Angela Merkels frühe Einsicht

Liebe Lage-Hörer und -Macher,

ich habe irgendwo gehört (in der Lage?), dass Angela Merkel in ihrer Zeit als Umweltministerin in Bezug auf den Klimawandel gesagt haben soll, dass man jetzt unbedingt schnell handeln müsse, da es sonst sehr teuer würde.

Kennt jemand diese Aussage? Hat jemand eine Quelle für mich?

Dank und beste Grüße

Hans

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Übrigens hat sie sich ähnlich vorausschauend über Putins Absichten geäußert und trotzdem Nordstream2 mitgetragen.
Ich meine, das im Interview mit Stephan Lamby gehört zu haben. https://spotify.link/dRnxj8KElDb

Tolles Zeitdokument.

Jetzt stellt sich nur die Frage: Warum ist nix passiert bzw. warum wurde aktiv in der Ära Merkel Verhinderungpolitik gemacht?

Ohne Merkel da allzu sehr verteidigen zu wollen, man sollte sich schon immer vor Augen halten, dass es sich bei einem Bundeskanzler nicht bei einem Diktator auf Zeit handelt.

Selbst wenn sie die entsprechenden klimapolitischen Überzeugungen hatte, dann muss sie ihre Überzeugungen gegen ihre eigene Partei durchsetzen (in einer Zeit, in der sie noch nicht so fest im Sattel saß) und in der ersten Hälfte ihrer Regierungszeit auch noch gegen die FDP; wenn wir ehrlich sind zu diesem Zeitpunkt vermutlich auch noch gegen ein Mehrheit der Bevölkerung.

Nordstream 2 verhindern hätte auch geheißen, eine Entscheidung gegen den Koalitionspartner SPD und wohl zumindest auch in großen Teilen gegen ihre eigene Partei durchzudrücken.

Kann man alles machen (und sollte es auch), aber es scheint mir für eine Politikerin in der Position keine ganz so triviale Entscheidung zu sein, wie das gern dargestellt wird.

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Da ist es wieder: Das Narrativ „Ohne demokratische Mehrheiten …“. Demokratische Mehrheiten kann man erschaffen, in dem man mit Führungs- und Gestaltungswillen gezielt öffentlich kommuniziert und für - in diesem Fall: Schutz des Klimas - wirbt und dafür auch einsteht, auch das Risiko eingeht, nicht mehr gewählt zu werden. Aber die Verlockung des Populismus - immer nur für den einen kleinen politischen Vorteil im Ringen um die politische Macht - sind einfach zu groß.

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Es ja schon mehr als ein bloßes Narrativ.

Demokratische Mehrheiten kann man nicht „einfach so“ erschaffen. Man kann für sie kämpfen, aber es ist erstens nicht gewiss, dass man diesen Kampf gewinnt bzw. überhaupt gewinnen kann und zweitens bedeutet das andere Dinge weniger zu priorisieren.

Und nur mal angenommen, Merkel wäre ehrlich der Überzeugung gewesen, Klimaschutz ist wichtig, dann kann sie immer noch in der Position sein, dass sie sich fragt, wieviel kann ich meiner Partei und meinem Koalitionspartner zumuten? Wenn ich den Bogen überspanne, dann sitzt hier demnächst ein Stoiber/Koch/Merz/Seehofer und dann passiert bestimmt nicht mehr.

Wie gesagt, ich möchte die Verantwortlichen für ihre mangelhafte „Leistung“ auf dem Gebiet nicht groß in Schutz nehmen, aber das Fehlen einer demokratischen Mehrheit zu einem bloßen Narrativ zu degradieren finde ich zu wohlfeil.

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Ich kann mich nicht erinnern, dass Merkel sich als Kanzlerin für Umwelt- und Klimaschutz öffentlich ordentlich ins Zeug gelegt hat. Wer die politische Macht (Stoiber verhindern) höher gerichtet als die Richtigkeit der Sache und die Bereitschaft, dafür persönliche Risiken einzugehen, aus dessen Mund ist das Gejammere um die fehlenden demokratischen Mehrheit sehr viel wohlfeiler.

(wohlfeil = eine Pladitüde von sich geben)

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Mich stört überhaupt nicht, dass man diese Perspektive hat, tatsächlich finde ich sie auch am überzeugendsten, mich stört (insbesondere mit so viel Hindsight) so zu tun als hätte es damals keine andere sinnvolle Perspektive auf die Dinge geben können.

Bitte geht nicht aufeinander los! Politiker sind Menschen und handeln als solche. Und das bedeutet insbesondere, dass sie eine Vielzahl von Interessen vertreten (die ganz persönlichen, die der Partei…). Wir können uns natürlich wünschen, dass alle Politiker Idealisten sind. Aber die Realität ist eine andere und damit müssen wir umgehen.

Mit ihrer Flüchtlingspolitik 2015 hat sie das gemacht. Auch das Kernkraftaus nach Fukushima war gegen Teile der eigenen Partei. Ich denke, man tritt ihr nicht zu nahe, wenn man davon ausgeht, dass das Klima, nachdem sie keine Umweltministerin war, keine Priorität mehr hatte.
Auch das ist eben Teil der politischen Wahrheit: ein Ministerium ist eben auch nur ein Job auf Zeit. Und danach wendet man sich neuen Aufgaben und Verantwortungen zu.
Wahrheiten, die man davor noch lautstark vertreten hat, sind plötzlich nicht mehr ganz so wahrhaftig.

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Und beides hatte einen gewaltigen politischen Preis für Merkel.

Der Ausstieg aus der Kernkraft war tatsächlich nur möglich, weil der Ausstieg durch Fukushima gesellschaftlich plötzlich sehr, sehr populär wurde. Hier könnte man, wenn man Merkel verteidigen wollte, sagen, dass sie die Gunst der Stunde erkannt und gehandelt hat.

Die Öffnung der Grenzen 2015 wird ihr bis heute von vielen Menschen am rechten Rand der Union nicht verziehen, das hat sie unheimlich viel politisches Kapital im eigenen Lager gekostet.

Nord Stream 2 gegen den Willen der SPD und Teile der eigenen Partei (vor allem die Arbeitgebernahen!) zu stoppen hätte vermutlich damals einfach mehr politisches Kapital gekostet, als sie noch hatte, gleiches gilt für die meisten strengen Umweltschutzmaßnahmen.

Letztlich geht es aber doch immer um demokratische Mehrheiten, wobei es nicht nur um die Mehrheiten in der Bevölkerung geht, sondern vor allem um die Mehrheiten in den Machtzentren, also vor allem den Parteien.

In der Union und der SPD gibt es einfach viele Verantwortungsträger, die extrem arbeitgebernah (Union) oder wirtschaftsnah (SPD) sind. Um ein Gesetzesvorhaben zu realisieren, braucht eine Kanzlerin in der großen Koalition deren Stimmen. Das Problem ist: Diese Leute sind oft nicht mit rationalen Argumenten zu überzeugen. Wenn diese Leute der Meinung sind, dass das Wohlergehen der Arbeitgeber oder der Wirtschaft wichtiger ist als der Umweltschutz (und das war zu Merkels Zeiten zweifelsohne der Fall) wird auch der beste Überzeugungskünstler daran nichts ändern können.

Wir gehen hier Gefahr, uns diese Prozesse zu leicht vorzustellen. Aber hier ist einfach unheimlich viel Ideologie im Spiel, sowohl bei der Union als auch bei der SPD. Dagegen kommt man auch mit viel öffentlicher Kommunikation und allem Führungs- und Gestaltungswillen u.U. nicht an.

Das ist kein deutsches Problem, das sehen wir z.B. auch in den USA, wo Joe Manchin mit seiner Blockadehaltung einfach mal alles über den Haufen geworfen hat, was Biden hätte erreichen können, als die Demokraten noch die Mehrheiten hatten.

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Ich sag ja nicht, dass es einfach ist, demokratische Mehrheiten für seine Überzeugungen zu schaffen. Und an die innerparteilichen Mehrheit hatte ich, zugegeben, gar nicht gedacht. Macht es noch schwerer.

Trotzdem: Es kann doch nicht sein, dass man überzeugt ist von, nur um zwei Beispiele zu nennen,

  • wir müssen 1,5°, max 2° unbedingt erreichen, sonst wird es für zukünftige Generationen ganz bitte. Dazu: Energiewende, Wärmewende, etc.
  • Migration ist nicht wirklich unser Problem, im Gegenteil: Wir brauchen Arbeitsimmigration in ziemlichen Größenordnungen, so das wir über jeden froh sein sollten, der hier in diesem ausländerskeptischen Land leben möchte.

… aber solche dringenden wichtigen Themen links liegen lässt, weil man damit die bestehende demokratische Macht innerhalb der Partei oder im Parlament gefährdet.

Wer für seine Überzeugungen keine Risiken eingeht, muss sich schon fragen lassen, ob er wirklich überzeugt ist.

Das Problem mit der Demokratie: Geht man die Risiken ein (sprich man ist sich nicht sicher, ob man genügend Mehrheiten hat, sonst wäre es kein Risiko) und es klappt nicht, geht es für die Überzeugung zusammen mit der Person nicht mehr weiter. Deswegen versuchen eben viel Politiker, sich langsam über die Zeit an ihre Vorstellung heranzutasten.

So für mich scheinbar auch Frau Merkel beim Thema Klimawandel. Sie wusste über den Fakt, sie wusste sie kann direkt nichts ändern, da hre Partei und die Bevölkerung noch nicht bereit dazu war. Ob sie nun den langfristigen Plan für eine Gesellschaftliche Veränderung hatte, kann niemand mit Bestimmtheot sagen. Anzunehmen ist es aber.

siehe ISBN 9783421051134, „Der Preis des Überlebens“

z.B. 1997 warnte Merkel vor dem Klimawandel — passiert ist seither wenig - Business Insider