Anerkennung von Homöopathie als Religion

In der Tat ein wichtiger Punkt! Forschung und Evidenz gibt es eigentlich genug, aber in der Vergütung der GKV ist das m.W. bisher nicht alles angekommen.

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Das subjektive Befinden kann schon ein relevanter medizinischer „Endpunkt“ einer Studie sein. Allerdings muss man den methodisch einwandfrei messen. Bei den meisten Krankheiten kommt es nach einiger Zeit auch ohne jede Behandlung zu einer Verbesserung. Wirksam ist eine Behandlung nur, wenn sie das Befinden schneller, stärker oder nachhaltiger… verbessert, als es sich sowieso gebessert hätte. Daher braucht es eine Vergleichsgruppe.

D.h.: wenn es jemandem nach h. Mitteln besser geht, ist es entweder die Placebowirkung oder nur eine falsche Zuschreibung der Ursache für die Verbesserung.

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Definitiv! Ich behaupte sogar, dass das auch heute schon und in unserem teiweise schwachen System Realität ist. Man wird ja durch eine Therapieablehnung nicht aus der Klinik oder Praxis verwiesen und Palliativmedizin ist sogar eine eigene Fachrichtung mit vielen guten Methoden und Ansätzen, die echt-medizinisch Menschen das Lebensende erleichtern können. Wenn die Situation aus ärztlicher Sicht eigentlich nicht palliativ ist, kann das sehr schwer auszuhalten und nicht schön sein, „legitim“ ist es allemal.

Diesem kombinierten Punkt würde ich halt schon die wissenschaftliche Methode entgegenhalten. Die soll ja diese von Natur aus schwache Ratio des Menschen auffangen und ausgleichen. Und es gibt natürlich leider trotzdem schlechte Ärzt:innen (und bestimmt auch gute Heilpraktiker:innen), ich bin dennoch überzeugt, dass das eine System dem anderen klar überlegen ist.

Glaube schon, ja. Mir ist auch klar, dass mein Standpunkt da nicht 100%ig konsistent ist. Im Prinzip wünsche ich mir ja, dass „alle“ auf dem „richtigen“ Weg die „richtige“ Entscheidung treffen. Das ist natürlich unmöglich und die Einschränkungen sind auch ok. Ein Großteil der Leute ist ja auch relativ vernünftig, wenn auch nicht rational. :stuck_out_tongue:

Danke ebenfalls!

@eratosthenes25
„Die meisten Krankenkassen bieten die Erstattung pseudomedizinischer Leistungen an. Nur vier Krankenkassen bieten die Erstattung homöopathischer Leistungen explizit nicht an oder erwähnen sie auf ihren Webseiten nicht (Stand Januar 2021).“

"90 der rund 130 Kassen"

„84 Kassen zahlen […] Von den größten vier Krankenkassen - Techniker Krankenkasse (TK), Barmer, DAK und AOK Bayern - übernehmen alle zumindest einen Teil der Kosten“

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Ich habe große Bauchschmerzen bei dieser Aussage, sie mixt zwei grundlegend unterschiedliche Konzepte. Demokratie gibt es nicht bei Fakten sondern bei Meinungen und Interpretationen. „Wir haben eine Krise, wir können folgendes darüber sicher sagen, die meisten Dinge sind allerdings unsicher. Was wollen wir tun?“ - Das ist der Bereich in dem es Politik und Demokratie geben sollte. Wir wollen keine Abstimmung darüber was die Fakten selbst angeht sondern möglichst gute Messungen und eine möglichst genaue Abschätzung der Unsicherheiten dieser Messungen. Diskussionen gibt es dann darüber ob diese Messungen akkurat die Wirklichkeit abbilden. Aber „alternative Fakten“ gibt es einfach nicht.

Tatsache ist dass nicht jeder Mensch dasselbe Wissen hat. Wenn Expertenmeinungen nichts zählen und die politische Debatte nicht beeinflussen können, ist Demokratie leider sehr anfällig für Populismus… Die Welt ist kompliziert und ohne Experten auf jedem Gebiet geht es nicht mehr. Guck dir ein Auto von or 25 Jahren und heute an - heute braucht man einen Experten. Für unsere heutige Welt und alle Vorteile die wir genießen müssen wir in Kauf nehmen nicht mehr alles selbst zu verstehen. Leider sind diejenigen mir dem wenigsten Verständnis meist diejenigen die ihr eigenes Wissen am meisten überschätzen (z.B. Dunning-Kruger-Effekt – Wikipedia).

Wenn das Argument allerdings sein soll dass Menschen der Wissenschaft hörig sind, so kann ich beruhigen. Das Gegenteil ist derzeit eher das Problem. Es gibt kein öffentliches Ansehen für Wissenschaftler (Test: Wie viele außer Christian Drosten kennen Sie mit Namen?), die Arbeit ist sehr schlecht bezahlt (Doktoranden erhalten nach 5 Jahren Studium beispielsweise 50% TVÖD E13 bis maximal Stufe 2 und 20 Urlaubstage bei durchschnittlich 55-70 Stunden pro Woche je nach Feld), es gibt kaum entfristete Stellen und am Ende wird man von diversen Lobbyorganisationen beschimpft, die aus irgendeinem eigenen Interesse die Forschung diskreditieren möchten und sich selbst als missverstandene aber nicht wissenschaftshörige Exerten verkaufen.

Wissenschaft ist in einer massiven Krise (z.B. What is science’s crisis really about? - ScienceDirect) und wird wohl kaum die Weltherrschaft an sich reißen. Das Gegenteil ist der Fall.

Ich glaube Ulf und Philip haben das neulich mal erwähnt - das Problem ist, dass es zwar verschiedene Meinungen in der Wissenschaft gibt und auch Randmeinungen geben darf, dass aber abhängig vom Feld einige Meinungen einfach mehr Gewicht haben als andere. Wenn ich in meinem Feld der biologischen Forschung zu einem Physiker gehe (oder auch nur zu einem Bakteriologen) und argumentiere dass deren Ideen Unfug sind, dann muss ich sehr, sehr überzeugende Argumente bringen um gehört zu werden, denn das ist nachweislich nicht mein Fachgebiet. Alternativ kann ich mich an Medien wenden die versuchen möglichst kontroverse Ideen zu hören die noch neu und spannend sind und übergehe damit die Experten, die später versuchen müssen meinen Quark zu korrigieren, dabei dann allerdings als lärmende Wichtigtuer hingestellt werden.

Letzteres ist in der Pandemie (und auch in allen anderen Lebenslagen) leider immer häufiger der Fall - die „wissenschaftliche Minderheit“ besteht meistens aus ehemaligen Angehörigen irgendwelcher Behörden oder Medizinern die eventuell noch nicht einmal ein Labor von Innen gesehen haben, es aber „besser wissen“ durch „gesunden Menschenverstand“. Das ist ein Problem, denn es kostet Kraft ständig gegen allen möglichen Quatsch zu argumentieren der im Internet verbreitet wird. Kurioserwese hält das die echten Spezialisten, deren Ausbildung wir alle mit Steuermitteln aufwändg finanziert haben von der Arbeit ab und am Ende heißt es dann „die Wissenschaft“ sei sich uneinig. Es ist ein Nullsummenspiel bei dem die echten Experten nur verlieren können.

Und das heißt nicht dass Wissenschaftler nicht falsch liegen können oder sich oft Ihrer Sache zu sicher sind. Das ist menschlich und tatsächlich auch ein Problem deshalb muss es auch in der Wissenschaft einen fairen Diskurs geben und wir haben zu einer guten Streitkultur noch einen weiten Weg zu gehen. Aber dass das zur Wissenschaftshörigkeit führen würde halte ich im derzeitigen Klima für hochgradig unwahrscheinlich… :slight_smile:

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Ich habe noch keine Krankenkasse gefunden, die die Kosten dafür nicht zumindest teilweise übernimmt. Oft gibt es nur den Hinweis, dass man die Ärzt*in fragen solle, ob das sinnvoll sei. Meist wird der Begriff „homöopathische Medizin“ oder „alternative Medizin“ genutzt und erwähnt dass es sich um ein „ganzheitliches“ und „sanftes“ Konzept handelt. Einen präzisen Hinweis darauf dass es keinerlei Effekte außer den Placeboeffekt gibt findet man dagegen selten. Raten Sie mal was Ärzt*innen mit homöopathischer Ausbildung Ihnen raten würden. Und ich glaube nicht einmal dass viele dieser Mediziner*innen das selbst als Betrug sehen, sondern selbst glauben dass diese Methoden „erwiesenermaßen“, „sanft“ und „ganzheitlich“ heilen. Das ist mein Problem und ehrlich gesagt sind die Websites der gesetzlichen versicherungen eine ganz gute Quelle, um die Problematik zu untermauern. Das sind Ressourcen, die man denke ich mit Fug und Recht als glaubwürdige Quelle bezeichnen dürfte:

Und deshalb sehe ich eigentlich auch nicht, dass für Laien derzeit eine wirklich informierte Entscheidung möglich ist (das wäre meine Antwort auf das Szenario hier unten):

Es ist sicher legitim eine Entscheidung zu haben. Die Information muss aber absolut deutlich sein. Kein Effekt außer dem Placeboeffekt. Basierend auf religiösen Vorstellungen wie dem Ähnlichkeitsprinzip ohne wissenschaftliche Grundlage. Und wenn Sie auf Medizin verzichten möchten und es Ihnen ausreicht Ihre Psyche etwas auszutricksen und sich damit etwas besser zu fühlen, dann tun Sie das gern. Damit hätte ich kein Problem (auch wenn ich garantiert irgendwas vergessen habe).

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Noch ein kleiner Nachtrag - scheinbar weiß das Gesundheitsministerium gar nicht wirklich welche Kosten die Homöopathie verursacht.

Das Argument Homöopathie sei eine günstigere Alternative für Alltagsleiden kam relativ früh in dieser Diskussion:

Das klang irgendwie plausibel und das habe ich ehrlich gesagt auch erstmal nicht hinterfragt. Ich habe mich aber gerade mal kurz damit auseinander gesetzt und scheinbar gibt es diese Studie (und wahrscheinlich auch andere) tatsächlich - und zwar deutlich größer als mit nur 1000 Personen.

Laut dieser wissenschaftlichen Langzeitstudie verursachen homöopathisch behandelte Patienten dem Gesundheitssystem deutlich höhere Kosten pro Patient verglichen mit einer echten medizinischer Behandlung… Das empfinde ich ehrlich gesagt als eine recht solide Argumentation gegen die These, dass Homöopathie eine günstige Lösung sei und Kassen das tragen sollten.

Kassen sind übrigens scheinbar auch alle Gegner der Homöopathie, scheinen es aber als Werbung zu benötigen um neue Versicherte zu werben. Das ist wirklich mal eine perfide Begründung für eine gesetzliche Krankenversicherung…

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Vielen Dank für deine Recherche, das geht schon in die Richtung!

33 Monate nenne ich jedoch noch keine Langzeitstudie.

Und es wurden in der Studie lediglich kranke Menschen verglichen, und das hier eine Behandlung im Schnitt teurer ist, weil Leute Quarkwickel wollen und sicherlich auch ausführlicher mit dem Arzt reden möchten (wie oben angedeutet) sind Mehrkosten von 10% druchaus glaubwürdig.

Was ich aber meinte ist eine Langzeitstudie über das ganze Leben!
Das Argument von Homöopathen ist ja „Lieber eine Krankheit holistisch auskurrieren, ohne Chemie, und dafür ein paar Wochen länger im Bett, also mit Antibiotika und Schmerzmittel mein Imunsystem schwächen“. Sprich: Sie erhoffen sich durch den Verzicht auf Antibiotika und andere „harte“ Mittel langfristig ein gesünderes Leben. Das geht oft einher mit einer Gesunden Ernährung (Demeter, gefiltertes Wasser) und evtl. sogar Stressfreieren Lebenführung, weil man vielleicht sogar Meditiert etc.
Das wären jetzt meine Ausgangsthesen für eine Studie.

Aus Krankenkassenperspektive ist ja interessant, wie viel Kosten ein Kunde verursacht in seiner gesamten Lebenszeit verglichen dazu, wie viel er einzahlt. Und da kann man gut einmal richtig Krank sein und den Rest der Zeit kern gesund, als ständig irgendwelche Kurzinterventionenn zu brauchen.

Hast du diesbezüglich auch noch Lange-Langzeitstudien bspw. über 90 Jahre, oder gleich mit Krankenkassenstatistiken?
(Man könnte ja einfach alle Kunden einer Krankenkasse, die mindestens einmal was homöopathisches gekauft haben mit denen vergleichen, die nur konventionelle Therapien gemacht haben)

Ich antworte einmal auf drei Posts zusammen.
@sereksim , @Kenny : Vielen Dank für die Info. Ich wusste nicht, dass so viele Kassen tatsächlich Leistungen erstatten. Das halte ich auch für unhaltbar.

Ja, der Gedanke kam mir auch als allererstes. Das passt in das System, dass wir Kassen haben, die im wesentlichen dieselben Leistungen anbieten und sich nur marginal unterscheiden können (Zusatzbeitrag, kleinere Zusatzleistungen). Es wird nicht überraschen, dass ich ein Fan einer großen gesetzlichen Krankenkasse wäre. Die Einsparungen wären immens, und dann könnte jeder Bürger Zusatzleistungen buchen, wenn er denn will. Ich habe einige Zeit in Dänemark gelebt und gearbeitet, und da hat mich das System positiv beeindruckt. Alle sind solidarisch versichert, während gleichzeitig Zusatzelemente freiwillig möglich sind. Aber in Deutschland wird das sicher nicht gehen, weil (Begründung hier einfügen)…

Dass Demokratie anfällig für Populismus ist, ist Teil des Konzeptes von Demokratie, nicht wahr? Gegen Populismus an sich ist auch nichts einzuwenden - im Sinne einer nach Volksstimmungen gerichteteten Themenwahl und Rhetorik. Das muss eine Demokratie aushalten können.
Die Grundidee ist ja „one person m/w/d - one vote“ - völlig unabhängig von Bildung oder Hintergrund. Die Stimme des Experten ist genauso viel wert wie die des bildungsfernsten Bürgers. Das kann man gut finden oder nicht, aber es ist eben Teil des Konzeptes.
Wenn wir das ändern wollen, weil die Welt eben komplizierter/komplexer geworden ist, müssen wir das offen sagen. Implizit höre ich diese Tendenz auch bei einigen raus, aber das traut sie sich dann nicht offen auszudrücken. Vielleicht nicht bei dir, aber ich habe bei manchen den Verdacht, dass sie eine Expertenkommission vor der Demokratie bevorzugen würden mit den von dir genannten Begründungen. :slight_smile:

Nein, aber unterschiedliche Schlussfolgerungen über die Fakten, die gleich legitim sein können. Beispiel Corona: Ich kann Verbreitungen und Inzidenzwerte akzeptieren, weil ich die wirtschaftlichen Kosten mit den entsprechenden Folgekosten gegenrechne. Das sind dann zwei Faktenlagen, vereinfacht gesagt. Eine Maßnahme führt zu A mit entsprechenden Folgekosten bei B. Ich habe zwei Experten unterschiedlichen Feldes, also etwa Drosten und einen Wirtschaftswissenschaftler.
Nun wäre es redlich, diese jeweiligen Fakten aufzuzählen und die Handlungsoptionen darzustellen. Das ist aber kaum passiert.#
Böse gesprochen, die NoCovids haben Expertenmeinung B kaum wahrgenommen oder implizit moralisch herunterpriorisiert und Faktum A höher bewertet mit dem Argument „jeder Tote ist zu viel“. Andere, die Faktum B betont hatten (also die wirtschaftlichen Folgen), wurden dann als „unwissenschaftlich“ gemarkert, weil sie die Fakten A nicht verstanden hätten.
So funktioniert Demokratie natürlich nicht. „Alternative Fakten“ als Wort sind Nonsens, aber ich kann sehr wohl im Rahmen des Grundgesetzes andere Schlussfolgerungen aus den Faktenlagen ziehen, insbesondere, wenn ich noch andere Variablen hinzuziehe. Und es gehört zum Diskurs, das zu akzeptieren. Nur geht genau das verloren, und das spüren auch die „Bildungsfernen“.

Wohl wahr. leider. Das ist ja auch ein Grund, dass viele fähige Wissenschaftler Deutschland verlassen. Ich halte das für extrem bedenklich, es passiert aber nichts. Ach ja, Bildung ist ja Ländersache… (sorry, anderer Thread).

Insgesamt meine ich nicht die Wissenschaft, sondern die Nutzung der Wissenschaft im öffentlichen Diskurs. Diese ist sehr selektiv. Beispiel: Herr Drosten ist zum Superstar der Virologenszene aufgestiegen, was ich mit Skepsis sehe. Wissenschaftler sollten im Hintergrund bleiben, meiner Meinung nach. Wenn sie zu öffentlichen Akteuren werden, vermischen sich Dinge und sie verlieren das, was sie ausmacht - Neutralität.
Aber gut. Jetzt gibt es einige, die hier mit Eifer „die Wissenschaft“ anführen zu den MAßnahmen, vergessend, dass Maßnahmen im öffentlichen Raum der Kybernetik unterliegen. Anders gesagt, jede Lockdownmaßnahme müsste wissenschaftlich auch nach psychologischen, soziologischen und makrowirtschaftlichen wissenschaftlichen Kriterien bewertet und kontinuierlich geprüft werden. Da sind wir bei Komplexität. Das passiert aber nicht oder aus meiner Sicht sehr unzureichend bei Laienvertretern in der Diskussion, die die „Wissenschaft“ ins Feld führen.

Zugespitzt gesagt: Der Fokus auf Experten kann auch ein gutes Herrschaftsinstrument sein, um Handeln als alternativlos darzustellen.

All das führt jetzt weit vom ursprünglichen Thread weg, aber ich finde die Diskussion spannend. Vielen Dank dafür. Besonderen Dank für den Link zu ScienceDirect, sehr interessant.

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Ich denke, der springende Punkt ist der Unterschied zwischen dem wissenschaftlichen Diskurs und der (politischen/medialen) Diskussion unter Laien. In der wissenschaftlichen Diskussion ist klar, dass es für viele Dinge (noch) keine unumstößlichen Beweise gibt und der Stand der Forschung immer im Wandel ist. Im Idealfall ist dabei auch allen bewusst, was die inhaltlichen Basics sind und wie man darauf basierend zu unterschiedlichen, sich vielleicht auch widersprechenden Interpretationen kommen kann, ohne den wissenschaftlich begründbaren Rahmen zu verlassen.
In der allgemeinen Diskussion kann dieses Wissen nicht vorausgesetzt werden. Die Inhalte werden zwangsläufig verkürzt und vereinfacht und man befindet sich immer im Spagat zwischen einem falschen Gleichgewicht verschiedener, nicht gleichwertiger Interpretationen und dem Ignorieren von abweichenden Meinungen. Beides ist falsch, aber es ist schwierig dort einen Mittelweg zu finden.

Insbesondere erleben wir aber auch mit dem Klimawandel eine gewisse Ausnahme davon. Dessen Existenz ist, trotz der immer wieder laut werdenden (pseudowissenschaftlichen) Kritik, unangezweifelt. Es gibt einen Konsens in der gesamten Wissenschaft. In diesem Fall kann man also Gegenargumente mehr oder weniger pauschal mit dem Verweis auf die Wissenschaft abschmettern.
Diese Eindeutigkeit ist aber nicht die Regel. Die meisten wissenschaftlichen Themen an denen aktuell geforscht wird, sind eben nicht ganz so eindeutig. Wären sie eindeutig, müssten sie ja nicht noch weiter erforscht werden.

Nochmal: natürlich kannst du das so vergleichen. Die Frage ist ja nur, ob die nicht genauso gesund und munter gewesen wären ohne ihre Kügelchen - und noch billiger.

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Gesunde Menschen in einer Studie über die Wirksamkeit von Medikamenten zu testen, ist ja auch nicht Sinn der Sache. Die Frage ist ja, ob eine kranke Person am Ende mit oder ohne Homöopathie günstiger/gesünder ist/wird.

Um diese Argumentation zu entkräften braucht es keine 90-Jahre-Langzeitstudie:

  1. „ohne Chemie“ ist eine sinnfreie Aussage. Alles ist Chemie, Globuli genauso wie Wasser genauso wie Antibiotika. Medikamente basieren außerdem in der Regel auf in der Natur vorkommenden Stoffen.
  2. Bei einer akuten bakteriellen Infektion, gegen die ein Antibiotikum existiert, gibt es absolut keinen Grund zur Annahme, die Antibiotika würden einem „langfristig gesünderem Leben“ mehr im Wege stehen, als die Infektion selbst. Genauso Schmerzmittel, die richtig angewendet fast nur Vorteile haben. Bei chronischen Krankheiten ist die Sache etwas schwieriger, aber dann helfen Globuli noch weniger.
  3. Im Gegenteil: Behandelbare Krankheiten nicht zu behandeln, weil man sie lieber „holistisch auskurieren“ will, was auch immer das sein soll, widerspricht jeder Logik. Im schlimmsten Fall verschleppt man eine Krankheit und/oder entwickelt chronische Beschwerden.
  4. Der Verzicht auf Antibiotika und andere Medikamente hat nicht automatisch ein gesünderes Leben zur Folge. Antibiotika wirken für die Dauer der Einnahme und nicht für den Rest des Lebens.
  5. Demeter ist eine (anthroposophisch-pseudowissenschaftliche) Marke und hat als solches erstmal nichts mit gesunder Ernährung zu tun. Ich kann mich auch mit Demeter und Alnatura ungesund ernähren.
  6. Es gibt in Deutschland, wenn man keine mangelhaften Wasserleitungen hat, absolut keinen Grund sein Wasser zu filtern. Leitungswasser unterliegt in Deutschland noch strengeren Kriterien als Mineralwasser. Das einzige, was man eventuell rausfiltern kann, ist Kalk. Dafür hat man das hohe Risiko, sich in dem Wasserfilter Pilze und Bakterien heranzuzüchten.
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Nein, genau das wäre zu kurz gegriffen. Damit wäre es ja optimal, möglichst oft geringfügig krank zu sein. Genau der Vergleich über die Lebenszeit ist spannend.

Zusätzlich kann man das noch mit denen vergleichen, die weder Homöopathie noch klassische Medikamente gekauft haben, falls es davon eine nennenswerte Anzahl an gibt, das wäre natürlich das günstigste.

Ich meinte damit ohne wirksame Chemie. Besonders solche, die keine einzige Nebenwirkung haben, selbst bei falscher Anwendung.

Demeter ist die Marke mit den höchsten Umweltstandards und absolutem Verbot jeglicher nicht natürlicher Zusatzstoffe. Nur ein Beispiel wäre da Glyphosat, was Jahrzehnte von fast allen gegessen wurde, und erst jetzt als „Warscheinlich Krebserregend“ gilt. Wer aber nicht Bio kauft, isst es dank Julia Glöckler und ihrer CDU munter weiter. Natürlich wird das eine Auswirkung auf die Gesundheit haben, wenn auch nur eine kleine.

Und dies ist einfach ein Beispiel, warum es eine gewisse Wissenschaftsfeindlichkeit gibt bei manchen leuten. Wissenschaft braucht manchmal einfach etwas länger, um Auswirkungen zu beweisen. Das ist mein Grund für die Annahme, dass gewisse Antibiotika, Schmerzmittel etc. auch noch unendeckte Nebenwirkungen haben könnten. (Zu deinem 2. Argument)

Ich wollte damit aber eher auf die psychologische Ebene abzielen, und hier nochmal betonen, dass ich hier nichts genaues drüber weiß, wie vermutlich die meisten Menschen.

Bitte Bioland oder Naturland. Demeter ist Esoterik und verwendet auch Homöopathie für Tiere und Ackerbau. Sehr überzeugend ist da z. B. die Herstellung von Hornmist. Da wird ein Kuhhorn mit Mist gefüllt, im Herbst verbuddelt und dann im Frühjahr mit Energie aufgeladen wieder ausgebudellt. Das wird dann in kleinsten Konzentrationen zum Düngen verwendet.

„Im Falle von Tierkrankheiten werden vorzugsweise biologische, anthroposophische, homöopathische und andere Naturheilverfahren angewendet.“

Sorry, hatte nichts mit der aktuellen Diskussion zu tun, aber ich halte den Hinweis darauf doch wichtig, dass die H. noch an anderen Stellen, die nicht offensichtlich sind, versteckt enthalten ist.

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Ich persönlich sehe den Gebrauch des Beriffs „Chemie“ in solchen Zusammenhängen sehr kritisch. Ich halte ihn für populistisch und anti-wissenschaftlich. Chemie ist eine Wissenschaft. Das ist so ziemlich alles wo Moleküle/Atome reagieren. Das passiert z. B. in jedem menschlichen Körper andauernd. Man könnte diesen auch als chemischen Reaktor bezeichnen. Futter oben rein => chemische Reaktionen => Produkte verwerten und Reste unten raus. Du bist also auch Chemie, eine ganze Menge sogar.

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Wenn das passiert darf es auch Populismus geben und man darf darüber streiten. Sehr gerne! Aber wenn die Fakten selbst verzerrt werden wird es problematisch. Leider verstehen viele Wirtschaftswissenschaftler die Argumente der Epidemiologen ebensowenig wie die im Gegenzug von Wirtschaftswissenschaften verstehen.

So einen Austausch hat es ja leider nicht wirklich gegeben. Interessanterweise geht es bei Zero Covid nicht darum jedes Leben zu schützen. Lustigerweise wurde dies verbreitet um zero Covid zu diskreditieren und scheint ganz gut zu funktionieren. Zu den Autoren gehören mehrere Wirtschaftswissenschaftler*innen. Es ist sicher unpopulär so etwas zu sagen, aber wenn man mal nach China guckt, einem Staat der sicherlich das Leben der Arbeiter*innen über alles stellt und nicht auf Wirtschaftleistung setzt, dann sieht man wie eine zero covid Strategie zu dem vollständigen Wirtschaftlichen Ruin führen muss, den einige Kritiker*innen hier prophezeihen.

Die Diskussion darüber was uns gesellschaftlich lieber ist - ein langer, quälender Lockdown der diverse Wirtschaftszweige und die Psyche ausblutet bis niemand mehr kann oder ein kurzer echter Lockdown der ein kalkulierbares Ende mit einer anschließenden dauerhaften Lockerung aller Bereiche der Wirtschaft und Gesellschaft hat, hat es in den meisten Medien nie gegeben. Stattdessen redet man von zero covid vs Wirtschaft. Das ist zugegeben einfacher, hilft aber nicht wirklich weiter.

Das sehe ich anders, Wissenschaft ist und war immer menschlich und ist und war deshalb auch niemals neutral (auch wenn alle Wissenschaftfler das gern wären). Und warum sollten die Menschen, die sich wirklich mit der Materie auskennen auf gut Deutsch die Fresse halten, während Politiker*innen auf der anderen Seite jeden Quatsch behaupten können der Ihnen gerade in den Kram passt um zu verhindern, dass Bürger*innen eine Faktenbasierte Meinung bilden können?

Gerade heute, da Journalisten Ihre Aufgaben oft kaum noch wahrnehmen können und wir in ungefilterten Lügen und Falschinformationen ertrinken, brauchen wir mehr Wissenschaftler, die anfangen Ihre Ergebnisse für Bürger*innen aufzuarbeiten die nicht Experten auf diesem Forschungsfeld sind.

Seit etwa einem Jahr beschäftige ich mich mit wissenschaftlichen Fehlinformationen die kursieren und die für die meisten Menschen zum normalen Wissen gehören. Seitdem habe ich gefühlt die Hälfte meines Wissens komplett überdenken müssen. Hier mal eine kleine Liste für den Anfang - und das ist wirklich nur ein winziger Ausschnitt des Problems: List of common misconceptions - Wikipedia

Schön gesagt. Ist es nicht das Wesen der Demokratie, dass Experten unterschiedlicher Felder eben nicht UNTEREINANDER sprechen sollen, sondern jeweils beratend tätig sind und am Ende der Souverän, nämlich das Volk oder als dessen Repräsentant das Parlament, eine letztliche Entscheidung trifft, unter Güterabwägung?
Das ist ja mein Punkt: Wenn wir nur noch über Expertenmeinungen sprechen, dann steht dahinter ein elitäres Denken und wir können gleich die Herrschaft der Experten ausrufen.
Es gehört zum Wesen der Demokratie seit Bestehen, dass Fakten verzerrt werden oder zugespitzt werden. Das war schon im antiken Griechenland der Fall (Sophisten).

Ich verstehe die Angst vor „Populismus“ nicht. Strauß und Wehner waren im besten Sinne des Wortes populistisch. Wir haben im Gegenteil in den letzten 16 Jahren zu wenig Populismus, sondern eine Angst vor Dissens und Streit entwickelt in Alternativlosigkeit. Die englischen Parlamentsdebatten sind voller „Populismus“ und Zuspitzung. Das ist doch das Wesen einer öffentlichen Debatte - sie ist eben nicht ein gepflegter Bücherkreis. Und sie wird es auch nie sein. Zuspitzung und Populismus MUSS eine Demokratie aushalten können, sonst ist sie ohnehin nicht lebensfähig.

Ja, das ist sicher so. Zero Covid halte ich nach wie vor, unabhängig von den Zielen, für unrealistisch für ein Land in der Mitte Europas. Jetzt ist es ohnehin zu spät dafür. Niemand wird es nach den wirtschaftlichen Schäden mehr mittragen, die Compliance ist vorbei.

Halte ich für gefährlich. Wenn ich in der Öffentlichkeit bin, werde ich zu einer öffentlichen und zunehmend auch einer politischen Figur. Drosten hat zum Beispiel aus meiner Sicht die Grenze überschritten und Politik gemacht. Er ist - ob gewollt oder nicht - zu einer politischen Figur geworden. Erschreckenderweise für manche zu einem Lionel Messi der Wissenschaft. Zumindest hatte ich den EIndruck, dass manche ihn so gesehen haben, wenn Kritik an ihm als Majestätsbeleidigung aufgefasst haben. Das hatte dann meiner Meinung nach den Boden der Wissenschaft bei den Anhängern schon verlassen. Ich bin sicher, dass Herr Drosten das nicht so beabsichtigt hat.

Ein Politiker sollte immer Güterabwägungen treffen, zwischen zwei oder mehr Gütern oder Aspekten. Das dabei genug Unsinn herauskommt, klar.
Wir haben in Deutschland, glaube ich, eher das Problem, dass sich niemand ernsthaft verantwortlich in unserem System…

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Eben das sehe ich etwas anders, aber ich finde die Diskussion schön. Wissenschaft war immer massiv politisch. Man sieht das gut daran, dass immer das gefördert wird, was gerade politisch gewollt ist. Das sieht auch das Wissenschaftsjournal „nature“ so, das ebenfalls starke Kritik einstecken musste, nachdem sich Wissenschaftsjournalisten zu politischen Themen geäußert haben. Daraufhin haben sie einen dreiteiligen Podcast mit dem Titel „Stick to the science“ produziert, der das ganze komplexe Thema Wissenschaft vs. Politik besser zusammenfasst als ich das je könnte: ‘Stick to the science’: when science gets political

Und noch ein anderer Punkt macht mich ein bisschen ratlos - wann hat denn irgendwann mal jemand auf Drosten oder andere Wissenschaftler gehört? Sagen die Damen und Herren aus der Wissenschaft nicht letztendlich fast immer das Gegenteil zu dem was am Ende getan wird? Ich finde die Argumente der Wissenschaftler vor allem deshalb nervig weil sich am Ende meist herausstellt wir wären besser dran gewesen wenn wir mal nicht nur zugehört hätten, sondern auch mal etwas umsetzen würden… Ich sehe da bei Drosten keine wirkliche politische Macht um ehrlich zu sein. (er war beispielsweise gegen eine bundesweite Schließung der Schulen im Frühjahr 2020, für einen kurzen und harten Lockdown im Oktober und Co-Autor der Zero Covid Strategie). Ich sehe da die Gefahr einer

nicht so ganz.

Auch wenn mir bewusst ist, dass eine Meritokratie mindestens ebenso viele Probleme schafft, wie sie löst finde ich es angemessen, bei einer globalen Krise wie einer Pandemie oder dem Klimawandel mal eine Ausnahme zu machen und tatsächlich sinnvolle statt populistische Maßnahmen zu treffen unter Berücksichtigung von Experten. Am Ende gehen Populist*innen auch gern mal wieder ins Kino oder möchten normal ihrer Arbeit nachgehen… Meinen Sie nicht?

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Danke, den habe ich mir mal direkt als Bookmark gesetzt!

Ja, das stimmt. Bei wissenschaftlichen Untersuchungen, die nicht in den Kram passen (Reform des Föderalismus, Lobbyrecht) wird da gerne weggeschaut.
Interessant wird es dann, wenn Wissenschaftler in eine aufgeheizte Situation hineingezogen werden, siehe Fauci in den USA. Aus diesem Diskurs kommt ein Wissenschaftler niemals wieder sauber heraus, glaube ich.
Das ist ein komplexes Thema, und ich widerspreche dir gar nicht so sehr wie sich das vielleicht anhört. Ich finde, die Diskussion ist auf einem hohen Niveau, sprengt aber jetzt den Rahmen einer Forumsdiskussion. Ich kann mir vorstellen, dass sich vielleicht mal eine Zoom-Gruppe bildet aus diesem Kreis hier. Das würde doch spannende Gespräche ergeben?

Über das Versagen der politischen Eliten hat ja schon Sascha Lobo diese Woche alles gesagt, was ich dazu sagen möchte. Und ja, die Krisenreaktion war von vorne bis hinten, unabhängig von der Rolle der Wissenschaftler, unterirdisch. Den Untersuchungsausschuss, den Sascha mit den Fragen vorschlägt, finde ich zu deinen Worten gelungen:

Gute Frage. Habe ich keine gute Antwort drauf. Letztlich heißt es, dass es autoritäre Strukturen brauchen wird, wie nett wir sie immer verpacken wollen - wissenschaftliche Meritokratie oder eine „Diktatur“ nach römischer Verfassung. Beides keine schönen Aussichten.

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Das finde ich zu pessimistisch. Die Politik hatte lange die überwiegende Zustimmung der Bevölkerung auch für harte Maßnahmen. Manche haben sich auch härtere gewünscht. Wenn die Maßnahmen nachvollziehbar begründet und wirksam gewesen wären, hätte die Politik die Pandemie ohne Autoritarismus in den Griff kriegen können.

Leider fehlte es entweder an kognitiven Fähigkeiten oder an der Konsequenz. „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!“ funktioniert halt nicht.

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