Abregelung Windkraft - stattdessen einfach nutzen

Hallo,

full disclosure first: Ich habe mich extra angemeldet für diesen Post, weil es über das Thema in herkömmlichen Medien so gut wie nichts gibt und weil es etwas komplexer wird, wenn man ins Detail geht. Ich bin außerdem in einem kleinen Stadtwerk als Aufsichtsrat tätig (die Entschädigung dafür ist <1000 Euro p.a.). Ich habe ein wenig die Suchfunktion bemüht, um zu prüfen, ob das Thema hier schon präsent ist, ich hoffe ich habe es nicht nur übersehen.

Nun zum Thema: In Deutschland werden jährlich etwa 6000 Gigawattstunden Strom [1] aus Windkraftanlagen nicht genutzt. Die Anlagen werden abgeschaltet, weil in der Regel zu dieser Zeit zu viel Strom im Netz ist, der nicht „abtransportiert“ werden kann - das leidige Thema der Nord-Süd-Verbindungen.

Der Strom könnte im Norden genutzt werden. Etliche Stadtwerke haben Power-to-Heat-Anlagen (P2H, große Tauchsieder) die für die Erzeugung von Fernwärme eingesetzt werden könnten und Gas verdrängen würden. Diese Stadtwerke setzen diese P2H-Anlagen aber nicht ein, weil sie für die Stromnutzung sehr hohe Netzentgelte zahlen müssen. Das rechnet sich einfach bisher nicht. Die Betreiber der Windkraftanlagen werden für das Abschalten so bezahlt als hätten sie den Strom eingespeist (d.h. der Strom wird sowieso bezahlt).
Einige Stadtwerke haben sogar große Wärmespeicher (weitere sind in Bau), mit denen ein Großteil der Wärmeenergie locker über einen Tag gehalten werden könnte. P2H hat annährend 100% Wirkungsgrad. Noch besser ist es natürlich, wenn Stadtwerke Großwärmepumpen haben, denn diese sind effizienter als P2H.

Windkraft zu Wärmeerzeugung zu nutzen ist auch deshalb interessant, weil der Windkraftertrag ja gerade in der kalten Jahreszeit besonders hoch ist. Der Bundespolitik ist das Problem auch seit locker 10 Jahren bekannt, ich hätte gehofft Habeck würde das endlich mal anfassen, aber da bewegt sich momentan nichts.

6000 GWh sind nicht die Welt, aber in der Krise würden sie helfen. Ich glaube das entspricht ungefähr einem halben Atomkraftwerk pro Jahr. Als Fernwärme könnte man damit theoretisch und wenn ich mich nicht verrechnet habe ca. 1 Mio Haushalte warm kriegen. Der Wert ist theoretisch, weil die Windkraftabschaltung vermutlich nicht direkt mit dem Wärmebedarf korrespondiert.

Rant over, ich kann gerne kompetentere Leute zu dem Thema vermitteln. Ich finde es sehr schade, dass wir selbst in dieser epochalen Krisen verfügbare Energie einfach liegen lassen und würde mich freuen, wenn diese 6.000 GWh einfach genutzt würden.

Grüße
JK

[1] Höhe der abgeregelten Windstrommenge in Deutschland bis 2020 | Statista

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Theoretisch gut gedacht, aber praktisch findet der Großteil der Abregelung innerhalb eines einzigen Bundeslandes statt: Schleswig-Holstein

Ein Blick auf die Landkarte erklärt auch das WARUM: im Norden liegt Dänemark, das selbst jede Menge Windkraftkapazität hat. Im Westen und Osten gibt’s nur Wasser, also kann der Erzeugungsüberschuss (zusammen mit dem der Dänen) fast nur nach Süden weitergeleitet werden. Beim (zu langsamen) Netzausbau, der diesen Flaschenhals hervorgerufen hat, gab es kürzlich ein paar Fortschritte, die immerhin zu einer Halbierung der abgeregelten Leistung geführt haben. Siehe hier: schleswig-holstein.de - Strom - Engpassmanagement

Gibt’s im ländlich SH denn nennenswert Fernwärmenetze mit Speichern?

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Hallo,

mir ist nicht bekannt, wo genau die Abregelung stattfindet. Ich bin in MV und ich vermute mal es wird nicht anders sein als in SH.

Ich denke auch, dass es in SH Fernwärmenetze gibt, ich glaube Flensburg ist eine Stadt mit einer sehr hohen Fernwärmedichte. Hamburg allein hat einen Fernwärmeabsatz von 4000 GWh.

Das Bundeswirtschaftsministerium fördert seit Jahren den Aufbau entsprechender Infrastruktur (P2H Anlagen und Wärmespeicher). Es gibt tatsächlich P2H-Anlagen bei diversen Stadtwerken, die seit Jahren nicht ein mal genutzt wurden.

Exemplarisch gibt es in Kiel direkt neben dem relativ neuen Gaskraftwerk einen Warmwasserspeicher mit P2H und Anschluss an das Fernwärmenetz.
Laut Küstenkraftwerk - Technik - Stadtwerke Kiel AG hat er eine Kapazität von 1,5GWh und reicht damit für 70k Haushalte für 8h.
Ich gehe nicht davon aus, dass die 6000GWh übers Jahr gleichmäßig verteilt sind und der Bedarf an Warmwasser ist natürlich auch nur im Winter hoch, aber selbst wenn man sagt, dass an der Hälfte der Tage der Strom komplett genutzt werden kann, wären das nur 180*1,5/6000 nur knapp 5%.