Liebes Lage-Team,
Erstmal lieben Dank für euren Podcast, es ist wirklich eine große Freude.
Ich höre gerade viele Folgen nach und bin nun bei der angekommen, bei der ihr ankündigt, dass ihr eine studentische Mitarbeiterim sucht (Folge LdN379). Neben dem Fakt, dass die explizite Suche nach einer Studentin natürlich ein recht akademischer Ansatz ist und vlt. nicht der größte Akt des Klassenkampfes ist (ich verstehe trotzdem auch, dass ihr bestimmtes Fachwissen sucht, bin mir nur unsicher, ob dies unbedingt an ein Studium angeknüpft sein muss), war ich wirklich extrem verwirrt, als auf einmal das Attribut „schlau“ genannt wurde. „Ihr sollt schlau sein“. Von Wiederholung zu Wiederholung dachte ich, gleich lösen sie es auf, das ist ein Witz. Doch dann wurde es noch gesteigert in: zeigt uns, dass ihr schlau seid dadurch, dass ihr z.B. zu den besten 10% eures Studiums gehört oder dass ihr in der Studienstiftung seid („die Person gehört auf jeden Fall zu uns“). Da bin ich fast vom Fahrrad gekippt. Leider fiel die Auflösung in Form eines Witzes aus.
Als Medizinstudentin gehöre ich zu den gefühlten 98% derer, welche die Studienstiftung ausmachen. Das ist logisch, wo doch Menschen ein sehr gutes Abi brauchen, um von der Schule vorgeschlagen zu werden und am Ende zum größten Teil die 1,0 Schülerinnen ausgewählt werden. Das gute Schulnoten nicht mit Intelligenz, sondern vielmehr mit familiären Bedingungen und sozialer Herkunft bzw. auch klassistischen Vorannahmen durch Lehrerinnen kollidieren, muss ich vermutlich nicht erklären. Kurz: Papa ist Arzt, ich will das auch werden, meine Eltern können mir alles erklären, ich kann mir eine Nachhilfe leisten, muss nicht auf meine Geschwister aufpassen oder arbeiten gehen, meine Lehrer*innen erkennen mich als weiße Person aus bildungsnahem Umfeld und schupp: meine Noten sind besser. Das gleiche zieht sich im Studium weiter, wer gehört zu den besten 10%, wer wird langfristig gefördert? Wohl unwahrscheinlicher die Menschen, die sich selber durch einen Nebenjob finanzieren müssen, aus einem nicht-akademischen Haushalt kommen etc. Dies mit Intelligenz in Verbindung zu setzen und als ausreichendes Merkmal für eine Bewerbung bei euch zu sehen, finde ich schade und fördert ein elitäres System. Ich finde den Gedanken ziemlich nervig, dass ich durch meine Studienstiftungsförderung eine angeblich bestehende Intelligenz verschrieben bekäme, während meine Mitbewohnerin sich etwas anders ausdenken müsste um dies zu belegen.
Zudem möchte ich betonen, dass die Linie : schlau = gut und gefragt vs. nicht schlau = nicht gut, nicht gefragt, ziemlich schnell in den ableistischen Bereich geht und ich auch nicht erkennen kann, warum es schlimm ist, wenn eine Person einen Moment länger braucht einen Zusammenhang zu ergreifen.
Als letztes hat es mich das alles ziemlich gestört, weil zumindest zu erahnen ist, wer sich von dem Attribut „schlau“ angesprochen fühlt, wer sich bei der Erwähnung der Studienstiftung angesprochen fühlt und bei wem diese Wörter Hürden aufbauen sich zu bewerben. Auch hierbei würde ich tippen, dass dies nicht mit Intelligenz korreliert, sondern mit Sozialisierung und eine verstärkt hemmende Wirkung auf marginalisierte und diskriminierte Gruppen auslöst. Ich kenne z.B. deutlich weniger FLINTA-Personen (Frauen, Lesben, inter, trans, nicht-binäre, agender), die sich bei: „wer ist schlau“ - melden würden, als cis Männer.
So viel dazu, ich hoffe das war verständlich und bei Rückfragen: meldet euch gerne
Nochmal lieben Dank euch für den Podcast,
Lucie