Anhebung des Mindestlohns

Guten Morgen!

Unter der Überschrift „Scholz bezeichnet Anhebung des Mindestlohns als sein >> wichtigestes Gesetz<<“ lese ich die Aussage »Mein wichtigstes Gesetz, das ich sofort auf den Weg bringe, ist, für zehn Millionen Bürgerinnen und Bürger eine Gehaltserhöhung zu organisieren«.

Der Mindestlohn hat sich seit Einführung im Jahr 2015 kontinuierlich von 8,50 EUR auf 10,45 EUR gesteigert. Das ist mindestens gut, richtig und wichtig. Tatsächlich bin ich sehr dafür, dass gerade in den untersten Lohnklassen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein Entgelt gezahlt wird, dass für den Lebensunterhalt mindestens ausreicht.

Bei der Diskussion fehlt mir aber der Blick auf den Bereich der Minijobber. Ich selbst bin an einer kleinen Kette von Lotto-Annahmestellen beteiligt. Wir stellen gerne im Midi-Job und auch sozialversicherungspflichtig ein, haben aber einige Mitarbeiter, die aus nachvollziehbaren Gründen im Minijob verbleiben wollen oder müssen. Wir (und sicher Arbeitgeber mit ählichen Konstellationen) haben nun das Problem, dass die verfügbare Zeit, die unsere Minijobber arbeiten können, zwangsläufig sinkt, denn wir kommen ja nicht über die 450,00 EUR-Grenze. Die Folge ist, wir müssen die Arbeit auf die verbliebenen Mitarbeiter verteilen oder ab einem bestimmten Zeitpunkt neue Mitarbeiter einstellen. Beides keine wirklich gute Lösungen, die Mitarbeiter möchten gar nicht wirklich mehr Stunden leisten und zuverlässige Mitarbeiter für diesen Bereich zu finden, ist eine echte Herausforderung.

Auch für die Minijobber ergibt sich durch die unveränderte Deckelung durch die 450,00 EUR-Grenze keine Erhöhung ihres Einkommens, insofern geht das Ziel der „Gehaltserhöhrung“, die Olaf Scholz verspricht, an diesen Menschen voll vorbei.

Natürlich kriegen die eine Gehaltserhöhung: Sie müssen plötzlich weniger Zeit für ihren Job aufbringen und können in der gewonnenen Zeit was anderes machen.

Das hier ist doch das eigentliche Problem. Es gibt dir wohl besser als mir bekannte Gründe, die Leute dazu anhalten, lieber einen Minijob zu halten, als einen sozialversicherungspflichtigen anzunehmen. Ich überblicke das Thema ganz sicher nicht, aber genau das ist doch ein Zeichen dafür, dass Minijobs auch (mehrheitlich? Keine Ahnung) dafür sorgen können, dass Menschen eben nicht in den richtigen Arbeitsmarkt kommen.
Falls das wirklich häufig so ist, ist das Minijobsystem kaputt und man merkt es eben an einer Erhöhung des Mindestlohns.

1 „Gefällt mir“

Um da zu konkretisieren: Es gibt Menschen, die nur innerhalb der Minijob-Grenzen hinzuverdienen dürfen, z.B. weil sie eine Erwerbsminderungsrente beziehen. Eine weitere Gruppe sind Menschen, die einen sozialversicherungspflichtiges Einkommen beziehen, die dürfen maximal einen Minijob haben, unabhängig von der Höhe des Entgeltes und dann gibt es eine Gruppe von Menschen, die mehrere Minijobs haben (die KEINEN sozialversicherungspflichtigen Job haben), die in allen Minijobs kumuliert maximal 450,00 EUR verdienen und das vielleicht auch genau so wollen. Diese Gruppen werden von der Anhebung des Mindestlohns ausgeschlossen.

Zu sagen, dass diese Menschen dadurch eine Gehaltserhöhung erhalten, da sie plötzlich weniger Zeit für ihren Jobaufbringen und in der gewonnen Zeit etwas andere machen können, halte ich für zynisch.

Wo Scholz die Erhöhung des Mindestlohn verspricht, versprechen andere ja die Höchstgrenze für Minijobs zu erhöhen.
Außerdem soll unter anderem die Minijobgrenze von 450 Euro auf 550 Euro erhöht werden.

Der DGB spricht sich allerdings dagegen aus.

2 „Gefällt mir“

Eine Gehaltserhöhung ist es nicht, aber eine Verbesserung der Lebensumstände. Wenn ich weniger Zeit für den gleichen Lohn aufwenden muss, habe ich doch einen Vorteil, mehr freie Zeit nämlich. Eine Erhöhung der Obergrenze wäre den Leuten mehrheitlich wohl lieber, trotzdem wären sie mit einem höheren Mindestlohn natürlich besser gestellt als vorher.

1 „Gefällt mir“

Ein wichtiges Gegenargument, dass ich bislang tatsächlich nicht berücksichtigt habe. Danke für’s Feedback!

1 „Gefällt mir“

Die Argumente des DGBs sind lächerlich. Anstatt klar zu sagen „Wir sind grundsätzlich gegen Minijobs, weil wir „sozialversicherungspflichtige“ Arbeitsverhältnisse habe wollen!“, argumentiert sich der DGB in eine Schieflage.

Faktencheck

„Sie haben keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld.“

Stimmt. Das ist ein Problem. Warum fordert der DGB nicht einfach die Einführung dieser Leistung für Minijobber? Es könnte daran liegen, dass sie nicht daran gedacht haben, oder dass sie keine pragmatischen Verbesserungen haben wollen, weil sie stumpf gegen Minijobs sind. Ob das was mit der fehlenden Gewerkschaftszugehörigkeit der Minijobber und damit fehlenden Beiträgen für die Gewerkschaften zu tun hat?

„…werden schneller gekündigt …“

Arbeitsrechtlich wäre ich hier auf die Begründung gespannt.

De facto ist das natürlich so, dass 450€ Kräfte eine höhere Fluktuation aufweisen, das liegt aber eher in der Natur der Arbeitsverhältnisse, die auf Flexibilität basieren, als auf Arbeitgeber, die endlich die ungeliebten und schutzlosen 450€ Kräfte loswerden wollen.

„…und sind auch sonst sozial kaum abgesichert!“

Ja nee, ist klar Günnie und jetzt hol ma noch ne Wurst und ein Bier…

Gelten für 450€ Kräfte:

  1. Entgeltfortzahlung bei Krankheit? Ja
  2. Entgeltfortzahlung in der Mutterschaft? Klar
  3. Urlaub? Sicher
  4. Entgelt an gesetzlichen Feiertagen? Jop
  5. Rentenversicherungsbeitrage? Ja - Knappschaft
  6. Kündigungsschutz? Auch das
  7. Krankenversicherung? Jein. AG zahlt Pauschbeiträge ja, aber Minijobber wäre nicht krankenversichert. Allerdings fällt es mir schwer, einen Fall zu konstruieren, in denen ein Minijobber nicht über eine andere Quelle krankenversichert ist. Vielleicht hat jemand aus dem Forum eine Idee?

Fakt: 450€ Kräfte in Deutschland sind sozial abgesichert. Für den AG ist es deutlich teurer, einen 450€ Beschäftigten zu unterhalten, als einen 451€, da der AG bei Minijobs 50% Nebenkosten hat.

Zum Thema Mindestlohn:

Die Erhöhung hätte überhaupt keinen Effekt für die Beschäftigten, außer dass die Sozialkassen etwas höhere Einnahmen hätten.

Ich würde mir einen echten Mindestlohn wünschen, der müsste dann aber in der Größenordnung von 18,50€+ liegen ODER man stellt die ersten 1.500€ komplett(!) für Arbeitnehmer Steuer- und Sozialversicherungsfrei.

Am liebsten die Kombination. Natürlich muss man sich das Thema Hinzuverdienst gesondert anschauen.

Zu argumentieren „die haben dann mehr Freizeit.“ ist natürlich nicht ganz falsch, aber eben nicht bei eine klitzekleinen Erhöhung von 3%-5% komplett unsinnig, weil Arbeitgeber dann die fehlenden Zeiten mit anderen Minijobber ersetzen müssten.

In der aktuellen Ausgestaltung sind Minijobs sinnvoll, laden aber zu Schwarzarbeit und Sozialbetrug ein. Ich habe auch schon schwarz gearbeitet und war auf 450€ angemeldet.