Akzeptanz der CO2-Bepreisung und Klimadividende

Den Grundgedanken finde ich schon mal gut. Folgende Fragen und bedenken habe ich aber noch:

  1. Wenn die Einnahmen der Importe verwendet werden sollen um die zusätzlichen Kosten der Exporte auszugleichen, müssen die Importeinnahmen die Exportkosten übersteigen. Kann es langfristig funktionieren, wenn die Ausgaben dauerhaft höher sind als Einnahmen? Wenn ja, wie?
  2. Mir erscheint die Berechnung doch sehr komplex. Wenn ich bedenke, dass wir für viele Produkte gar keine Angaben aus dem Herstellland bekommen werden, sehe ich gar keine Möglichkeit der Berechnung. Sollen unter diesen Umständen Importe verboten werden? Selbst wenn das gelingen sollte, müsste jeder Einzelne Import berechnet werden. Mir fehlt die Fantasie, wie das gelingen soll.
  3. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir alle EU Länder an einen Tisch bekommen. (Ja, ein sehr schwaches Argument. Dennoch sehe ich hier keine kurzfristige Lösung. Und ohne EU Lösung ist das Projekt aus meiner Sicht zum Scheitern verurteilt)

Hallo @derFragensteller ,

das sind gute Fragen!

Deshalb ist es so wichtig, dass wir langfristig ein solches Grenzregion um möglichst viele Länder spannen, damit sich Nettoexporteure und Nettoimporteure insgesamt ausgleichen. Bis dahin muss die Entlastung der Exporteure anders finanziert und diese weniger entlastet werden.

Darüber hat sich die Wissenschaft (z.B. IfW Kiel) bereits Gedanken gemacht. Der m.E. vielversprechendste Lösungsansatz ist, dass die „Grenzausgleichsbehörde“ den CO2-Gehalt für Produktgruppen festlegt, und zwar im Zweifel überhöht. Importeure, die nachweisen können, dass ihre Produkte einen geringen CO2-Gehalt haben, zahlen entsprechend weniger. Je mehr Importeure das machen, umso statistisch fundierter, d.h. realistischer wäre der pauschale Zoll-Ansatz einer Produktgruppe.

Trotzdem: Der Verwaltungsaufwand ist vermutlich noch deutlich höher als der für den Umsatzsteuergrenzausgleich.

Tatsächlich wird das nur funktionieren, wenn nicht wenigstens die großen EU-Länder sowie Großbritannien mitmachen. Ziel muss es sein, dann wenigstens die USA (die unter Biden ebenfalls einen Grenzausgleichsregime planen) mit ins Boot zu holen. Dieser große Markt wird vielen Länder einen starken Anreiz setzen, ebenfalls ein vergleichbares CO2-Preis-System einzuführen, um sich dem CO2-Grenzausgleichs-Regime anschließen zu können. Ideal wäre es natürlich, möglichst viele der BRICS-Staaten (China, Indien, Brasilien, Russland und Südafrika) sowie wichtige asiatische Staaten dafür zu gewinnen.

Große Herausforderung. Aber das ist kein Grund, es nicht zu versuchen …

Also kann ich kurz den CO2-Grenzsteuerausgleich zusammenfassen:

  1. Eine Finanzierung (Mittelherkunft) der Ausgaben ist nicht in Sicht.
  2. Eine Entlastung der heimischen Wirtschaft steht zwar im Raum, steht aber nicht fest.
  3. Von einer Berechnung der einzelnen Produkte sind wir weit entfernt und dürfte mit enormen Kosten (z.B. Klagen) verbunden sein.
  4. Eine Europaweite Zusammenarbeit ist zweifelhaft.
  5. Eine Zusammenarbeit mit den wichtigsten Akteuren (China, Indien, USA, Russland) ist utopisch.
  6. Es müsste ein riesiger Verwaltungsapparat geschaffen werden.
    Also ich finde die Idee vom Grenzsteuerausgleich doch sehr sympathisch. Dennoch ist sie (noch) realitätsfern. Aus meiner Sicht darf diese Idee nur umgesetzt werden, wenn alle (ohne Ausnahme) EU Länder + USA dabei sind. Sonst brauchen wir einen anderen Vorschlag.

Die Zusammenfassung ist mir in ihrer (pessimistischen) Absolutheit zu pauschal. So was schreckt erst mal ab, es überhaupt versuchen zu wollen.

Ohne Klima-Zoll führt der CO2-Preis zu „Carbon Leakage“: Statt sich mit klimaschonendes Technik anzupassen wander die Unternehmen mit den schlimmsten CO2-Emissionen in Länder ohne CO2-Preis aus. Dabei gehen nicht nur Arbeitsplätze bei uns verloren. Sondern dem globalen Klimaschutz ist damit gar nicht geholfen.

Das glaube ich eher nicht, denn „die Schwächeren“ leben oft in Altbauten mit alten Heizsystemen bzw. veralteter Brauchwassererhitzung. In diesem Bereich befürchte ich ist der CO2 Preis höher als das Geld das sie zurück bekommen.
„Die Schwächeren“ fahren auch meist alte Autos die entsprechend Kraftstoff fressen, auch hier werden die Mehrkosten die Rückzahlung überschreiten.

Ich befürchte dass wir bei bestehenden Handelsverträgen nicht einfach eine neue Steuer drauf packen können.

Für mich ist ein CO2 Preis nur in Verdingung mit einem CO2 Zoll sinnvoll. Andernfalls lösen wir das Problem nicht und schaffen nur neue Probleme.
Aus diesem Grund sind meine oben genannten Aussagen ein Angriff auf den CO2 Preis und nicht auf den CO2 Zoll.

Aha. Und wie willst Du die Klimakatastrophe ohne CO2-Preis abwenden? Hoffen, dass die Menschen plötzlich vernünftig konsumieren und investieren? Glauben, der Staat wäre plötzlich so smart, agil und konsequent, dass er das Verhalten seiner Bürger innerhalb von wenigen Jahren erfolgreich umsteuern kann (noch nicht mal in Diktaturen wird das gelingen, aber schon gar nicht in Demokratien, in denen Politiker wiedergewählt werden wollen).

3 „Gefällt mir“

Nein. Die Menschen werden so viel schädlich konsumieren, so lange es zugelassen ist. Schwellenländer werden folgen. Sollten wir einen Alleingang machen, werden Deutsche den Konsum notfalls ins Ausland verlagern.

Das soll jetzt kein Bashing gegen Menschen werden, die sich so viel Mühe gaben und unzählige Jahre an diesem Thema geforscht haben um sich theoretische Modelle einfallen lassen. Und dann feststellen müssen, dass einfache Personen (wie ich) merken, dass diese theoretischen Modelle realitätsfern und nicht umzusetzen sind. Und das nur, weil ich nicht an die Eierlegende Wollmilchsau glaube.
Ich glaube, dass der Mensch den Klimawandel nur (ausschließlich) durch Innovation aufhalten kann. Sollte das nicht gelingen, können wir in Deutschland mittelfristig nicht viel machen (leider). Momentan ist jeder, der etwas anders behauptet für mich nur ein Scharlatan. Ich bin aber offen für Gegenvorschläge, da ich ja auch nicht jede Theorie kenne.

Da ich glaube, dass die Frage kommen wird, wie wir das umsetzten können. Hier ein paar Vorschläge von mir:

  • leichtere Unternehmensgründung für diesen Bereich
  • Keine Steuern für Unternehmen, die an neue Anlagen forschen (für 10-20 Jahre)
  • Weitere und Kostenlose Studiengänge / Aufklärungen in Schulen
  • Abwerben von Studenten im Ausland
  • Direkte Förderungen

Zu diesen Vorschlägen möchte ich noch einen hinzufügen: Den CO2-Preis.

Denn auch das ist ja eine seiner Wirkungen: Er fördert klimafreundliche Innovationen. Es ist aber natürlich nicht sein einziges Ziel, denn jeder, der daran glaubt, dass mit Innovativen allein die Welt zu retten ist, sollte bitte wieder auf den Boden der Tatsachen zurückkehren! Es ist schon etwas ironisch, jemandem Realitätsferne und Scharlatanerie vorzuwerfen und dann mit dem Zauberwort Innovation zu kommen.

Es hat im wesentlichen zwei Gründe, warum ich da so kritisch bin:

  1. Es hat doch auch in den letzten 40 Jahren schon nicht funktioniert. Und jetzt haben wir keine Zeit mehr, drauf zu warten, dass jemand endlich das Perpetuum Mobile erfindet. Von der Dringlichkeit des Klimaschutzes habe ich während meines Studiums in den Achtzigern erstmals gehört (vorher waren das Ozonloch und der saure Regen die vorherrschenden Umweltthemen). Seither gab es mal mehr und mal weniger Förderung für klimafreundliche Technologien, aber wir sind schlimmer dran denn je. Wir bräuchten, wenn das funktionieren sollte heute eine Technologie (eine eierlegende Wollmilchsau), die alle unsere Emissionen auf einen Schlag halbiert.

  2. Ich kann allen, die glauben, dass wir so weiterleben dürfen wie bisher, wenn es eine geeignete Technologie gibt, nur Tim Jacksons großartiges, wenn auch ein wenig beängstigendes Buch „Prosperity without Growth“ (Wohlstand ohne Wachstum) ans Herz legen. Ich kann leider seine Gedankengänge und Belege hier nicht wiedergeben, aber ein Fazit ist in jedem Fall, dass wir uns von unserer bisherigen Art des Wirtschaftens verabschieden müssen, selbst wenn (was, wie oben gesagt, unwahrscheinlich ist) eine bahnbrechende Erfindung gemacht würde, ihr Effekt schnell von einer wachstumsgierigen Menschheit wieder aufgefressen würde.
    Unbedingte Leseempfehlung, insbesondere auch für die unter uns, die, anders als ich, eine volkswirtschaftliche Vorbildung haben.

1 „Gefällt mir“

Mir ist sehr wohl bewusst, dass die letzten Jahre wohl nicht die gewünschten Effekte erreicht haben, wie wir sie benötigen. Das habe ich nie bestritten. In den oben aufgeführten Argumenten habe ich nur untermauert, dass ein regionaler Verzicht, welcher wahrscheinlich nicht mal von der ganzen EU unterstützt wird und schon gar nicht von den großen Playern auf diesem Planeten folgende Effekte hat: 1. Ressourcen Verschwendung 2. Opportunitätskosten 3. Verzweiflung und Ärger bei allen Beteiligten, weil es keinen Effekt gibt. Natürlich können wir in Deutschland verzichten. Wenn aber andere Länder (z.B. China) in den nächsten 10 Jahren weitere Kohlekraftwerke bauen will, ist doch der Gesamtnutzen relativ gering. Also leider verstehe ich den Sinn hinter einem Alleingang nicht.

Dem möchte ich aber gar nicht widersprechen. Frage mich aber, wie realistisch der Vorschlag ist.

Also. das heißt, wir haben zwei Strategien, bezüglich derer wir skeptisch sind, ob sie überhaupt funktionieren werden.

  1. neue Technologie: hat bisher nichts gebracht und wird auch künftig für sich allein genommen nicht den benötigten Effekt haben.
  2. CO2-Preis: funktioniert nur, wenn der Rest der Welt irgendwie überzeugt oder gezwungen wird, mitzuspielen.

Beide haben also ihre Schwächen. Da uns (mir) aber keine Alternative bekannt ist. kann die Reaktion ja nicht sein, beide abzulehnen und nichts zu tun, sondern wir müssen gegen diese Schwächen arbeiten. Was den CO2-Preis betrifft gab es ja in diesem Thread schon Vorschläge. Mangels Alternativen müssen halt auch die mühsamen Wege beschritten werden.

Wir sollten uns vergegenwärtigen, dass D politisch in der Welt inzwischen im Klimaschutz weit hinterherhinkt. Die Chinesen haben schon vor 10 Jahren mit der CO2-Bepreisung begonnen und jetzt flächendeckend einen CO2 Preis eingeführt. Die Amerikaner haben schon Emissionshandel betrieben als ich noch studiert habe, das war noch in den 80ziger Jahren. Weitere Innovationen benötigen wir im Moment gar nicht. Es ist alles vorhanden, technisch und überwiegend wirtschaftlich. Die Union verweigert sich nur gegen jeden Klimaschutz, das sollte jeder inzwischen begriffen haben. Es ist eine rein politische Entscheidung, ob wie den Energieverbrauch halbieren wollen, und den verbleibenden Rest regenerativ erzeugen. Kein ernstzunehmender Wissenschaftler würde dem widersprechen. Ihr glaubt das nicht? Nun ja, ich arbeite seit 2009 auf diesem Gebiet und habe das sowohl in der Industrie als auch im Privat-Bereich mehrfach umgesetzt.

Ich stimme in sehr weiten Teilen den Argumenten von @TilRq , @rph und @LeoWom zu. Einige Erwiderungen bzw. Ergänzungen möchte ich aber hinzufügen:

  1. Woher kommt die Behauptung (bzw. rhetorisches Entgegenkommen), dass eine CO2-Bepreisung nicht effektiv ist? Alle Branchen, die CO2-bepreist werden, sind auf Kurs „Klimaneutralität 2050“. Empirisch lässt sich hier die Handlungsempfehlung ableiten die CO2-Bepreisung auf alle Bereiche auszuweiten, wo das praktisch möglich ist (insbesondere Verkehr und Wärme).

  2. Erneuerbare Energien sind mit CO2-Bepreisung günstiger als fossile Brennstoffe, sogar im eher sonnen- und windschwachen Deutschland. Der Kohleausstieg wird am Ende ökonomisch getrieben weit vor 2038 eintreten.

  3. China setzt massiv auf den Ausbau erneuerbarer Energien. Chinas Ausbau von Kohlekraft ist vermutlich keine rein ökonomische Entscheidung, sondern basiert entweder darauf, (1) dass der steigende Energiebedarf Chinas schlichtweg schneller steigt als seine Kapazitäten beim Aufbau erneuerbarer Energien oder/und (2) dass China den Anteil an volatiler Stromeinspeisung nicht zu schnell steigen lassen kann (da z.B. der Ausbau von Speichern oder Netzen hier der Engpass ist).

  4. Für Deutschland wäre es eine ökonomische Leichtigkeit 100% seines Energiebedarfs regenerativ zu erzeugen. Die großen ökonomischen Streitfragen bleiben Speicher- und Netzkapazitäten.

1 „Gefällt mir“

Auch wenn etwas Offtopic:

Ich kenne das Buch nicht, daher kann ich nichts zu dessen Inhalt sagen. Ich kenne aber ähnliche Bücher und möchte hier zur generellen Vorsicht beim Lesen raten – insbesondere Lesern, die nicht tief in der Materie drin sind. Sofern die Menschheit nicht den Zustand der Idiokratie oder der Allwissenheit erreicht, wird es langfristig immer ökonomisches Wachstum aufgrund von technologischem Erkenntnisgewinn geben. Das Streben nach einer nachhaltigen Ressourcenverwendung ist etwas fundamental anderes als das Streben nach einer stagnierenden Wirtschaft.

Ich habe das auch nochmal versucht durch zudenken und habe ein Mittelwert/Median Problem. Vielleicht könnt ihr mir helfen.
Ich machs mal mit Zahlen, dann wirds deutlicher.
Wir legen den Preis auf 100€/Tonne fest. Der Co2 Ausstoß in BRD war 2018 knapp 800 Mio Tonnen. Dann landen auf dem Konto 80 Mrd€. Geteilt durch 80 Mio Einwohner = 1000€ pro Einwohner und Jahr.
Ist die Aussage richtig, dass jeder der weniger als den Durchnittsverbrauch emittiert netto gewinnt? Der Verbrauch ist ja sicher „schief“, also ich postuliere 50% werden von nur 20% der Bevölkerung ausgestoßen.
Stimmt die Aussage trotzdem? Und könnte man daraus schlussfolgern, dass auch nur (fiktiv) 20% mehr zahlen als zuvor?

Gruß Jakob

PS. Interessant ist ja, dass das im ersten Anlauf für jeden beliebig hohen CO2 Preis gelten müsste. Nach kurzer Zeit, wenn die Gesamtemissionen durch individuelle Sparmaßnahmen geschrumpft sind, gilt es weiterhin, nur dass ich mich, falls ich nix geändert habe, in der langen Reihe der CO2 ausstoßenden weiter nach rechts einsortieren muss, also weniger wieder kriege oder mehr draufzahle.

PPS. Ich glaube, die Sache mit der Grenze ist gar nicht soo dramatisch. Wenn das, was importiert wird CO2 relevant ist, dann muss man das natürlich bestimmen, aber für ganz viele Produkte ist der CO2 Verbrauch pro Gegenstand ja gar nicht wirklich groß. Also der Käse aus Holland, der Gurt aus, der Chip aus Taiwan, da braucht man absolut gesehen (und das macht den Preisunterschied zu den deutschen Preisen ja nur aus) nicht viel zu besteuern. https://www.oeko.de/fileadmin/oekodoc/Digitaler-CO2-Fussabdruck.pdf führt für hochkomplexe technische Geräte einiges aus. Bei 100€/to wäre ein Laptop dann mit 25€ teurer. Ob da dann der Aufwand lohnt, als Herstellers nachzuweisen, dass man einen sehr hohen Aufwand betrieben hat um den Ausstoß auf die Hälfte zu reduzieren?

Unter der Annahme, dass alle Konsumgüter den gleichen CO2-Abdruck pro Euro haben, müsste es in der Tat so sein, dass nur genau jene bei der hier besprochenen CO2-Bepreisungs-Umverteilungs-Maßnahme „draufzahlen“, die auch sonst überdurchschnittlich viel konsumieren (in absoluten Euros gemessen).

Wobei ich mich hierbei frage, wie eigentlich Kinder in der Maßnahme bedacht werden. (Und in der Realität ist natürlich alles viel komplexer, beispielsweise weil es ein Ausland gibt.)