieren oder gleich nach dem Studium zB Unternehmensberater zu werden. Häufig fällt diese Entscheidung nicht aus Geldgier, sondern aus dem Wunsch, eine Work-Life Balance aufzubauen. Und auch ich hoffe nach dem Facharzt, in eine Praxis zu gehen, eben wegen der Arbeitsbedingungen. Dann überarbeite ich mich zumindest in die eigene Tasche….
Das Problem ist dann aber, dass diese ausgebildeten Ärzte fehlen um die Arbeitsbedingungen zu verbessern.
Heißt sie agieren irgendwo egoistisch, da sie ihre eigene Work-Life Balance aufbauen, was sie anderen im gleichen Berufsfeld verwehren.
Ich steck jetzt aber auch nicht so tief in der Materie um sagen zu können, dass es überhaupt Stellen zu füllen gäbe (sprich sie eigentlich geplant sind) oder ob das System schon so dermaßen kaputt gespart ist, dass die Stellen zur Verbesserung gar nicht existieren (sprich kein Geld)
Ganz unwissenschaftlich und nach Gefühl ist je nach Haus eines oder beides der Probleme vorhanden.
Das Problem ist meiner Ansicht nach nicht das egoistische Handeln von medizinischen Fachkräften (ich schließe hier mal die Kolleg*innen aus der Pflege sowie die MFAs und MTAs mit ein) sondern der komplette politische Unwille, etwas an den Anreizen im System zu ändern. Die Krankenhäuser müssen als oberstes Gesetz wirtschaftlich handeln, gerne gehören sie auch großen Konzernen, in denen Geld die oberste Rolle spielt. Die Verantwortung, bessere Arbeitsbedingungen für medizinisch Tätige zu bieten, liegt hier mMN bei den Gewerkschaften und bei der Politik, nicht bei einzelnen Arbeitnehmern die aufgefordert werden das System im aktuellen Zustand zu ertragen.
Nur wie sollen sie das machen, wenn fertig ausgebildete nicht anfangen zu arbeiten?
Wenn die Notaufnahme 24/7 besetzt sein muss ist es halt schlecht für die Arbeitsbedingungen wenn nur 2 Ärzte zur Verfügung stehen.
Aber selbst wenn der politische Wille und das Geld da sind musst du halt immernoch Ärzte finden die da anfangen zu arbeiten, sonst wird das nichts mit der Arbeitsentlastung.
Es ist in gewissen Grenzen ein Henne Ei Problem.
Mehr Ärzte würden die Arbeitsbedingungen für alle verbessern, die wollen aber nicht, weil die Arbeitsbedingungen so schlecht sind.
Hier muss ich einmal konkret nachfragen - als PJlerin übernommen von wem? Der Arzt hat 20 Nächte am Stück gemacht? Das kommt mir wirklich absurd viel vor.
22 bis 8 sind doch meist Schichtdienst- Nächte, also keine Bereitschaft?
Mit den Assistenzärzten übernommen - bin natürlich nicht die einzige im Tagdienst. Ja, der Nachtdienst gilt hier trotz Schicht formell als Bereitschaft, da stecke ich auch nicht hinter. Die Dienstsituation am aktuellen Klinikum kann man durchaus als absurd bezeichnen, der Kollege ist definitiv auch ein Ausnahmefall, normaler sind hier 5-7 Nächte. Ich wollte damit illustrieren, wie die Arbeitsbedingungen in Extremfällen aussehen können.
Das ist richtig, und sicher nicht einfach zu lösen. Aber durch nichts machen seitens der Politik wird es nicht besser. Mehr Studienplätze wären ein Anfang. Andere Auswahlkriterien, wer Medizin studieren darf wäre eine Option. Mehr Geld für Kliniken und mehr Druck, dass das Arbeitsgesetz eingehalten wird. Denn um zu sparen muss oft der Arzt oder die Ärztin oft dinge machen , die auch jemand machen kann, dessen Ausbildung keine 6-7 Jahre geht. Schreibkräfte gibt es ja kaum noch.
Aber es passiert ja grad mal gar nichts!
LG
Also nach einem so anspruchsvollen Studium, dessen Zugang schon schwer genug ist, und gemessen an der Verantwortung ist das Anfangsgehalt eines Assistentsarztes ganz und gar nicht überdurchschnittlich! Wie gesagt: bei Chemie ist es höher, und das finde ich nicht gerechtfertigt.
Und das Gehalt mit jemanden zu vergleichen, der kein Hochschulstudium hat, ist einfach Quatsch.
Also kein schlechtes Gewissen. Lieber mehr verlangen.
LG
In gewissen Grenzen stimmt hier mit Sicherheit. Natürlich ist es schade, wenn nach mindestens 6,5 Jahren Studium die approbierten Ärzte sich gegen Tätigkeiten in Deutschland entscheiden. Ich wiederstrebe mich aber, diesen die Schuld für unser Problem zu geben. Es ist nun einmal so, dass die Arbeitsbedingungen in anderen Ländern wie zB der Schweiz wesentlich attraktiver für junge Ärzt:innen sind. Ebenso arbeiten in Deutschland viele Ärzt:innen, die zB in Ost- und Südeuropa studiert haben, weil hier die Bedingungen besser sind als dort. Sind diese Ärzt:innen nun „Schuld“ (sofern man diesen Begriff in den Mund nehmen darf) am Ärztemangel in ihren Heimat- oder Studienländern?
Gerade im Gesundheitswesen wird der Druck auf Arbeitnehmer auch oft ausgeübt, in dem man das Patienten- und Kollegenwohl in die Hand nimmt. Wer keine Überstunden arbeitet, ist Schuld an der Arbeitsbelastung der Kollegen oder einer schlechteren Therapie. Das der Krankenhauskonzern selber zB viel mehr elektive Eingriffe plant als schaffbar, um Geld zu verdienen, taucht in der Diskussion nicht wieder auf. Meiner Meinung nach ist es häufig eine Nebelkerze, auf die aussteigenden medizinisch Tätigen zu verweisen, weil es politisch nicht gewünscht ist, das System nachhaltig zu verbessern.
. In Teilzeit zu arbeiten, sei einer der letzten Garanten für regelmäßige Arbeitszeiten und einen pünktlichen Feierabend.
Trotz zahlreicher Interventionen seitens der Ärzteschaft habe es die Politik seit Jahren versäumt, gegenzusteuern: „Man hat sich jahrelang darauf verlassen, dass man sich auf uns verlassen kann.“
Denn die Bedingungen, unter denen Ärzte heutzutage arbeiten müssten, seien mittlerweile eine Gesundheitsgefahr – für die Patienten genauso wie für die Ärzte selbst: So lasse „die Daumenschraube einer geforderten Reduktion der Verweildauer“ der Patienten notwendige Erholungsphasen für Ärztinnen und Ärzte gar nicht mehr zu. „Heilung braucht Arztzeit, auch wenn das keine direkten Erlöse generiert“, mahnte er.
Edit die 2te: wegen Formatierung Gendern per : statt per Sternchen