Ambulante Pflege

In der aktuellen Ausgabe wird von dem Pflegedienst auf Hideensee berichtet. Mit dem Hinweis der zuständigen Dame, dass dieses Angebot vermutlich zukünftig nicht mehr refinanzierbar wäre.
Die Diskussion kann nicht geführt werden, ohne die Kosten der Einrichtung zu kennen. Ich bin selbst freiberuflich tätig in der Jugend- bzw Eingliederungshilfe und von Träger zu Träger ist auch hier die Kostenstruktur höchst unterschiedlich. Daraus begründet sich im Einzelfall nicht der Bedarf nach höheren Sätzen, sondern vielleicht auch die Überprüfung der Kosten in der eigenen Einrichtung. Diese Thematik wird in „sozialen Unternehmen“ in der Regel total vernachlässigt und hätte mMn riesiges Einsparpotential.

Ich denke, hier macht es tatsächlich Sinn, mal die Entwicklung der Insolvenzanträge nach Branchen zu konsultieren. Wenn der Zustand in der Pflege so schlecht ist, müsste ja ein Anstieg der Insolvenzanträge zu beobachten sein.

Die ersten Daten, die ich dazu finden konnte, waren diese hier. Die Daten von 2021 und 2020 habe ich auf die Schnelle auf der Seite nicht finden können, wären als Vergleich aber natürlich interessant.

Hat jemand eine bessere Datenquelle?

Das ist eine interessante Information, wobei es mir vorrangig um ambulante Hilfen ging und die von mir vermutete häufig fehlende Kompetenz, den overhead kosteneffizient zu gestalten. Dazu wäre die reine Angabe der Insolvenzen auch nicht zu 100% aussagefähig, weil man die jeweilige Kostenstruktur nicht kennt.
Soll heißen, das evtl viele Dienste mit entsprechender Beratung überlebensfähig geblieben wären.
Ich kann nur für den SozPäd-Studiengang sprechen, aber schon im Studium fehlt völlig das Grundlagenwissen zu etwaiger Selbständigkeit und wenn sich mal einer in die Selbständigkeit verirrt scheitern viele einfach daran, dass sie von Unternehmensführung leider keine Ahnung haben.
Die Reaktion darauf kann ja nicht sein, immer mehr Geld in das System zu geben.

Ich bin selbst Diplom-Sozialarbeiter / Diplom-Sozialpädagoge, daher kann ich bestätigen, dass im Studium das Thema Selbständigkeit (zumindest in den 2000ern) nicht angesprochen wird. Ich denke aber, das gilt für alle Studiengänge ohne expliziten BWL-Bezug. Ich bin zudem noch Bilanzbuchhalter, daher bin ich eher die Ausnahme von der Regel ^^

Wer sich selbständig machen möchte muss daher natürlich entweder Beratungsdienstleistungen (z.B. studentische Unternehmensberatungen an vielen Hochschulen) annehmen oder sich das nötige Wissen selbst raufschaffen - so ist das leider. Das gilt auch für z.B. Ingenieure, die sich selbständig machen wollen, wenn überhaupt, gibt’s im Studium nur die absoluten Basics, mit Glück ein Wahlpflichtfach. Warum sollte man diese Informationen auch an alle Abgänger vermitteln, wenn nur ein Bruchteil sie jemals brauchen wird?

Hier gebe ich dir natürlich Recht, die Tatsache, dass Pflegedienst-Unternehmer oft wenig betriebswirtschaftliche Kenntnisse haben und deshalb viele Pleiten durch Misswirtschaft entstehen, ist denke ich in der Tat ein Problem. Wobei auch das für viele, viele andere Bereiche gilt.

Die Kritik der Pflegedienste ist, dass die Kosten durch Mindestlöhne und Inflation massiv gestiegen sind, die Pflegepauschalen der jeweiligen Pflegestufen hingegen nicht entsprechend angepasst wurden. Ob das wirklich so ist, kann ich nicht beurteilen, würde mich aber nicht wundern (hat hier jemand Statistiken über die Entwicklung der einzelnen Pflegepauschalen die letzten 3 Jahre?)

Nun kann man natürlich argumentieren „Wenn die Pflegedienste effizienter wirtschaften würden, würde es trotzdem noch passen“, aber auch wenn das stimmen mag, ist es dennoch ein fragwürdiges Argument. Man sagt ja auch dem Arbeitnehmer nicht in Lohnverhandlungen „Wenn du effizienter agieren würdest, würdest du auch trotz 10% Inflation noch mit deinem Geld auskommen“. Eine entsprechend der Inflations- und Lohnentwicklung angepasste Höhe der Pflegepauschalen ist denke ich in jedem Fall notwendig.

Ich hoffe wirklich, dass kein Pflegedienst seine Mitarbeitenden mit dem Mindestlohn abspeist und gönne jedem seine Gehaltserhöhung. Ich zahle deutlich mehr Geld an meine Mitarbeitenden als alle vergleichbaren Anbieter in der Umgebung. Und zB im Vergleich bekommt die örtliche Lebenshilfe hier für die gleiche Dienstleistung pro Stunde! 20 EUR mehr, obwohl sie die Mitarbeitenden schlechter bezahlt, weil der overhead so hoch kalkuliert ist, dass der öffentliche Träger einen höheren Stundensatz bewilligt. Aber das wäre ein anderes lohnenswertes Thema, das im öffentlichen Diskurs gar keine Rolle spielt.

Die fehlende Wissensvermittlung im Studium hat aber auch hier zB was damit zu tun, dass Menschen mit dieser Ausbildung im Jugend- oder Sozialamt dann entscheiden, ob Kalkulationen realistisch sind oder nicht und es nicht können weil sie keine Ahnung von betriebswirtschaftlichen Grundlagen haben. Auch das ist ja sehr bedenklich.

Und zum Vergleich bzgl Arbeitnehmer möchte ich noch ergänzen, dass das genau mein Punkt ist. Wenn zwei Mitarbeiter jeweils 4500 Eur bekommen und einer davon 2 Autos und 3 Wohnungen finanzieren will, kann er ja nicht mehr Gehalt verlangen. Sonst wäre ja der finanzielle Anreiz, die individuellen Kosten zu erhöhen. Genau das ist mein Kritiktpunkt

Nun der Pflegedienst ist ja erst mal ein privater Arbeitgeber und hat möglicherweise schon Rationalisierungsmöglichkeiten. Wenn man das nicht möchte, dann muss man die Dienste verstaatlichen. Ist ja im Prinzip ähnlich wie bei den Kliniken. Beides sind Vorsorgeaufgaben des Staates. Da gibt es erstmal keinen Grund private zu alimentieren.