Das ist das Hauptproblem.
Wir tun so, als gäbe es guten und schlechten Alkoholkonsum. Wir sind uns alle einig, dass Alkoholkonsum aus klassischen Suchtgründen „schlecht“ ist, aber viele scheinen zu denken, dass Alkoholkonsum in Folge der gesellschaftlichen Erwartungshaltung („Man will auf dem Schützenfest nicht dumm angeguckt werden“) oder weil man meint, dass Feiern mit Alkohol mehr Spaß macht, „guter“ Alkoholkonsum sei.
Aus meiner Sicht ist jeder Alkoholkonsum schlecht, jeder Alkoholkonsum ist ein Zeichen von Schwäche. Sei es, weil man so gehemmt ist, dass man ihn auf Parties braucht, um sich zu enthemmen, sei es, dass man irgendwelchen destruktiven Idealen folgt („Alkohol gehört dazu, Alkohol ist cool“), sei es, weil man es körperlich braucht und ohne generell nicht mehr funktioniert (klassische „Sucht“). Das alles sind keine „guten“ Seiten von Alkohol.
Aber wir leben in einer Gesellschaft, in der Kindern schon im jüngsten Alter über TV und co. darauf geeicht werden, dass Alkohol „witzig“ ist und „einfach dazu gehört“. Man muss sich nur anschauen, wie Alkohol in TV-Serien selbst im Mittagsprogramm dargestellt wird, sei es in Sitcoms wie „How I met your Mother“, in Drama-Serien wie „Suits“ oder sogar in reinen Comedy-Serien wie „Scrubs“. Immer wird diese Verbindung von „Alkohol“ und „Spaß“ oder - bei Suits - „Alkohol“ und „Gewinnen/Feiern/eine gute Zeit haben“ dargestellt.
Wenn wir so ein Gesellschaftsbild von Alkohol in unseren Primärmedien pflegen brauchen wir uns nicht wundern, dass Menschen dieses Ideal schon in frühem Alter lernen und unsere gesamte Gesellschaft dieses Ideal verinnerlicht.
Ich bin auch nicht für ein Verbot, sondern eben für ein klares Framing von Alkohol, klare Maßnahmen, die zeigen, dass Alkohol nicht der gesellschaftlich erwünschte Standard ist (und ganz bestimmt kein schützenswerter Teil unserer „Kultur“ ist, wie manch bayrischer Politiker behauptet!). Es kann und darf nicht sein, dass Alkohol das Produkt ist, welches zu jeder Tageszeit an jedem Kiosk und jeder Tankstelle (welch’ Ironie!) erhältlich ist. Es darf nicht sein, dass Alkohol in jedem deutschen Supermarkt im Impulskaufbereich an der Kasse ausgestellt wird.
Insofern unterstütze ich eine klare Reglementierung des Alkohol- und Tabakverkaufs. Wenn überhaupt in Supermärkten, dann nur in abgetrennten Bereichen, besser nur in spezialisierten Läden, die gleichzeitig auch einen Fokus auf Suchthilfe haben. Dazu ein vollständiges Werbe-Verbot.
Wie man gegen die allgegenwärtige Glorifizierung von Alkohol im TV (oder auch der Musik) umgehen kann bleibt leider die große Frage. In der öffentlichen Förderung jedenfalls sollten keine TV-Produktionen gefördert werden, die Alkohol- oder anderen Drogenkonsum unkritisch darstellen. Aber das geht vielen wahrscheinlich schon zu weit, was ich im Hinblick auf die Kunstfreiheit nachvollziehen kann. Dennoch: Irgendwas muss auch dort getan werden.
Als es während Corona hieß, dass viele Brauereien schließen müssten und die Medien so getan haben, als sei der Rückgang des Alkoholkonsums eine schlechte Nachricht, wurde auch wieder sehr deutlich, wie problematisch unser Verhältnis zum Alkohol ist. Würde irgendjemand darüber trauern, dass Drogendealer arbeitslos werden, weil weniger Drogen in’s Land kommen? Der einzige Unterschied ist, dass das eine Legal und das andere Illegal ist. Ein Job, der gesellschaftlichen Schaden verursacht („Drogenprodutkion“), finde ich aber nicht deshalb schützenswert, weil er legal ist und Steuereinnahmen bringt. Insofern feiere ich - ganz ohne Alkohol - für jede Brauerei, die pleite geht. Wir konsumieren zu viel Alkohol, das ist ein Problem, und der Rückgang der Produktion ist eine zwingende Folge der Behebung dieses Problems. Der Konkurs jeder Produktionsfirma ist daher etwas positives, nichts negatives.