Alternative zu Wehrdienst

Hi,
ich habe mit großem Interesse euren Beitrag über die deutsche Gerichtsbarkeit gehört. Ich finde es gut, wenn man so ein wenig mehr über die Funktionsweise unseres Staates und seiner Institutionen lernt.
Zeitgleich kommt die Forderung nach der Wiedereinführung einer Wehrpflicht aus der Politik und ich denke, dass es vielleicht sinnvoll wäre beides zu kombinieren.
Ich selber habe Zivildienst geleistet und mit vollster Überzeugung verweigert, da ich zutiefst pazifistisch eingestellt war. Das bin ich zwar immer noch, dennoch habe ich mittlerweile auch Respekt vor der Bundeswehr und ihrer Leistung für die unsere Gesellschaft. Auch wenn ich selbstverständlich nicht jeden Einsatz befürworte und vor allem die extremistischen Erscheinungen ablehne.

Mir kommt es so vor, als würden immer mehr Menschen unsere Institutionen als selbstverständlich hinnehmen, ohne sie zu respektieren. Sicherlich auch aus Unkenntnis, wobei ich mich selber gar nicht ausnehmen will. Daher folgende Idee:

Wenn es statt der alten Wehrpflicht eine Art verpflichtendes Staatskunde-Praktikum gäbe, wo alle junge Menschen unabhängig von Geschlecht oder Herkunft eine Zeit in einer Institution hospitieren müssten. Das kann die Bundeswehr sein, aber auch Gerichte oder sogar Einrichtungen wie Zeitungsverlage oder die Tafeln. Alles Organisationen und Institutionen, die eine gesellschaftliche Aufgabe verrichten.
Ziel ist dabei weniger das Übernehmen von Aufgaben, als das Kennenlernen und Verstehen.
Idealerweise würden nach Ablauf der Zeit auch Interviews geführt, mit denen Erkenntnisse über die Beschaffenheit der besuchten Institutionen gewonnen werden können. Öffentlich und transparent.

Was haltet ihr von so einer Idee? Könnte damit die Identifikation mit der Gesellschaft und ihrer Institutionen gestärkt werden? Könnten gesammelte Erkenntnisse zur Verbesserung dieser führen?

Gruss+Dank
Christian

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Ich musste weder Wehrdienst noch Zivildienst leisten - falsches Geschlecht und zu jung. Für mein Studium musste ich aber 3 Monate im Krankenhaus in der Pflege arbeiten. Ich finde eine ähnliche Erfahrung sollte jeder haben - auch so wenig Zeit hatte einen starken Einfluss auf meine persönliche Entwicklung, es stärkt Empathie und normalisiert dem Umgang mit Kranken und Sterbenden. Außerdem sieht man den Stress der Pflegenden - der professionellen und privaten. Ich finde das ein verpflichtender Zivildienst sicher viele Vorteile hätte und wäre als Thema daran interessiert.

Die Idee finde ich gut. Wenn man es weiter denkt, könnte man drei oder vier Gruppen von Institutionen/Berufen bilden und jeder sollte sich dann jeweils 3 oder 4 Monate in einem Beruf aus jeder Gruppe was aussuchen müssen. Also z.B. Bundeswehr, Polizei, Feuerwehr, Gefängnisse, Gerichte in einer Gruppe, Krankenhäuser, Pflegeheime etc. in einer anderen usw.

Ich muss leider sagen, dass ein solcher Zwangsdienst nicht nur total illiberal ist und trotz vorhandener Alternativen die Freiheit des Einzelnen aus einer Volkserziehungs-Ideologie heraus ungerechtfertigt einschränkt. Darüber hinaus ist es einfach ein total ineffizienter Einsatz von Menschen, sie vor einer qualifizierten Ausbildung zu Hilfsjobs heranzuziehen, als hätten wir keinen Fachkräftemangel, und damit gleichzeitig das Lohnniveau in sozialen Berufen niedrig zu halten.
Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht!

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Ich bin Kinderkrankenpflegerin und Gewerkschafterin und gegen beides, einen Militärdienst (Heimatdienst, Wehrdienst, you name it) aber auch gegen einen verpflichtenden Zivil-/Krankenhausdienst.

Wenn ich mir diesen „Heimatdienst“ von AKK anschaue wird mir erstmal schlecht, wenn ich sehe wie viel Geld die Leute bekommen, während Bundesfreiwilligendienstleistende in Krankenhäusern einen Vollzeitjob machen und dabei ein Drittel dessen erhalten. Genau diese Personen werden in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser auf eine Art und Weise ausgenutzt, die leider kaum thematisiert wird. De facto arbeiten sie in vielen Bereichen aufgrund des Personalmangels fast schon wie voll ausgebildete Pflegekräfte mit einigen Abstrichen in der Behandlungspflege. Teilweise wird (ohne Zuschläge etc.) sogar komplett in Schichten und mit Wochenenddiensten gearbeitet oder die BufDis als Springer zum Ausgleich von Dienstplanlücken eingesetzt. Wenn es eine Pflicht für einen solchen Dienst gäbe, dann würde sich das keinesfalls verbessern und noch viel eher weiter über den strukturellen Rückstand in unserem kranken Gesundheitssystem hinweg täuschen.

In Fragen eines Wehr-/Militärdienstes ist vielfach belegt worden, dass es keinen quantitativen Zusammenhang zwischen Bereitschaft als Berufssoldatin zu dienen und Wehrdienst gibt. Dieser enorme finanzielle Anreiz sorgt in meinem Verständnis dafür, dass auch da durch „Personenflut“ über strukturelle Defizite (ua auch politisch unterschiedlichen Verteidigungsministerinnen geschuldet), die in den letzten Jahren offenbar geworden sind hinweggetäuscht werden soll.

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