Antiwerbung gegen Kleinstparteien?

Wenn du mit dem Portfolio keiner der im Bundestag vertretenen Parteien wenigstens zur Hälfte übereinstimmst, dann hast du sehr spezielle Interessen. Wer sich z. B. als wesentliches politisches Ziel die Wiedereinführung der Monarchie auf die Fahne geschrieben hat, der wird in der Tat bei den etablierten Parteien nicht fündig werden.

Aber ich bezweifle, dass dies auf den Großteil der Wähler von Kleinstparteien zutrifft. Stattdessen gehe ich davon aus, dass deren Präferenzen sich nicht stark von denen der Wähler der „Großparteien“ unterscheiden und sie lediglich der Fehlannahme anhängen, die Wahl einer Kleinstpartei könnte sie ihren Zielen näher bringen.

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Für die hier diskutierte Frage ist es doch irrelevant, wer letztlich die Regierung stellt. Es reicht völlig aus, dass klar ist, welche Parteien nichtmal in der Lage sein werden, beim Ringen um die Macht teilzunehmen: nämlich die, die nichtmal im Parlament vertreten sein werden. Und für die Frage sind die Umfragen verläßlich genug.

Wer es als Fraktion in den Bundestag schafft, der hat allein aufgrund dieses Status bereits ein Fitzelchen der Macht errungen. Allein schon die mediale Aufmerksamkeit, die damit verbunden ist. Weitere Pluspunkte habe ich weiter oben bereits am Beispiel der AfD aufgezählt.

Da habe ich dich anders verstanden. Wie war das noch:

Tut mir Leid aber wie ich es drehe und wende, mir scheint die Opposition regelmäßig ebenso zur Minderheit zu zählen. Ergo ist es nicht egal, es ist wie du selbst richtig sagst ganz entscheidend.
Gewiss ist Opposition > nicht im Parlament, da bin ich schon bei dir. Aber auch die Nicht-Regierungsparteien sind letztendlich nicht das „Lager der Sieger“, und die Stimme nach dieser Logik verschenkt.

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Das ist allerdings das Gegenteil von dem, was wir in Deutschland in den letzten 20 Jahren beobachten konnten. Von daher ist diese These wohl so nicht ganz richtig, oder?

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Das ist doch die typische „man darf ja gar nichts mehr sagen“-Nummer, bloß aufs Wählen bezogen.

Wer verbietet denn, Kleinstparteien zu wählen? Niemand. Es gibt eben Leute – u.a. auch gewisse Podcaster – die der begründeten Meinung sind, dass wer jetzt Volt oder Todenhöfer oder die Vegan-Partei o.ä. wählt, von der Wirkung her genausogut zu Hause bleiben könnte. Das ist doch kein Verbot, sondern vollkommen legitime Meinungsäußerung. Bleib halt auf deinem Standpunkt und wähl die Humanisten, die Partei der Liebe, die Gartenpartei oder wen auch immer, wenn das das Richtige für dich ist. Hindert dich doch keiner.

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Das überzeichnet das Argument ins Absurde. Andersherum müsstest du um dich inhaltlich perfekt repräsentiert zu fühlen deine eigene Partei gründen und diese dann wählen. Warum machst du das nicht? Mangelnder Einfluss vielleicht?

Das ist ein wichtiger Punkt in dieser Diskussion. Man kann vom WahlOmat halten was man will, aber bei mir lagen in den Ergebnissen die Grünen, Volt, und die Linke alle fast gleichauf zwischen 81 und 82%. Wo können da solche großen Unterschiede entstehen? Unsere Demokratie baut bis zu einem gewissen Maß auf Kompromiss und Konsens auf, 100% Übereinstimmung wird sehr schwierig werden.

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Das wurde schon zum zweiten Mal missverstanden, da hab ich mich also scheinbar schlecht ausgedrückt: Wenn alle Menschen taktisch wählen würden, dann wäre mMn das die Folge.
Da das in der Realität nicht so ist, beobachten wir das natürlich auch nicht, der Einwand stimmt also schon.
Was ich verdeutlichen wollte sind die möglichen Demokratie-schädlichen Folgen dieser Denke.

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Man würde ja mittlerweile mal ganz gerne wissen, welche Parteien sich hinter den 13 Prozent bei den Sonstigen in Berlin verbergen. Ernüchternd finde ich, dass sich tatsächlich 13% die Mühe machen, wählen zu gehen, und trotzdem darauf verzichten Einfluss darauf zu nehmen, wer tatsächlich nachher politische Posten bekommt und Entscheidungen trifft. Aber hier in Berlin ist es eben so, dass sich in den vergangenen zehn Jahren beinahe alle im Senat vertretenen Parteien auf irgendeine Weise diskreditiert haben. Die Zahl der „Sonstigen“-Wähler ist deswegen so hoch: Sie ist Ausdruck einer um sich greifenden Suche nach Alternativen.

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Ich hab ihn doch ganz buchstäblich beim Wort genommen. Oder wo ist das Missverständnis? Erst jüngst war in der Lage davon die Rede, dass Anträge der Opposition schon aus Prinzip abgelehnt werden. Bestimmt gibt es Ausnahmen, keine Frage.

Von perfekt war nie die Rede. Es wurde gefordert, eine Stimme mit guter Repräsentation (wie gut sei offen gelassen) gegen eine Stimme mit schlechterer Repräsentation (wie viel schlechter sei ebenfalls offengelassen) zu tauschen. In der Hoffnung, dass letztere bessere Erfolgschancen hat. Ich stelle die Sicherheit der Erfolgschancen in Frage.
Und das auch nicht weil ich den Leuten ihre taktischen Erwägungen nicht gönnen würde (macht ja auch Spaß sich sowas zu überlegen). Sondern nur weil es in letzter Zeit vermehrt als das einzig vernünftige hingestellt wurde.

Deine „machs doch selber“ Spitze ist echt überflüssig, das trägt nichts bei.

Umgekehrt wird ein Schuh draus. Was ist das für ein Wahlsystem, in dem 13% der gültigen abgegebenen Stimmen bei der Zusammensetzung des Parlaments per se keine Bedeutung haben?

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Nicht vergessen: es gilt die eigenen Interessen, im Lager der Sieger unterzubringen. Für eine Partei zu stimmen, die den eigenen Interessen entgegensteht, nur um nachher sagen zu können, dass man bei den Siegern ist, hat natürlich keinen (rational begründbaren) Wert.

Bei der Wahlentscheidung für eine Kleinstpartei ist meine These, dass es bei den meisten Wählern letztlich Petitessen sind, die sie davon abhalten, stattdessen diejenige der etablierten Parteien zu wählen, welche ihre Interessen am ehesten abdeckt.

Damit nehmen sie sich selbst die Chance, auf politische Prozesse mittels ihrer Wahlentscheidung Einfluß zu nehmen. Ohne dass diese Selbstentmachtung rational begründbarer wäre. (Gegenbeispiel: Wer als höchstes Anliegen hat, dass Herr Todenhöfer Kanzler wird, der kann dann tatsächlich nur dessen Liste wählen und auf eine göttliche Intervention hoffen.)

Entsprechendes Handeln sehen wie leider hauptsächlich bei den Rechtsradikalen: Die Stimmenanteile von NPD, DVU, etc. sind im letzten Jahrzehnt fast vollständig zur AfD gewandert.

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Ich möchte gerne hier auch nochmal betonen die aller meisten Umfragen die Kleinstparteien gar nicht explizit aufführen. Folge richtig bekommen die meisten doch gar nicht mit wenn eine neue Partei mehr Leute überzeugt als üblich aber noch bei 3% z. B sich befindet. Wie soll eine Partei die ein gutes Programm hat und eigentlich viele Leute ansprechen würde so gehör finden wenn diese Systematisch bei den meisten Diskussionen ignoriert wird und sogar wie hier noch argumentiert wird man solle seine Stimme nicht wegwerfen weil man in direkt andere Parteien damit stärkt. Das finde ich doch eine sehr frag würdige Argumentation. Zumal auch Stimmen von Rechts/Links außen auch unter 5%verschwinden könnten und somit die existierende radikale Vertretung z. B schwächen würden. Darüber hinaus ist es demokratisch Fragwürdig etwas zu wählen was nicht dem Wahlwunsch entspricht.

„Da Kleinstparteien ja nicht gewählt werden dürfen,…“, war nicht auf ein generelles Verbot bezogen, sonder einfach eine Schlussfolgerung aus dem hier gesagten. Du darfst sie schon wählen, deine Stimme zählt dann eben halt nicht. Und du bist selber Schuld, wenn die AFD dann an die Macht kommt.
Und was ist der Unterschied, zwischen „meine Stimme wird nicht gezählt“ und dem Verbot des Wählens einer Kleinstpartei?

Ich finde es durchaus legitim, dass man der Meinung ist, lieber eine große Partei zu wählen/strategische zu wählen. Man hat ja die Wahl. Die Wahl zu haben bedeutet in meinen Augen:

  1. Frei von Zwängen zu sein

  2. Das die Stimme auch ordentlich gezählt wird
    (ordentlich bedeutet hier: Alle stimmen haben nahezu gleiches Gewicht, und auch die Summengewichte sind annähernd gleich)

  3. Ist übrigens meiner Meinung nach nicht gegeben.

@Guenter
Man muss nicht die Monarchie wieder einführen wollen, um unter 50% zu kommen. CDU und AfD kommen bei mir nicht mal auf 25%. SPD ist für mich nicht wählbar, allein schon wegen dem Spitzenkandidaten. Das heißt aber nicht, dass ich deswegen gleich 100% mit den Linken oder den Grünen übereinstimmen muss. Ich bin z.B. strikt gegen Putin. Und wenn du den 1. Satz meines Kommentars aufmerksam liest, wird vielleicht klar was ich meine. Wenn ich meine eigentl. „Wahlpartei(en)“ sich grobe Schnitzer leistet, z.B. Masken-Deals, aber ständig gegen mehr Transparenz, PKW-Maut, Cum-Ex, Brechmittel etc. dann bleibt halt einfach nichts mehr übrig. Ich bezweifle, dass jeder über 70% Übereinstimmung mit mind. 3 Großparteien hier hat, wahrscheinlich nicht mal mit 2.

Mehr „Anti-Putin“ als bei den Grünen wirst du bei den relevanten Parteien schwerlich finden. Für rabiates Antirussentum hat Deutschland die falsche geographische Lage und die falsche Geschichte.

Schon verstanden, ich kann den Standpunkt aus pragmatischer Sicht nachvollziehen.
Je größer die Abweichung jedoch wird, desto weniger kann ich aber darauf vertrauen dass meine Interessen trotz Vertretung im Lager der Sieger auch verfolgt werden. Denn das ist die Kehrseite davon. Wer zb echten Tierschutz möchte kann darauf auch bei den Grünen lange warten.

Und genau dieses Lager der Sieger macht mir bei der ganzen Sache ja die Bauchschmerzen.

Als diese Diskussion los ging, war noch einige Zeit bis zur Wahl. Also viel Raum für Unsicherheit, s.o. Ich unterstelle Mal für maximales Wohlwollen deinen Argumenten gegenüber den absolut spät möglichsten Zeitpunkt zur Wahl, also fortgeschrittene Zeit am Wahltag selbst. So kann man die neuesten der neuen Umfragen heranziehen, der Wahlkampf ist dann im Grunde vorüber, dein Wissensstand maximal.
Gehen wir weiter davon aus, dass die Wahlforscher ihren Job perfekt machen. Die reale Fehlerquote könnte zwar zb der Linkspartei das Rückgrat brechen, aber ignorieren wir das halt.

Nach Abgabe deiner Stimme hast du nun trotz bester Informationslage keinen Einfluss auf all die anderen ebenfalls Last Minute abgegeben Stimmen. Denn auch andere Menschen sind so klug und haben taktisch abgewartet. Du hast außerdem keinen Einfluss auf die nun folgenden Koalitionsverhandlungen, und welche Interessenlagen in diesen Verhandlungen dann geopfert werden. Auf die konkrete Konstellation der nächsten Regierung schon gar nicht. Wie etwas ganz praktisch umgesetzt wird, und wie das mit dem ursprünglichen Wunsch übereinstimmt, ist noch Mal ein Problem.

Wenn man so will hat man mittels taktischem Wählen Hürde Nr.1 geschickt übersprungen. Und dafür je nach dem ein bisschen oder etwas mehr Repräsentationsfaktor geopfert. Danach folgen aber noch Hürden 2 und 3, um beim Bild zu bleiben.
Angesichts dieser Erfolgsaussichten finde ich es grundsätzlich nicht sinnvoll das zu tun. Wie schon gesagt kann ich aber verstehen, wenn man gerade bei dieser Wahl so handelt.

Nicht für jedes Anliegen ist die Bundestagswahl das beste Vehikel zur Durchsetzung. Es gibt ja noch den Aktivismus (von der lokalen Bürgerinitiative über den Social Media Shitstorm bis hin zu internationalen NGOs). „Echter Tierschutz“ läuft z. B. auf eine weitgehend vegane Ernährung hinaus. Da müsste sich erstmal grundlegend das Bewußtsein eines großen Teils der Bevölkerung ändern - in kleinsten Ansätzen passiert das ja bereits. Aber treibender Faktor ist hier sicher nicht ein Zuwachst von 0,1% auf 0,3% Stimmenanteil der Partei der Veganer bei der nächsten Bundestagswahl.

Vielleicht liegt hier ein wesentlicher Unterschied: Ich messe der Wahl einer Partei, die meine Interessen maximal teilt, den Wert von Null bei, solange diese Partei keine Chance hat, diese Interessen auch voranzubringen. Der reduzierte „Repräsentationsfaktor“ ist daher aus meiner Sicht kein Opfer, solange es den Wechsel von einer Kleinstpartei (=bundesweiter Einfluß nahe null) zu einer der etablierten Parteien betrifft.

Ob man als Sozialist von der Linken zur SPD wechselt, um diese zu stärken und die CDU aus dem Kanzleramt zu jagen, dass will wohl überlegt sein. Stattdessen von der gänzlich irrelevanten MLDP, mit der manjedoch maximal übereinstimmt, zur Linken zu wechseln, das ist aus meiner Sicht ein Nobrainer.

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Das war nur ein Beispiel, ich bezweifle, dass die Linke genug macht haben wird, um eine Love-Putin-Linie wirklich durchzusetzen. Ich glaub nicht 'mal, wenn sie die stärkste Partei wäre.
Aber jetzt als Beispiel: Ich wäre rechts-konservativer Geringverdiener.
Nun hab ich die Wahl:
Linke… zu links
Grüne… wenn die an die Macht kommen wird Deutschland untergehen
FDP… die ist doch nur was für Reiche
CDU… Masken-Deals, PKW-Maut, so einige Skandale
SPD… mit Scholz eine Überlegung wert… Moment… da war doch CumEx. Wirecard und der Brechmitteleinsatz

Macht ja nichts. Ich hab ja noch eine „Alternative“ die über die 5% Hürde kommt :smiley:

Je nach Meinung kann es sehr gut sein, dass du nur eine Partei mit ordentlicher Übereinstimmung hast. Dann hast du keine Alternative. Der Gedanke, dass Politiker nur durch Nicht-Wahl bestraft werden können und sollen, hält dann einfach nicht mehr.

Nicht zu vergessen, dass wir mathematisch nicht sagen können, die Regierung repräsentiert das Volk, wenn 5-10% der Wahlstimmen nicht gezählt werden. (Also es keinen Unterschied macht, ob sie da sind, oder nicht)

Nicht weiter schlimm, denn dann bist du es ja schon dein Leben lang gewohnt, diametral zu deinen eigenen Interessen abzustimmen. :smiley:

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Ergebnisse:

Freie Wähler — 2,4%
Tierschutzpartei — 1,5%
Schwurbelbasis — 1,4%
PARTEI — 1,0%

Das waren alle, die mindestens 0,5% bekommen und damit Anspruch auf staatliche Parteienfinanzierung erworben haben.

Mehr oder weniger knapp an diesem Minimalziel gescheitert:

Todenhöfer — 0,46%
Piraten — 0,4%
Volt — 0,4%

Der SSW als Vertretung der dänischen und friesischen Minderheiten in Schleswig-Holstein erhält mit 0,1% ein Mandat, weil bei ihm die 5%-Hürde nicht gilt.

ÖDP noch mit 0,2%, die 24 weiteren alle mit 0,0–0,1%, darunter Humanisten oder auch NPD.

Kann ja jetzt jeder, der eine Kleinpartei gewählt hat, selber überlegen ob sich das nun gelohnt hat.

Wenn Grüne jetzt vereinzelt auf Twitter rum jammern, dass die „Sonstigen“ Rot-Rot-Grün verhindert haben, ist das allerdings auch grotesk. Glaube kaum, dass sonderlich viele Freie Wähler/Basis/Todenhöfer-Leute da irgendwelche Stimmen übrig gehabt hätten.

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