Aufklärungsquote Internetkriminalität

In eurer wirklich interessanten Zusammenfassung des Urteils über die Vorratsdatenspeicherung habt ihr mit Bezug auf P. Breuer von einer Aufklärungsquote von Internetkriminalität von 90% (wie bei Mord) gesprochen und das in eure weitereren Argumentation verwendet.

Die Zahl klingt für mich selbst ohne Dunkelziffer als komplett unrealistisch. Straftaten im Internet, insb. Sexualdelikte mit Kindern im Internet sollen zu 90% aufgeklärt sein. Das widerspricht jedem Zeitungsartikel, den ich in den letzten 20 Jahren dazu gelesen habe. Wenn man googelt findet man unter Cyberkriminalität auch eher Zahlen wie 24%. Das da im Bereich Kinderpornos etc. quasi Alles aufgeklärt wird……

In jedem Fall ist gerade in diesem Bereich die Dunkelziffer sicher das entscheidende Problem.

Insoweit finde ich es schade, eure sehr gute Analyse und Bewertung durch solche für mich absurd anmutenden Argumente zu schwächen.

Aber ich lasse ich da gerne eines besseren belehren, wie effektiv und erfolgreich bei uns ermittelt wird :slight_smile:

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s. dazu die Quelle in den Shownotes der LdN305

Wobei man zu diesen Zahlen der fairness halber erwähnen muss, dass alle Verfahren auf Hinweisen der NCMEC beruhen. Wenn ich das richtig verstehe gehen bei dieser Meldungen aus allen Teilen der Welt ein und sie leitet im Prinzip die Verfahren, für die laut ihrer Einschätzung eine Zuständigkeit in Deutschland besteht, an Deutschland weiter. Hier geht es jetzt nur darum, in wie vielen der Hinweise eine Zuordnung von IP zu einem Anschlussinhaber möglich war.

Es handelt sich somit nicht um eine „Aufklärungsquote“, sondern um eine „Zuordnungsquote“ - ob die Fälle aufgeklärt wurden steht auf einem völlig anderen Blatt, da im Strafrecht eben nicht die Störerhaftung gilt, daher die Tatsache, dass die Daten über einen bestimmten Anschluss heruntergeladen wurden, alleine noch nicht zu einer Verurteilung führen kann, sondern noch die tatsächliche Person ermittelt werden muss, die den Download getätigt hat. (im Gegensatz zu zivilrechtlichen Verfahren, siehe Abmahn-Diskussion)

Das NCMEC wird z.B. nur IP-Adressen aus dem deutschen Raum an die deutschen Staatsanwaltschaften weitergeben - IP-Adressen von VPN-Servern werden hier schon gar nicht weitergegeben, weil es ja auch keinen Sinn machen würde (weil man schon gar nicht weiß, ob ein Bezug zu Deutschland besteht…)

@Kommentar hingegen geht von einer klassischen kriminologischen Aufklärungsquote aus, die in der Tat in allen internetbezogenen Bereichen signifikant unter 90% liegen sollte. Würde man hier also auch die über VPN-Server praktizierten Straftaten erfassen, die das NCMEC aus logischen Gründen nicht weiterleitet, wären wir schon bei einer realistisch niedrigen Aufklärungsquote.

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Ich hab mit der Zahl auch meine Schwierigkeiten., Hab vor einiger Zeit auch in irgendeinem Podcast ein Interview mit einem Ermittler über Kindesmissbrauch im Netz, Grooming und dergleichen gehört… Ich weiß die genaue Aufklärungsquote die dort angegeben wurde leider nicht mehr genau, aber sie lag im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Kann aber auch sein, dass das im Verhältnis zu den Fällen insgesamt war und nicht zu den gemeldeten.

Und was ist mit anderen Delikten? Betrug? Phishing etc…

Alle Fälle die ich im Bekanntenkreis kenne, wo jemand irgendwelchen Betrügern auf den Leim gegangen ist, sind bisher ausnahmslos im Sande verlaufen.

Vermutlich muss man sich da einen Anwalt nehmen der auf Urheberrecht spezialisiert ist… :rofl:

Klar, aber genau darum geht es ja bei der VDS. Wenn überhaupt verbessert sie die Zuordnung, nicht die Aufklärung danach. Und die Zahlen zeigen eindrucksvoll, dass es an der Zuordnung kaum etwas zu verbessern gibt.

Absolut korrekt, ich wollte nur darauf hinweisen, dass es hier (siehe Eröffnungspost des Threads) Missverständnisse bezüglich der Terminologie gibt.

Dass auch ohne vorgeschriebene Vorratsdatenspeicherung die meisten Provider aktuell ihre Daten lange genug speichern, um eine Zuordnung in einem angemessenen Zeitraum zu ermöglichen, ist unbestritten. Verfechter der Vorratsdatenspeicherung werden nun natürlich darauf hinweisen, dass diese freiwillige langfristige Speicherung nun, nachdem der EuGH sich gegen eine Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen hat, zurückgehen könnte, daher: Die Provider könnten das Urteil des EuGH zum Anlass nehmen, Daten weniger lang zu speichern - und dann würde natürlich auch die Zuordnungsquote sich verschlechtern.

Die Verfechter der Vorratsdatenspeicherung wollen letztlich ja per se keine Befugnisse des Staates (der kann auch nach aktueller Rechtslage mit richterlichem Beschluss auf die Daten der Provider zugreifen), sondern eine Verpflichtung der Provider, die Daten zu speichern, damit die bereits vorhandene Befugnis des Staates nicht in’s Leere läuft, weil schlicht keine Daten zum Abfragen verfügbar sind.

Sehr aufschlussreich war hier ein Interview im FAZ Einspruch Podcast mit dem Oberstaatsanwalt Dr. Benjamin Krause von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt a.M., der für die Verfolgung dieser Online-Straftaten bei der Zen­tral­stel­le zur Be­kämp­fung der In­ter­net­kri­mi­na­li­tät (ZIT) zuständig ist. Der beklagt eben vor allem, dass es dadurch, dass es keine gesetzliche Speicherfrist gibt, für die Staatsanwaltschaft schwerer ist, zu ermitteln, weil man nie genau weiß, welcher Provider welche Information wie lange speichert und deshalb die Anfragen der Staatsanwaltschaft regelmäßig in’s Leere laufen - und dass ohne eine gesetzliche Speicherfrist auch die von Justizminister Buschmann bevorzugte Quick-Freeze-Lösung nur begrenzt sinnvoll ist.

Ich persönlich bin auch eher gegen die Vorratsdatenspeicherung, finde es aber wichtig, die praktischen Problematiken zu verstehen. Und ehrlich gesagt: Gäbe es einen Provider, der damit werben würde, gezielt keine Verbindungsdaten zu speichern, würde ich vermutlich zu diesem wechseln (alleine als Mittelfinger gegenüber der Abmahnindustrie ^^). Aber ich kann natürlich auch verstehen, dass Sicherheitspolitiker die Tatsache, dass die Speicherung von (durch richterlichen Beschluss abrufbaren) Daten alleine im Ermessen der Provider steht, nicht zufriedenstellend finden, denn das birgt halt das Potential, dass es früher oder später einen Provider geben wird, der gar nichts speichert - und das könnte die IPs für Ermittlungsbehörden tatsächlich nutzlos machen.

Die Argumentation mit dem Status Quo, dass durch die freiwillige Speicherung der Daten seitens der Provider aktuell über 90% der IPs zugeordnet werden können, ist daher im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung durchaus fragwürdig. Aber man wird sehen, wie sich die Provider nach dem EuGH-Urteil nun positionieren werden.

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Jetzt muss ich zugeben, habt ihr mich verloren in der Diskussion. Wenn es hier nur um ein Missverständnis in der Terminologie geht, wie kann man denn dann die „Zuordnungsquote“ für Cybercrime mit der Aufklärungsquote für Mord vergleichen. Für mich war das immer noch ein Äpfel mit Birnen Vergleich, weil es für Mord ja keine „Zuordnungsquote“ gibt und die 90% bei Mord in jedem Fall die echte „Aufklärungsquote“ meinen.

Das schmälert nicht das Argument, das VDS in dem Fall nichts bringt, es begründet es nur mit einem meiner Ansicht nach falschen Vergleich…was ja auch am Anfang mein Punkt war.

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Da müsste ich mir im Podcast nochmal anhören, was genau geäußert wurde.

Aber ja, wenn hier ein Vergleich zur Aufklärungsquote von Mord gezogen wurde, wäre das in jedem Fall ein fehlerhafter Vergleich, der einer kritischen Überprüfung nicht standhalten würde.

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