Euch ist Euch beim Thema deutsch-französische Freundschaft Elysee Vertrag ein Fehler unterlaufen.
Ohne deutsche Kriegsverbrechen kleinreden zu wollen, historischer Fakt ist das
Deutschland Frankreich nicht überfallen, sondern Frankreich und Großbritannien Deutschland am 3. September 1939 den Krieg erklärt haben. Am 4. September kam es zum ersten Luftangriff der Royal Air Force auf Deutschland (Wilhelmshafen) Am 9. September dringen französische Einheiten an der deutschen Westgrenze im Warndt auf deutsches Staatsgebiet vor. (Quelle Wikipedia)
Das Thema ist wieder relativ komplex.
Technisch hast du Recht - Frankreich und Großbritannien haben am 3. September 1939 Deutschland den Krieg erklärt, weil Deutschland seinen Überfall auf Polen nicht einstellen wollte.
Deutschland hat dann ab dem 10. Mai 1940 die Benelux-Staaten und Frankreich überfallen.
Von der Terminologie stellt sich nun die Frage, ob man nach einer offiziell ergangenen Kriegserklärung noch von einem „Überfall“ sprechen sollte, da ein Überfall ja eigentlich per Definition ein überraschender Angriff ist, aber während einer seit Monaten bestehenden offiziellen gegenseitigen Kriegserklärung ist es schwer, von einem Überfall zu sprechen. (im Gegensatz zu Polen, welches definitiv im Rahmen des „Blitzkrieg“ überfallen wurde, hier wurde bewusst auf eine Kriegserklärung verzichtet, um das Überraschungsmoment zu erhalten, daher war es ein klarer Überfall)
Dass die Terminologie des Überfalls auch auf Frankreich verwendet wird liegt vermutlich daran, dass im Ausdruck des Überfalls eine gewisse Unrechtmäßigkeit des Angriffs zum Ausdruck gebracht werden soll. Auch wenn es in der Tat Frankreich und Großbritannien waren, die den Krieg erklärten, waren sie dennoch „im Recht“, dies zum Schutz Polens zu tun, sodass der Angriff Deutschlands auf Frankreich in jedem Fall dennoch zu verurteilen ist.
Trotzdem stimme ich zu, dass die Terminologie „Überfall“ technisch nicht korrekt ist. Mich würde mal interessieren, wie das die Historiker sehen. Im populärwissenschaftlichen Bereich liest man ja regelmäßig vom „Überfall“ auf Frankreich, ist das unter Historikern auch so, oder sieht man das hier auch kritischer?
Das ist zu bestreiten. Die beiden Staaten sind lediglich ihren vertraglichen Pflichten nachgekommen. Und das auch nur sehr unzureichend.
„ Laut der französisch-polnischen Vereinbarung hätte spätestens 15 Tage nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Polen eine größere französische Offensive an der deutschen erfolgen müssen.“ Diese ist ausgeblieben, weswegen man in Polen hier auch von „Verrat“ spricht.
Naja, aber das ändert doch nichts daran, dass technisch zum Zeitpunkt des Einmarschs deutscher Truppen in Frankreich bereits seit 8 Monaten Kriegszustand zwischen Frankreich und Deutschland erklärt war und es auch schon zu gegenseitigen Kriegshandlungen gekommen ist.
Wie gesagt, es geht absolut nicht um die Frage, ob Deutschland Schuld ist. Durch den Angriffskrieg Deutschlands gegen Polen trägt Deutschland definitiv an allen Folgehandlungen im Sinne des zweiten Weltkrieges die Schuld, die Frage stellt sich gar nicht.
Aber ein „Überfall“ ist eben im militärischen Sinne per Definition ein „überraschender Angriff“ - und davon kann eigentlich kaum die Rede sein. Wie gesagt, der deutsche Angriff auf Polen war ein Überfall, der russische Angriff auf die Ukraine (ebenfalls ohne Kriegserklärung) war auch ein Überfall. Die Invasion Frankreichs durch Deutschland war schlicht eine Invasion, ein Einmarsch, ein Einfall oder ein Angriff. Aber kein Überfall.
Die Abgrenzung ist wohl eher schwierig, und ich sehe da Argumente, die für und gegen den Begriff sprechen. Ja, Frankreich und Großbritannien haben wegen des Beistandspakts mit Polen Deutschland den Krieg erklärt und symbolisch ein paar Angriffe geflogen und ein paar Dörfer im Saarland besetzt, die sie Tage später wieder geräumt haben. Dann ist aber über ein halbes Jahr erstmal nichts passiert, und GB/F haben Polen wohl mehr oder weniger aufgegeben gehabt und hätten den „Krieg“ auf längere Sicht allenfalls als Frozen Conflict aufrechterhalten, wenn Deutschland nicht angegriffen hätte.
Dass dieser Angriff erfolgen würde, war allerdings wohl so ziemlich allen klar, und auch dass der Weg über das neutrale Belgien führen würde. Insofern war da auch recht wenig Überraschung im Spiel.
Wenn man deswegen jetzt allerdings den Begriff „Überfall“ ablehnen würde, dann käme man auch recht schnell an die Frage, wie man denn bspw. mit dem weithin so bezeichneten russischen Überfall auf die Ukraine umgeht, denn im Grunde waren Russland und die Ukraine auch seit 2014 bereits im Krieg miteinander, und die Truppenaufstellungen an der Grenze im Vorfeld der Invasion 2022 waren ja nun auch nicht geheimzuhalten.
Ich würde daher den Begriff Überfall 1. nicht als Fachbegriff ansehen und 2. in diesem Kontext eher weit interpretieren als „Invasion eines fremden Landes, die nicht durch Verteidigung oder Vergeltung gegen vorherige militärische Angriffe legitimiert ist“.
(Disclaimer: Bin auch kein Historiker.)
Nach meiner Erinnerung kam die Offensive im Mai 1940 wohl für die französische Seite doch relativ überraschend, aber vielleicht gibt es ja hier jemand im Forum, der das zeitgeschichtlich noch genauer einsortieren kann.
Da es keine Kriegserklärungen gab, würde ich das bestreiten. Russland war ja gerade bemüht, nicht offiziell in den Krieg einzutreten („grüne Männchen“, nur indirekte Hilfe, keine offiziellen russischen Truppen in den abtrünnigen Gebieten…). Selbst nach dem Überfall der Ukraine spricht Russland ja offiziell nur von einer „militärischen Spezialoperation“ und vermeidet das Wort „Krieg“. Und Russland hat vor dem Angriff ja auch stets beteuert, nur ein Manöver abhalten zu wollen…
In diesem Zusammenhang ist eine derart groß angelegte Invasion schon überraschend gewesen - der Großteil der Experten war ja ebenfalls überrascht (und schockiert). In diesem Kontext würde ich daher hier in jedem Fall von einem Überfall sprechen.
Können wir gerne so halten, mir persönlich ist es relativ egal, ob man es Überfall, Einfall oder sonst was nennt. Da sich aber ein anderer Hörer daran störte, macht es schon Sinn, da mal tiefer drüber nachzudenken. Daher würde mich weiterhin die Meinung von Historikern interessieren.
Ich hab jetzt auch nicht viel mehr als Wikipediawissen darüber, aber das klingt alles nicht besonders überraschend:
Das überraschende war, dass nicht über die Ebenen in Flandern angegriffen wurde, sondern durch die für große Panzeroperationen eigentlich als unüberwindbar geltenden Ardennen.
Kriegserklärungen sind doch so erste Hälfte 20. Jahrhundert.^^ Wie du selber schreibst, sieht Russland sich ja immer noch nicht im Krieg, aber niemand sonst würde doch bestreiten, dass das ein Krieg ist.

Und Russland hat vor dem Angriff ja auch stets beteuert, nur ein Manöver abhalten zu wollen…
In diesem Zusammenhang ist eine derart groß angelegte Invasion schon überraschend gewesen - der Großteil der Experten war ja ebenfalls überrascht (und schockiert).
Kommt drauf an, welche Experten. Die USA haben afair bspw. recht klar gesagt, dass Russland angreifen will und das „Manöver“ nur Tarnung ist. Die meisten haben natürlich gehofft, dass sich der Krieg diplomatisch noch abwenden lässt, aber die „Experten“, die meinten Russland blufft nur und würde keinesfalls einen Krieg riskieren, sind doch im Wesentlichen die, die danach proklamierten die Ukraine würde innerhalb einer Woche überrollt.