Wenn man nur den Satz herauspickt, kann man das schärfer interpretieren als gemeint. Ich stelle auch nicht die Frage, ob diese Berichterstattung grundsätzlich relevant ist für eine Bayrische Zeitung. Dass eine 35 Jahre alte Geschichte 2 Monate vor der Wahl kommt, ist ja sicherlich kein Zufall.
Ich fände es auch nicht schlimm, wenn die SZ hier die FW explizit angreift. Stelle nur die Frage, ob das eine vielversprechende Strategie ist. Das ist ME auch die interessantere Debatte als die Eingangs-Formulierung
Na ja, der journalistische Job umfasst aber auch Sorgfaltspflichten und die wurden hier teilweise nicht eingehalten. @MarkusS hat oben ja bereits ein paar Vorwürfe von Journalisten zusammengestellt.
Es macht schon sehr den Eindruck, dass hier ein Journalist Politik machen wollte. Eine Veröffentlichung hätte ich besser gefunden wenn a) der Fall klar belegt und beweisbar gewesen wäre oder b) erst nach der Wahl, je nachdem was zuerst eintritt.
Verdachtsberichterstattung kurz vor der Wahl hat immer ein Geschmäckle. Am Ende hat man damit mal wieder nur die Rechten gestärkt, die sich ja auch aus denen rekrutieren, die die Medien großteils als politisch links-grün ohnehin ablehnen.
Das könnte tatsächlich sein. So wie dieses nicht repräsentative Meinungsbild zeigt [1], scheint es in der konservativen Bevölkerung einiges Misstrauen gegen die Berichterstattung und ihre Veröffentlichung kurz vor der Wahl zu geben. Sollten sich die Vorwürfe nicht erhärten könnte das ggf. tatsächlich zu Aiwangers Vorteil ausgehen (was in solchen Fällen ja eher ungewöhnlich ist).
Schwer zu sagen, ob das anders rüber gekommen wäre, wenn die SZ zu einem anderen Zeitpunkt und defensiver berichtet hätte. Aber für ausgeschlossen halte ich es nicht.
Wenn Aiwanger wegen dieser Geschichte zum Rücktritt gezwungen wird, leben wir offiziell in einem Land, in dem man:
als stellvertretender Ministerpräsident zurücktreten muss, weil man vor 40 Jahren eine Hetzschrift im Schulranzen hatte
als Ministerpräsidentin im Amt verbleiben kann, obwohl man Kraft diesen Amtes eigens eine Stiftung ins Leben gerufen hat, um russisches Kapital an Sanktionen unserer Verbündeten vorbeischleusen zu können
Ich finde daher, dass man auch mal die Kirche im Dorf lassen muss und empfinde die Berichterstattung der SZ als verbissen und unnötig, da hier knappe öffentliche Aufmerksamkeit in unproduktive Bahnen gelenkt wird.
Es scheint mir im Übrigen, dass unser öffentlicher Diskurs scheinbar im rechten und linken Spektrum mit zweierlei Maß misst. Was man wohl bei manchem Alt-grünen vor 40 Jahren im Schulranzen gefunden hätte (Stichwort liebe kennt kein Alter) oder was so mancher alt-Linker zu der Zeit getrieben hat (die Stasi lässt grüßen).
Es ist doch schlicht irrelevant, was ein heute aktiver Politiker vor 40 Jahren, noch dazu als Minderjähriger in der eigenen Schulzeit, getrieben oder von sich gegeben hat, solange es keine direkte Verbindung zu heutigen Positionen oder Handlungen gibt. Jede Straftat außer Mord wäre verjährt, aber das Flugblatt im Schulranzen wird man wohl nie wieder los. Das ist doch absurd!
Was ich an den Reaktionen aus den sogenannten Bierzelten so krass finde, ist dieser inzwischen so große Hass, Verachtung, Ablehnung gegenüber den Grünen. Diese für mich inzwischen teilweise in vielen Köpfen verankerte Gleichsetzung von dem, was die AFD, oder in Bayern die FW, rechts ist, links auf die Grünen zu spiegeln.
Ich lese und höre auch immer mehr, dass es die Forderung von diesen Leuten gibt, dass es ,aus ihrer Sicht auch eine Brandmauer zu den Grünen braucht,.
Das ist gesellschaftlich und für den Klimaschutz absolut keine gute Entwicklung.
Da der Mensch eh nur glaubt was er glauben will (1€ ins Phrasenschwein) , ist die Chance gerade im ländlichen Bayern groß, dass die Erzählung von der bösen links grünen SZ Inszinierung verfängt, und dann eine ,jetzt erst recht, Mentalität einsetzt. Was aber an den Kräfteverhältnissen im bayrischen Landtag wenig ändern dürfte, denn dies sollten idR Stimmen sein, die innerhalb der rechten Hälfte von CSU und AFD zu den FW gehen.
Problem für Söder wird aber immer sein: was tun wenn der Hubsi doch der Author war, bzw. wenn es sich verdichtet, dass Aiwanger lange in einer antisemitischen und rechtsradikalen Gedankenwelt gelebt hat.
Kann er mit den FW ohne Aiwanger regieren? Lassen die ihn fallen? Falls ja, kommen dann nicht zwangsläufig sehr sehr laute Forderungen an Neuwahlen.
Söder sollte das vor den Wahlen klären und notfalls in den sauren Apfel beißen und sagen ,keine Regierung mehr mit Hubsi,.
Nein, es ist nicht absurd. Denn es geht nicht um das Flugbatt selbst, sondern ob Aiwanger dieses Gedankenschlecht selbst auch in sich getragen hat, und wenn ja wie lange und wieviel davon heute noch in ihm steckt!
Hier muss man zwischen der strafrechtlichen Verjährung und der politischen Relevanz unterscheiden. Meine persönliche Meinung habe ich dazu ja schon formuliert. Definitiv sollte man niemanden pauschal für seine Taten als Minderjährigen lebenslang brandmarken. Sollten sich die Vorwürfe gegen Aiwanger als wahr erweisen - was ich bisher als völlig offen ansehe - dann müsste dieser glaubhaft nachweisen können, dass er sich in den letzten 35 Jahren von diesem Gedankengut entfernt hat. Ob das gelingen würde, hielte ich aber ebenfalls für offen.
Auch nach dieser (in wenigen Details nicht ganz objektive) Zusammenfassung bleibt offen: Hat Hubert vor über 30 Jahren seinen Bruder gedeckt und den antisemitische Totalausfall auf sich genommen oder hat Helmut heute Hubert‘s damaligen antisemitische Totalausfall auf sich genommen.
… und genau dafür - diese übelst antisemitischen Gedanken - habe ich bislang keinerlei Beleg gefunden (Antisemitismus = Judenhass , Judenfeindlichkeit oder Judenfeindschaft). Das wird aber immer wieder insinuiert. Das klappt auch gut, weil Aiwanger übelst und zunehmend populistisch ist und dabei die Grenze zur Lüge und zu Verschwörungsmythen - sicherlich wissentlich - überschreitet.
Ja, das hast Du recht. Ich bin davon ausgegangen, dass niemand heutzutage zugeben würde, dass er ein aus heutiger Sicht so widerliches Pamphlet verfasst hat, wenn er es nicht gemacht hätte. Zumal wenn sein Bruder seinerseits ihn gedeckt und die Sache auf sich genommen hat (die „Strafe“ der Schule ergingt ja nicht nach einer gerichtlichen Tatsachenfeststellung) und nun, mehr als 30 Jahre später, in ganz große Schwierigkeiten dafür kommt.
Aber: Dass der Bruder das geschrieben hat, ist kein Fakt. Ich habe daher diesen Punkt in meinem obersten Post entsprechend ergänzt.
Wer das Tor zu rechts soweit aufreißt wie Aiwanger es tut, muss in einer „formalen Demokratie“ mir Pressefreiheit damit rechnen, neu einsortiert zu werden. Aber während vorher den Freien Wählern das Image einer besseren CSU für Bayern anhing, laufen sie jetzt Gefahr mit Aiwanger an der Spitze als rechtere CSU zu firmieren.
Den Wähler in Bayern wird es nicht stören.
Jetzt komm schon - ein Preisausschreiben für die „größten Volksverräter Deutschlands“, mit Preisen wie „Freiflug durch den Kamin“, „Genickschuss“, „Vergnügungsviertel Auschwitz“…
Eine klare Bezugnahme auf die Konzentrationslager Dachau und Auschwitz, die Mordmethoden der NS Diktatur, die sich mehrheitlich gegen Juden richtete - und das ganze als Gewinnspiel für „Volksverräter“ (ein beliebter Chiffre der NSDAP für Juden)
Da gehört schon einiges an bewusstem Wegschauen dazu, hier keinen Antisemitismus zu erkennen. Dem sollte man nicht auf den Leim gehen
Wenn man dabei berücksichtigt, dass sein Bruder ein Waffengeschäft betreibt, ist es zumindest nicht ganz abwegig, dass er bereit war, dass auf sich zu nehmen um die Reputation seines Bruders zu retten.
Das bedeutet nicht, dass jeder Waffenhändler per se rechtsradikal ist, aber wenn man sich für so eine Situation die Branche aussuchen müsste, die dadurch bei ihren Klientel am wenigsten Schaden nimmt ist das wohl ein Match.
@FanboyDerNation : Bitte ließ meine Beiträge korrekt. Ich habe immer betont, das Flugblatt ist abgründig antisemitisch. Meine Anmerkung bezog sich darauf, ob sich Aiwanger in den vergangenen 30 Jahren nach dem unsäglichen Flugblatt antisemitisch verhalten hat. Dafür kenne ich keinerlei Belege!
Den wirst Du auch nicht in dieser Eindeutigkeit finden, wie es in dem Flugblatt vorhanden ist. Das wäre dann nämlich Volksverhetzung.
Das Ganze funktioniert doch über Hundepfeifen-Politik, um eben die Eindeutigkeit und Nachweisbarkeit zu vermeiden. Du wirst Ihm heute keinen Antisemitismus „nachweisen“ können, da der heutige Antisemitismus eben anders daher kommt und sich auch in andere rechte Weltbilder einfügt und vermischt. Immer im Graubereich.
Für mich weist Aiwangers Auftreten in Erding, seine Verschwörungsmythen etc. ein ziemlich konsistentes Weltbild auf, in dem das Flugblatt anscheinend nur die extremste Ausprägung war.
Wenn man 40 Jahre in die Vergangenheit reisen muss, um einem Menschen auch nur möglicherweise dieses Gedankengut nachweisen zu können, ist das schon ein gutes Indiz dafür, dass dieses sein Handeln zumindest nicht prägend beeinflusst.
Ich finde es schade, dass in unserer politischen Kultur oft mehr darauf abgezielt wird, eine Person an sich zu diskreditieren, als seine Handlungen und Positionen anzugreifen. Und noch schlimmer, wenn die Diskreditierung der Person mit irgendwelchen Anekdoten von vor 40 Jahren begründet wird.
Bitte mal mit Joschka Fischers „Prügel-Photos“ und der monatelangen Debatte einschließlich öffentlicher Anhörung Anfang der 2000er beschäftigen. Das war auch richtig und gut so, da ich mir gerne ein Bild davon mache, ob sich jemand geändert hat.
Oder beide haben es gemeinsam verfasst und verteilt. Ist aber vielleicht auch nicht die wichtigste Frage. Alle von der SZ aufgestellten und auf Zeugenaussagen basierenden Tatsachenbehauptungen wurden bisher bestätigt. Bei Aiwanger wurden Exemplare des Pamphlets gefunden; Aiwanger wurde als Urheber identifiziert; Aiwanger wurde dafür gemaßregelt.
Hubert Aiwanger kann nicht ausschließen, dass er das Flugblatt verteilt hat (was gravierender wäre als es zu verfassen). Auch sein Bruder erinnert sich nicht genau. Dass das Flugblatt tatsächlich zirkuliert ist, legt eine Schülerarbeit nahe, die in der Gedenkstätte Dachau liegt:
Mittlerweile gibt es auch weitere Aussagen zu Aiwangers Schulzeit:
Beim Betreten des vollbesetzten Klassenzimmers habe Hubert Aiwanger ab und zu „einen Hitlergruß gezeigt“, erinnert sich Bauer im Interview mit „report München“ und BR24. Auch habe er oft Hitler-Reden imitiert. „Da wollte er immer damit auffallen.“ Damit bestätigt der Ex-Mitschüler, der drei Jahre lang mit Aiwanger in einer Klasse am Burkhart-Gymnasium Mallersdorf-Pfaffenberg war, öffentlich anonyme Aussagen, über die „Süddeutsche Zeitung“ und „Münchner Merkur“ berichtet hatten. Der „Merkur“ schrieb unter Berufung auf Zeitzeugen von damals, im Zusammenhang mit einem antisemitischen Flugblatt sei vor 35 Jahren schnell der Verdacht auf den 16 oder 17 Jahre alten Hubert gekommen, weil dieser in der Klasse als Hitler-Imitator aufgefallen sei.
Es ist umgekehrt: sein heutiges Verhalten und Positionen haben Leute dazu veranlasst, warnend darauf hinzuweisen, dass er noch extremere Positionen schon als junger Mann hatte.
Da ich etwa zur gleichen Zeit in die Schule ging: Es war damals nicht der übliche Humor, im Klassenraum einen „ironischen“ Hitlergruß zu machen oder als „der Hitler-Imitator“ schulweit bekannt zu sein.
Sehr richtig! Ich bin unwesentlich jünger als Aiwanger. Wenn ein Mitschüler von damals heute Spitzenpolitiker wäre und immer extremere Positionen vertritt (siehe Erding), würde ich ein solches Hetzblatt auch an die Öffentlichkeit bringen. Als Warnung, damit die Leute wissen, mit wem sie es zu tun haben.