Anne Spiegel - ungerechtfertigte Rücktrittsforderungen?

Es geht um ihre grundsätzliche Qualifikation zu einem Ministeramt jeglicher Couleur, die sie mit ihren massiven fachlichen Verfehlungen was die Flutwarnungen angeht zunächst angekratzt, dann aber vor allem mit ihrer danach folgenden Verstrickung in ein Lügengeflecht zum Zwecke der eigenen Gesichtswahrung und ihrer hochnotpeinlichen Verteidigung NICHT durch Einräumen eigenen Verschuldens, sondern stattdessen durch Vorschicken ihres kranken Ehemanns und ihrer durch Corona belasteten Kinder grundlegend in Frage gestellt hat. Diese Qualifikation hat sehr wohl mit ihrem aktuellen Amt zu tun!

Es mag dir nicht um Whataboutism gehen, aber im Endeffekt betreibst du, wenn du mit Verfehlungen anderer Minister das Verbleiben von Spiegel im Amt einforderst, obwohl sie sich genug eigene Verfehlungen für einen Rücktritt geleistet hat, nun mal genau das: Whataboutism.

Wie schon gesagt: Amthor und Scheuer sind in meinen Augen mindestens dieselbe Kategorie von Fehlbesetzung wie Spiegel das als Umweltministerin war. Beide hätten ab einem gewissen Punkt aus ihren Ämtern entfernt gehört, aber die Tatsache, dass die Mechanismen, mit denen eine solche Beseitigung stattfinden kann, bei denen leider nicht dafür gereicht haben, bedeutet IMHO nicht, dass wir jetzt beim Fall Spiegel, wo die Mechanismen ihren Job endlich mal wieder zu tun scheinen, diese Mechanismen absichtlich im Sinne einer verqueren Vorstellung von „Gerechtigkeit“ sabotieren sollten. Wir sollten höchstens eine neue Diskussion darüber anfangen, warum diese Mechanismen bei Scheuer und Amthor versagt haben!

Ich finde man sollte hier wirklich nicht immer auf dem Urlaub rumreiten, denn nicht jeder hat den Urlaub als Rücktrittsgrund benannt. Mein Argument für den Rücktritt sind die Lügen zu Kabinettssitzungen und die scheinbar vorrangige Sorge nicht gut genug wegzukommen. Diese beiden Vorkommnisse sind für mich persönlich nicht tragbar und der Grund für den Rücktritt. Ihr Urlaub wäre und ist mir völlig egal. Es geht um das Verhalten drum herum. Und wie will man den moralischen Zeigefinger zu Recht Richtung Union und FDP schwingen, wenn man bei den eigenen Leuten dann Whataboutism betreibt und andere Maßstäbe setzt.

Wäre Frau Spiegel von Anfang an ehrlich gewesen wäre sie wahrscheinlich noch im Amt.

2 „Gefällt mir“

Das ist eine enorm naive Vorstellung von Krisen. „Machen wir mal einen Plan für jede erdenkliche Krise, und dann folgen wir einfach stur dem Plan“? Na hoffentlich hält sich die Realität dann auch peinlich genau an die Pläne!

Jeder Plan hält immer nur genau so lange, bis er Kontakt mit der Realität hat. Das gilt insbesondere für Krisenpläne! Krisen zeichnen sich dadurch aus, dass sich Geschehnisse dynamisch entwickeln, die Lage zu Beginn unklar ist und erst durch laufende Erkenntnisse sich ein Bild ergibt, und konstant Handlungsanpassungen erforderlich sind, um sie bestmöglich zu bewältigen. Damit will ich nicht sagen, dass man sich nicht vorab Gedanken machen sollte - man sollte das unbedingt tun. Aber das wird zur Bewältigung keiner Krise der Welt genügen, wenn man nicht im Anschluss daran konstant die Pläne mit der Realität abgleicht und Handlungen anpasst, wo immer nötig.

Ganz abgesehen davon: es wird reichlich auf Spiegel eingedroschen, weil die Krise objektiv fehlgemanaged wurde! Das größte Fehlmanagement war wohl die Einschätzung bezüglich des Ausmaßes der Flutwelle. Aber vielleicht lag das ja nicht an den zuvor gefassten Plänen, die Flutwelle hat sich vielleicht einfach nicht an die Pläne gehalten. Böse Flutwelle!

3 „Gefällt mir“

Ich finde auch, dass es auf Grund er SMS-Geschichte und der Täuschungen gerechtfertigt ist. Was aber schlimm ist, ist dass jetzt die familiäre Situation als Grund im Vordergrund steht und damit sicherlich wieder Frauen mit Familien in diesen Ämtern in Frage gestellt werden. Und dass es mal wieder einen Grund für Merz gab, sich zu profilieren, den ich für uns Frauen unerträglich finde.

7 „Gefällt mir“

Das finde ich auch schlimm, damit hat Frau Spiegel allen Frauen einen Bärendienst erwiesen. Meine Frau und ich tun alles, damit Ihre Karriere im Gleichschritt mit meiner läuft durch geteilte Elternzeit, in dem wir beide unsere Arbeitszeit etwas verringern zur Betreuung wenn der Kleine in die Krippe geht. Leider werden all diese Anstrengungen Familien und Beruf zu managen torpediert, wenn plötzlich die Familie das Argument ist, Fehler zu entschuldigen.

Diesmal scheint aber die Opposition in NRW das Thema nicht versanden lassen zu wollen, besonders da Wüst noch eine Problemministerin hat in dem Zusammenhang:

Also da kommt es aus meiner Sicht doch ein bisschen auf den von @Justjaythings erwähnten Maßstab an. Die Verfehlung von Spiegel war aus meiner Sicht, dass das Privatleben plötzlich zu viel wurde. Kinderbetreuung, Schlaganfall des Ehemanns und dann Long Covid. Das ist zu viel für einen Menschen. Das sind aber äußere Einflüsse, die in diesem Ausmaß nicht vorhersehbar waren. Der Fehler besteht aus meiner Sicht darin, dass sie sich das nicht eingestehen konnte (was auch echt schwer ist) und sich dann auch nicht so geschickt verhalten hat.
Bei Scheuer und Amthor sieht das ganz anders aus. Wenn dieser Maßstab, dass nicht etwas bewußt oder aus Unfähigkeit verbockt wird an den Rest der Politiker angewendet würde, dann hätten wir eine Menge Politikern weniger z. B. auch keinen Kanzler mehr.

Nein, die Verfehlung, die der Ausgangspunkt des ganzen Dramas war, ist gewesen, dass trotz vorliegender eindeutiger und sich später als zutreffend erweisende Prognosen im Umweltministerium unter Leitung Spiegels statt einer Warnung eine Entwarnung verbreitet wurde! Daraufhin starben über 180 Leute in der größten Naturkatastrophe der letzten Jahre in Deutschland - viele davon, weil sie nicht rechtzeitig gewarnt wurden. Und währenddessen machte sich Frau Spiegel Gedanken über „das Wording“, mit dem ihr Versagen bei der Kommunikation der Pegeldaten medial überspielt werden könnte.

Ich finde, allein das ist locker auf Höhe der Verfehlungen von Scheuer, und Amthor sowieso. Das Chaos in Spiegels Ministerium ist sehr direkt mit dem Verlust von Menschenleben in Verbindung zu bringen. Wie viel krasser muss Versagen werden, damit man es in einem Atemzug mit Amthors Gier und Scheuers Autokonzern-Hörigkeit nennen kann?

Alles weitere, die ganze unwürdige Lügenkonstruktion, die Vertuschung des Urlaubs, setzte diesem Fundamentalversagen nur die Krone auf und sorgte dafür, dass ihre Verfehlungen ihr auf ihre ohnehin unverdiente Beförderung in ein noch höheres Amt gefolgt sind.

2 „Gefällt mir“

Natürlich wird das meiste von unteren Ebenen getan, aber soweit würde ich dann doch nicht gehen. Es hängt auch davon ab, wie die Leitungen agieren. 1962 bei der Sturmflut in Hamburg hat der Senator der Polizeibehörde die zentrale Einsatzleitung übernommen und energisch die Krise gemanagt. Frau Spiegel war das Gendern wichtig.

Das hatte ich in dieser Form bisher so nicht mitbekommen. Das ist in der Tat eine andere Qualität, wobei ich mich da auch frage, was genau davon auf Frau Spiegels Kappe geht und was irgendeinem trägem Beamtenapparat geschuldet ist. Aber letztendlich war Sie für den Laden verantwortlich.

1 „Gefällt mir“

Dieser Kommentar ist ein exzellenter Beleg dafür, dass beides richtig sein kann: Die Verfehlungen von Anne Spiegel sind so gravierend, mannigfaltig und unübersehbar, dass ein Rücktritt unausweichlich und folgerichtig ist. Und zugleich schwingt in der Kritik an ihr auch eine gehörige Portion niederträchtiger Misogynie mit.

3 „Gefällt mir“

Niedertracht weise ich zurück. So eine Unterstellung halte ich auch für schlechten Stil.
Misogynie ist ein weiter Begriff. Darunter diese Geringerschätzung von Gendern zu verstehen, scheint mir eine recht weite Auslegung zu sein.

Die nicht korrekte Warnung bzw. die tatsächliche Entwarnung war mit Sicherheit ein Fehler und ist so auch auf jeden Fall vorwerfbar. Ich habe allerdings erhebliche Zweifel daran, dass es bei einer korrekten Vorwarnung weniger Tote gegeben hätte. Menschen verhalten sich nicht immer rational. Vermutlich hätten viele bei sich gedacht, es wird schon nicht so schlimm werden bzw. es wird mich schon nicht treffen. Selbst nach dem Eintritt dieser Katastrophe hatten Einsatzkräfte Probleme damit, Gebiete zu evakuieren, weil sich Leute weigerten, ihre noch gefährdeten Häuser zu verlassen. In Hamburg kommt es regelmäßig zur Entschärfung von Weltkriegsmunition. Es ist hierbei immer wieder erstaunlich, dass sich nicht an konkrete Warnungen während der Entschärfung gehalten wird. Da stehen Personen direkt hinter den Fenstern, weil ja geschaut werden muss, was draußen so passiert. Und wie gesagt, dies trotzt einer konkreten Warnung.

Na wenn das so ist, dass alle Leute selbst dann, wenn sie eine widerspruchsfreie und klare Warnung vor konkret drohender Lebensgefahr in einem bestimmten Gebiet über offizielle Kanäle bekommen, diese komplett ignorieren, dann können wir uns ja die ganze Warnerei einfach sparen.

1 „Gefällt mir“

Ich glaube nicht, dass ich das mit meinem Beitrag ausgedrückt habe.

Nein, die Schlussfolgerung, dass wir uns unter den Umständen das Warnen sparen könnten, die habe ich gezogen. Du sprachst aber davon, dass du bezweifelst, dass es weniger Tote gegeben hätte. Das heißt: nicht mal einen einzigen weniger! Na ja, und das einzige Szenario, in dem man das annehmen könnte, wäre, wenn zumindest all diejenigen Leute, die der Flut zum Opfer gefallen sind, auch konsistentere und weniger widersprüchliche Warnungen als die, welche es tatsächlich gab, in den Wind geschlagen hätten.

Da wir hier von knapp 200 Menschen sprechen, die man genaugenommen noch mit einem Faktor >1 multiplizieren muss, weil viele der Opfer in irgendeiner Form schutzbedürftig waren und mehrere andere Personen sich um ihr Wohlergehen gekümmert haben, sprich in der Lage gewesen wären, ein irgendwie geartetes „In-Sicherheit-Bringen“ zu initiieren und/oder durchzuführen, kann man den Fall, in dem all diese Menschen exakt genauso gehandelt hätten wie sie es haben, IMHO verallgemeinern auf „alle“ Menschen. Und wenn die Warnungen also bei allen Menschen verhallen, dann sind sie nun mal faktisch wertlos.

Was ich damit sagen will: ich halte es für unwahrscheinlich, dass sich bei knapp 200 Toten tatsächlich alles genauso abgespielt hätte, wenn es gute, konsistente und eindringliche Warnungen von Anfang an gegeben hätte und nicht das erst-Entwarnung-dann-doch-irgendwie-Warnung-Hin-und-Her, das es tatsächlich gab, und das natürlich massiv dazu einlädt, die Situation nicht ernst zu nehmen und zu glauben, das alles „wird schon nicht so schlimm, denn hier, das Umweltministerium sagt, alles ist nicht so wild!“. Es hätten sich selbst bei den besten denkbaren Warnungen nicht restlos alle dran gehalten, das stimmt. Wären also immer noch Menschen gestorben? Vermutlich. Aber weniger.

1 „Gefällt mir“

17:17 Das Landesumweltamt ruft höchste Warnstufe aus.
17:40 Kreisverwaltung Ahrweiler aktiviert den Krisenrat und ruft fälschlicherweise dabei die zweithöchste Stufe aus.
18:25 Das Landesumweltamt senkt seine Pegelstand-Prognose auf vier Meter, gibt allerdings keine Entwarnung. Vorausgegangen ist eine reduzierte Regenprognose des Deutschen Wetterdienstes.
19:57: Das Landesumweltamt hebt seine Pegelstand-Prognose wieder deutlich an: auf 5,30 Meter

Wir hatten ja hier in Niederbayern vor einigen Jahren auch eine Jahrhundertflut. Auch da wurde Deggendorf-Fischerdorf viel zu spät evakuiert und ist vollständig abgesoffen. Unser Vorteil war halt, dass wir unsere kleinen Fluten regelmäßig haben und so trainiert sind. Und selbst da haben Leute dem THW den Vogel gezeigt und wurden dann vom Dach mit Hubschrauber geholt. Das Wasser kommt einfach viel zu schnell. Und wenn du dann ein Rinnsal wie die Ahr vor dir hast und dir werden 6 Meter Steigung erzählt, dann geht das gegen jede Vorstellungskraft. Und das gleiche gilt natürlich für die Verantwortlichen. Warnst du zu oft, bist du der Dumme und wird es im Ernstfall nicht mehr ernst genommen, warnst du zu wenig ist es auch nicht besser.

Frau Spiegel hat mit Sicherheit gezeigt, dass sie für ein Ministeramt keine gute Wahl war. Die Rücktrittsforderungen kamen aber nicht wegen ihrer Performance im Ahrtal, sondern wegen ihrem Urlaub. Und das ist nicht verhältnismäßig. Auch in Krisenzeiten muss man das Recht haben, seinen Akku aufzuladen.
Dass sie sich dann immer mehr reingeritten hat, zeigt ihre Angst, diesen Job zu verlieren und diese Angst, dass es nicht der richtige ist, weil sie dem Druck offensichtlich nicht gewachsen ist. Ihre Rede zeigte auch, dass sie nicht vorbereitet worden war, sondern aus der Not, weil ihr die Partei schon im Nacken saß.
Ob das in anderen Parteien ähnlich abgelaufen wäre, wage ich zu bezweifeln.

2 „Gefällt mir“

Du vergisst in deiner Timeline die Pressemitteilung (deren genaue Uhrzeit ich leider nicht mehr weiß, irgendwann nachmittags war sie auf jeden Fall, als dem Umweltamt bereits Prognosen mit >5m Pegelständen vorlagen) mit dem fatalen Satz „Wir nehmen die Lage ernst, auch wenn kein Extremhochwasser droht“. In der ist auch der inzwischen bundesweit bekannte Tipp an die „Campingplatzbetreiberinnen und -betreiber“ gewesen, dass es an Ufernähe zu Überspülungen kommen könnte und man „Vorkehrungen“ treffen sollte.

Bei solch einem „Wording“ ist es kein Wunder, dass sich (vielleicht außer Campingplatzbetreiberinnen und -betreibern) kaum jemand ernsthafte Sorgen gemacht hat. Dafür muss man dann nicht sture Böcke in der Bevölkerung bemühen - die es sicher geben mag, keine Frage, aber wie schon gesagt: das sind nicht alle.

Das ist so nicht richtig. Selbstverständlich addiert sich das alles auf ihre „Performance“ im Ahrtal auf. Allein wegen der Urlaubsgeschichte wäre es nicht zu Rücktrittsforderungen gekommen, das hätte Kritik gegeben, vielleicht ein Mini-Skandälchen, aber das hätte sie problemlos aussitzen können. Mit dieser Vorgeschichte und den diversen Kommunikations-Fails in der Zwischenzeit aber war es einfach nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Dieses Fass war schon vorher gut gefüllt, und die ersten Liter flossen während des Ahrtal-Unglücks hinein.

Du machst hier einen klassischen Fehler und vergleichst politische „Bestrafung“ mit dem formalen Strafjustizverfahren, in dem es formal bestimmte strafbare Handlungen gibt, über deren Vorliegen oder Nicht-Vorliegen entschieden wird, und in dem eine Beurteilung anschließend unter Ausschluss von Dingen, die das konkrete Verfahren nicht betreffen, stattzufinden hat. Diesen Constraints unterliegen politische „Strafprozesse“ aber nicht.

In dem Punkt sind wir definitiv einer Meinung.

2 „Gefällt mir“

Ja, die wird der Situation definitiv nicht gerecht.

OK. Da hast du natürlich recht. Hier muss ich mich tatsächlich für meine Ungenauigkeit entschuldigen. Ich kann selbstverständlich nicht sagen, ob es absolut nicht einen einzigen Toten weniger bei einer korrekten Warnung gegeben hätte. Ich wollte hier deine Kompetenz in dieser Diskussion in keiner Weise anzweifeln.