9€ Ticket - und sind Studierende wieder die vergessene Gemeinschaft?

Nun ist es da, das 9€ Ticket. Soll den Deutschen über die Sommermonate die Gelegenheit geben, kostengünstig den Nahverkehr zu nutzen. Wer bislang kein Ticket hatte, hat seit kurzem die Möglichkeit, eines zu kaufen. Wer bereits ein Ticket hat, etwa ein 365 Euro Ticket, wird von RMV beispielsweise darüber informiert, dass für sie nun auch ganz automatisch das 9€ Ticket gültig wird und die Kosten zurückerstattet werden.
Anders - und wie sollte es auch sonst sein - sieht es für Studierende an den deutschen Hochschulen aus. Es wird nicht klar formuliert, für alle Studierende an deutschen Hochschulen mit gültigen Semesterticket wird auch das 9€ Ticket automatisch gültig. Es wird auch nichts bezüglich der Rückerstattung beschlossen. Vielmehr macht jede Hochschule, jede Universität mal wieder ihr eigenes Ding. Eine einheitliche Regelung scheint es nicht zu geben. Studierende fallen mal wieder, wie so oft in den vergangenen zwei Jahren hinten runter.
Einige wissen bereits, dass das Ticket für sie gültig ist und in welcher Form eine Rückerstattung angestrebt wird. Die meisten jedoch, mich eingeschlossen, haben keine Informationen erhalten. Auf Nachfrage heißt es, man müsse sich von Seiten der Hochschule noch informieren und werde fie Studierenden im Anschluss informieren.
Mich macht das einfach nur noch sauer.

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Wie soll man sowas anders machen, als dass man sowas auf höherer Ebene beschließt und die Umsetzung dann den Verkehrsverbünden & Co überlässt…

Ich finde die Maßnahme super. Auch wenn da nicht jeden Sonderfall abgedeckt ist. Immerhin einfach mal ein Schritt in die richtige Richtung.
(zumal Studierende ja in den meisten Bundesländern in der Regel schon ziemlich privilegiert sind, was ÖPNV angeht)

War imo nur, eine dämliche Idee, dafür überhaupt Geld zu nehmen…
Ich glaube kaum, dass da irgendein Verkehrsverbund auch nur einen Cent Gewinn mit fährt und die Kosten für die Umstellung das bei weitem übersteigen.

Einfach die Ansage „Alle können drei Monate lang kostenlos fahren - no questions asked“, wäre cool gewesen…

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Das ist ein Problem bei Semestertickets. Wer konkret mit dem lokalen Verkehrsverbund das Semesterticket ausgehandelt hat (Asta, Studentenwerk, Hochschule, Bundesland, …), ist von Ort zu Ort verschieden und teilweise bei verschiedenen Hochschulen im gleichen Ort unterschiedlich geregelt.

Dass eine Rückzahlung an die Studierenden angemessen wäre, ist klar, zumal ja die 2,5 Milliarden des Bundes diese Preisdifferenzen abdecken sollten. Bei 150-200€ Kosten für das Semesterticket im Semester wären das für drei Monate irgendetwas zwischen 48€ und 73€, die man also Studierender zurückbekommen würde - abzüglich des Beitrags, der für die in Semestertickets oft enthaltenen „Goodies“ wie Fahrradmitnahme oder Mitnahme einer Person zu Randzeiten angesetzt wird. Realistischerweise also geht es um eine Rückzahlung von irgendetwas zwischen 40 und 70€ pro Studierender. Nachdem dieses Geld in der Regel schon ausgegeben war, finde ich Verzögerungen hierbei nun nicht extrem dramatisch.

Dass an manchen Orten nicht klar ist, ob das Semesterticket wie ein 9€-Ticket gilt, mag mit der barocken Organisation erklärbar sein, aber es ist ungünstig. Jedoch besteht auch hier erst einmal keine Schlechterstellung von Studierenden gegenüber dem Zustand vor dem 9-Euro-Ticket. Und ich finde es bei einem solchen Experiment ist es ok, wenn nicht alles sofort glatt läuft. Falls man außerhalb des Geltungsbereich des Semestertickets unterwegs sein sollte, dann ist es meiner Meinung nach zumutbar, sich einmal ein 9€-Ticket zuzulegen. Das wird in den meisten Fällen immer noch günstiger sein, als die Fahrkarte sonst gekostet hätte.

Mittelfristig finde ich aber, dass diese Semesterticket-Kleinstaaterei aufhören sollte: Das Semesterticket sollte wie ein 9€-Ticket bundesweit im ÖPNV gelten.

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Ich würde das anders sehen. Durchschnittsdeutsche bezahlen etwas mehr als 150€ pro Jahr für den ÖPNV. Ein Semesterticket kostet pro Jahr mehr als das Doppelte. Und das Angebot (der Zug/Bus fährt für alle - zumindest, wenn man nicht auf dem Land wohnt, oder eine „Störung im Betriebsablauf“ passiert) steht jeden Tag allen offen. Studierende finanzieren also im Vergleich zur Gesamtbevölkerung überproportional die Ticketeinnahmen des ÖPNV. Und das Beste ist, dass die Einnahmen aus den Semestertickets für die Verkehrsverbünde planbar sind und sogar pandemiesicher waren. Und noch besser ist, dass durch Studierende vollere Busse und Züge für die Verkehrsverbünde auch vorteilhaft sind, da sie Argumente für mehr öffentliche Mittel (Haupteinnahmequelle der Verkehrsverbünde) liefern.

Da stimme ich zu :slight_smile:

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Wo hast du denn die Zahl her?

Da dürften so einige Autofahrer mit eingerechnet sein.

Eine Monatskarte in Berlin Zone AB (Stadtgebiet) kostet 86€ heißt also nach dir, dass die Berliner die restlichen 10 Monate schwarz oder gar nicht ÖPNV fahren.

Zum Vergleich Azubis und Studenten zahlen 58€

Wo gibt es denn diese himmlischen Preise? Hier in Köln ist man mit stolzen 92€ für das ganze Stadtgebiet dabei. Und damit fährt man dann nicht mal bis nach Düsseldorf, sowas ist nicht mit drinn.

Und was das Semsterticket angeht: Das ist der absolute Irrsinn, weil jede Uni das irgendwie selbst verhandelt, und oft die unterschiedlichsten lokalen Verkehrsverbünde „glücklich“ gemacht werden müssen. Da wäre schon lange eine Vereinheitlichung nötig, aber die kleinen lokalen ÖPNV Könige wollen das natürlich nicht.

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Vielleicht hätte ich etwas klarer schreiben sollen, dass Durchschnittsdeutsche pro Jahr etwas mehr als 150€ für den ÖPNV ausgeben. Das folgt, wenn man die ca. 13 Milliarden € Ticketeinnahmen im ÖPNV pro Jahr (Quelle hier) auf 80 Millionen Menschen aufteilt. Dass da auf individueller Ebene eine große Varianz dabei ist, ist klar.

Ja, aber der „Durchschnittsdeutsche“ berechnet sich aus Monatsticket-Inhabern, die im Jahr oft über 1000 Euro zahlen, und einer viel größeren Zahl von ÖPNV-Nicht-Nutzern, die exakt 0 Euro zahlen. So kommt man dann auf 150 Euro im Monat als Durchschnittswert.

Wenn du diese Durchschnittszahl nun mit dem Semesterticketpreis vergleichst, begehst du einen logischen Kardinalfehler. Vergleichsmaßstab für die Kosten des Semestertickets sind die anderen Monatsticketinhaber. Und da sind die Semestertickets natürlich - zum Glück - deutlich billiger. Außer eben jetzt, wo das 9-Euro-Ticket eingeführt wurde. Jetzt kommt der „normale“ Monatsticketinhaber plötzlich deutlich günstiger weg und das ist schon ein Problem, aber da sind wir uns wohl einig.

Dennoch, dass Semestertickets im Vergleich zu regulären Monatstickets deutlich günstiger sind ist ein Fakt. Dass dieser Preis natürlich nur über das Solidaritätsprinzip möglich ist (dh. jeder Studierende muss das Ticket kaufen, auch, wenn er ein Auto hat und keinen ÖPNV nutzt) zeigt einmal mehr, wie problematisch es ist, dass dieses Solidaritätsprinzip für normale Tickets nicht gilt, weil sich Autofahrer schlicht der Solidargemeinschaft der ÖPNV-Finanzierer entziehen können.

Eine Steuerfinanzierung des ÖPNV wäre daher im Prinzip nichts anderes als ein für jeden Bundesbürger gültiges Semesterticket… aber das wird von Konservativen natürlich als „unbezahlbar“ diffamiert, weil die dazu nötigen Steuererhöhungen gerade von FDP und CDU natürlich konsequent und kategorisch abgelehnt werden.

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Ich denke, wir kommen auf verschlungenen Wegen zum selben Schluss: Das hinter Semestertickets stehende Solidarprinzip ist gut.

Aber ich habe stark etwas dagegen, Semestertickets als „mega subventioniert“ zu framen. Hätte jeder Mensch ein Semesterticket, dann hätte der ÖPNV entweder doppelt so hohe Ticketeinnahmen, oder das Semesterticket müsste halb so teuer sein, wie heutzutage.

Ebenso, wie es ein Fakt ist, dass Studierende deutlich weniger als MonatskarteninhaberInnen zahlen (die allerdings formal ihr Abo jederzeit kündigen können), ist es Fakt, dass Studierende mit Semesterticket in etwa doppelt so viel Geld pro Jahr zahlen, wie der Rest der Bevölkerung. Das bedeutet, dass Studierende relativ zu ihrer Zahl doppelt so viel Geld zum ÖPNV beitragen, als der Rest der Bevölkerung. Und es leuchtet mir nicht wirklich ein, warum die Verkehrsverbände nicht alles daran setzen, mehr Menschen in Semesterticket-ähnliche Systeme zu bringen. Man stelle sich vor, jeder würde z.B. 20€ pro Monat bezahlen und dafür wäre der ÖPNV besser als heute und komplett fahrscheinlos.

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Deiner Meinung nach sollte man sich also als StudentIn ein 9€ Ticket zulegen, wenn man bereits zwischen 200 und 300 Euro für ein Semesterticket bezahlt hat und ein Drittel der Studierenden in Armut lebt?
Von diesen 9€ leben manche eine ganze Woche. Sehe ich nicht ein, dass man ein zusätzliches Ticket kaufen sollte, während Beamte oder Menschen mit einem Jobticket, welche zumindest ein geregeltes Einkommen haben, automatisch ein solches Ticket bekommen und zusätzlich noch von Rückerstattungen profitieren.

Das Problem bei dieser Betrachtung ist halt, dass sie das Nutzungsverhalten außer Acht lässt. Es ist daher eine Frage der Betrachtungsweise:

Gemessen an allen ÖPNV-Nutzern zahlen Studenten mit großem Abstand am wenigsten für ihren „Anteil“ an der tatsächlichen ÖPNV-Nutzung. Daher: Sie sind im Schnitt starke Nutzer, die nur verhältnismäßig wenig zur Finanzierung beitragen. Ein Monatskartenbesitzer trägt bei gleichem Nutzungsverhalten deutlich mehr zur Finanzierung bei. Daher kann man schon sagen: Semestertickets sind im aktuellen System die günstigsten Tickets, vor allem seit Einführung der Ländertickets. (ganz NRW für knappe 35 Euro im Monat ist echt günstig!).

Natürlich wäre es möglich, die Kosten für Studierende noch deutlicher zu senken, wenn man die Kosten des ÖPNV nutzungsunabhängig auf alle Bürger verteilen würde (dann wären wir bei deiner Berechnung). Noch fairer wäre natürlich, es direkt aus den Steuern zu finanzieren, sodass Menschen mit hoher Steuerlast (=Vielverdiener) das System auch stärker finanzieren („Leistungsgerechtigkeit“), statt von jedem Bürger pauschal 100 Euro zu nehmen (was Geringverdiener deutlich härter treffen würde als Vielverdiener). Aber an diesem Punkt reden wir halt über ein völlig anderes Finanzierungssystem.

In unserem gegenwärtigen Finanzierungssystem ist das Semesterticket daher ein echt günstiges Angebot, da hat @Dave einfach Recht, wenn er sagt, dass Studierende im Hinblick auf den ÖPNV aktuell privilegiert sind. Dass Geringverdiener und Studierende in einem steuerfinanzierten ÖPNV noch stärker privilegiert wären ändert daran nichts.

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Also ich weiß nicht, wo Du wohnst… Aber hier im RMV kostet 'ne Jahreskarte um mit der Bimmelbahn zwischen Mainz und Wiesbaden (10km) hin-, und herzupendeln 850 Euro. WIll man nach Frankfurt ist man mit 1900 Euro dabei.
Achja… und im gesamten Bundesland fahren - wie bei den meisten Semestertickets - kannst Du damit natürlich noch lange nicht.

Auf 150 Euro pro Person kommst Du vielleicht wenn Du das auf die Bundesbevölkerung inklusive Senioren und Säuglinge runterbrichst… :rofl:

Mag sein, dass das bei uns (vor ca 12 Jahren) anders war, aber damalsTM wurde das Semesterticket subventioniert - sprich die Studierenden haben da garnix finanziert, sondern sie WURDEN finanziert.

Haha… Das meinte ich eben als Scherz… Aber Du meinst das ernst???

Dann muss ich mir dringend ein neues Auto kaufen. In Deutschland werden jedes Jahr ca 120 Milliarden für Neuwagen ausgerechnet. Bei 80 Millionen Bundesbürgern macht das dann 1500 Euro pro PKW. Guter Preis für einen Neuwagen… :rofl:

Da kannst Du gerne was gegen haben, ist aber nunmal Fakt!

Nochmal die Zahlen von oben:
Semesterticket Hessen: ca 250 EUR pro Jahr
Jahres Karte RMV Frankfurt <-> Wiesbaden: ca 1900 EUR pro Jahr.
(da liegt fast Faktor 8 dazwischen)

Ich verstehe aber auch das Problem darin nicht… ÖPNV darf gerne subventioniert werden. Das ganze muss funktionieren und nicht unbedingt rentabel sein…

Ganz einfach: Weil sie dabei drauflegen!!!
(erwähnte ich, dass Semestertickets subventioniert sind?)

Dafür kriege ich hier 2 (in Worten: „Zwei“) Tageskarten für den Innestadtbereich.
Monatskarte kostet ca 200 und nicht 20.

Langsam, langsam… Du kannst jetzt hier nicht den Preis für ein Monatsticket (9 Euro) mit dem Preis von einem Semesterticket vergleichen. Wenn man von den üblichen Preisen (ca 120 Euro) für das Semesterticket ausgeht kommt man damit auf die besagten 20 Euro pro Monat… das ist jetzt nicht mehr sooooooo weit von 9 Euro weg…

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Also in Nürnberg ist das Ticket freiwillig, im Gegensatz zu Studentenwerk usw.
Aber wer es sich nicht leistet ist wirklich selbst schuld.
Ansonsten kann ich das Gejammer der benachteiligten Studenten nur bedingt nachvollziehen.
Alleine was ich an Zeitungs-Abo und Software jedes Jahr gespart hatte…

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Dann ist aber dein Zweiter Satz im Original Post falsch:

Oder besser gesagt, der Vergleich hinkt auf allen Beinen die du finden kannst Incl. Holzbein

Du vergleichst die Durchschnittszahlung aller deutschen mit dem Semesterticket.

Die Einnahmen aus dem Semesterticket sind aber schon bei deiner Durchschnittszahlung mit drin.

Das ist nicht mal Äpfel mit Birnen vergleichen.

Abgesehen davon: die Studenten die kein Semesterticket benötigen zahlen ungefähr genauso viel für den ÖPNV wie der durchschnittliche Nichtnutzer eines ÖPNV Angebots: nichts.

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Zwei mir bekannte FH-Studentinnen haben aufgrund des 9€ Tickets dieses Semester (rückwirkend) ausgesetzt um zu arbeiten. So günstig wie diesen Sommer können sie nie wieder zur Arbeit pendeln, müssen aber natürlich das Semesterticket für die Zeit bis September zurückgeben. Also verlängert das 9€ Ticket zumindest für diese beiden das Studium um ein Semester - macht aber diese beiden (relativ) reicher, indem sie den Studentinnenstatus pausieren.

Ich sehe ein, dass 9€ (bzw. 27€ in drei Monaten) bei Studierenden ein Betrag sind, den manche merken und gerade im Hinblick auf das Argument, man wolle „aufgrund der Inflation die BürgerInnen entlasten“ wird durch dieses organisatorische Chaos bei Semestertickets etwas unterlaufen. Das ist vielleicht auch eine Lehre aus dem Experiment: Das Semesterticketwesen ist total barock. Aber niemand wird gezwungen, das Ding zu kaufen, hoffentlich findet tatsächlich eine Anerkennung und Rückerstattung statt und wenn man eine Reise außerhalb des Geltungsbereichs geplant hat, dann sollten 9€ schon im Budget drin gewesen sein.

Uiuiui, da habe ich ja in ein ganz schönes Wespennest gestochen, mit der Behauptung, dass Semestertickets eher teuer seien @Daniel_K @der_Matti @Olaf.K

Ihr habt wohl Recht, dass es nicht ganz fair ist, die 150€ jährlichen Ticketeinnahmen im ÖPNV pro Kopf in Deutschland gegen die 300-400€ aufzurechnen, die Studierende an vielen Orten pro Jahr für ein vollwertiges Semesterticket in die Kasse spülen, wenn doch ein meist weniger weitreichendes Abo für KundInnen ca. 1.000€ kostet.

Ein Grund, warum wir hier stark unterschiedlicher Meinung zu sein scheinen und ein Misverständnis, das ich einigen Argumentationen zu entnehmen glaube, ist, anzunehmen, dass die Ticketpreise im ÖPNV irgendetwas mit den realen Betriebskosten zu tun hätten. Wer Preise will, die sich in einem freien Markt nach Angebot und Nachfrage bestimmen, muss Taxi oder Flixbus fahren. Ticketpreise im ÖPNV entstehen unter Zwangsbedingungen und hängen von der Schmerzgrenze der NutzerInnen ab:

  • Die Politik beschließt, dass der Verkehrsträger eine Buslinie oder eine U-Bahn-Linie einrichten und betreiben soll und fördert das mit öffentlichen Mitteln. Dadurch ist ein Großteil der Betriebskosten fix.
  • Der Verkehrsverbund (VRR, BVG, MVV, VGN, etc.) hat dieses Angebot umzusetzen und dabei so wirtschaftlich wie möglich zu arbeiten, also den von SteuerzahlerInnen auszugleichenden Verlust so gering wie möglich zu halten.
  • In der betriebswirtschaftlichen Kalkulation der Verkehrsträger kann man nun in einem Graphen die Ticketpreise gegen die erwarteten Ticketerlöse auftragen. Sind die Ticketpreise gleich null, dann gibt es keine Einnahmen, kostet eine Einzelfahrt 100€, dann fährt niemand mehr mit dem ÖPNV und es gibt auch keine Einnahmen. Dazwischen sieht der Graph wie ein umgedrehtes U aus und das Maximum liegt dazwischen und zwar knapp unterhalb der „Schmerzgrenze“ derjenigen, die nur ungern Alternativen nutzen (oder keine Wahl haben). Dabei gibt es Verzerrungen durch politisch gewünschte Sozialtickets, Vergünstigungen für Kinder, etc., aber deutschlandweit scheinen dieses Gewinnmaximum derzeit bei Einnahmen von ca. 150€ pro EinwohnerIn zu liegen. Und da ich annehme, dass da keine Anfänger kalkulieren, wird da bei freiwilligem Ticketkauf nicht viel zu verbessern sein.

Semestertickets, insbesondere die mit Solidarmodell, bei dem quasi alle Studierenden einer Hochschule Beiträge zahlen, sind nun ein Game Changer für die Einnahmenseite: Eine nicht vernachlässigbare Personengruppe spült zuverlässig mehr als doppelt so viel Geld in die Kassen der Betreiber wie der Durchschnitt. Kalkulierbar und pandemiesicher.

Eine kurze Google-Recherche (ich lasse mich aber gerne eines besseren belehren) hat den Eindruck verstärkt, dass Semesterticket-Systeme in der Regel sich selbst tragen. Zu Subventionen findet man wenig und wenn, dann vor allem als Hypothetikum in Diskussionen in der Presse (In Berlin wird derzeit um die Einführung von Subventionen gestritten, in BW wurden 2020 öffentliche Zuschüsse zum Semesterticket diskutiert, In NRW und Bayern habe ich bisher nichts zu Zuschüssen gefunden).

Euer Argument, dass Studierende auch Kapazität des ÖPNV beanspruchen, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Aber das Nutzungsverhalten von Semesterticket-InhaberInnen ist doch auch nicht mit dem von AbonenntInnen gleichzusetzen. Eine Diplomarbeit zum NRW-Semesterticket (bei allen Problemen das wissenschaftlichste, was ich auf die Schnelle gefunden habe) scheint nahezulegen, dass sich ein großer Teil des durch das NRW-Semesterticket induzierten Verkehrs in den Freizeitverkehr mit niedrigerer Auslastung verlegt.

Ich denke, dass man Ticketerlöse von der Frage der Ausweitung des Angebots trennen sollte. Die bestehenden Buslinien werden so lange fahren, wie die Politik das wünscht. Egal ob voll oder leer. Und wenn die Busse voll sind, dann wird das ÖPNV-Angebot genau dann ausgeweitet, wenn die Politik das wünscht und dafür Steuergelder bereitstellt. Tickets finanzieren lediglich einen Teil von Betrieb und Unterhalt der bestehenden Linien.

Ich bleibe dabei: Semestertickets sind selbstverständlich sehr günstig und ich will sie nicht schlechtreden. Aber ich widerspreche der Aussage, dass es sich um ein Almosen oder etwas extrem Subventioniertes handelt. Semestertickets sind auch für die Verkehrsbetriebe nicht weniger wirtschaftlich, als der Verkauf von 1.000€-Abos. Der enorme Preisunterschied für das Individuum resultiert im Wesentlichen aus der Economy of Scale und dem Solidarprinzip.

Also das mit dem Solidarprinzip ist neu für mich, ich kenne nur aus der Historie das Berliner System und da ist es halt so, dass man gegen Nachweis die Karte erhält mit der die ermäßigte Monatskarte Gültigkeit bekommt.

Ich glaube ich musste damals entweder meinen Ausbildungsvertrag vorlegen oder eine Bestätigung vom Betrieb haben um die Trägerkarte zu bekommen.

Nur der Besitz der Trägerkarte war ja kein Zwang auch die Monatskarte zu kaufen.

Den aktuellen Tarifbestimmungen nach ist das zumindest in Berlin auch immernoch so.

Daher meine Reaktion auf deinen Vergleich.

Hm, das erklärt natürlich Misverständnisse, wenn du nicht an Semesterticket = Solidarmodell, sondern an „Semesterticket = günstigeres Abo bei Vorlage eines Studiausweises“ dachtest.

Meines Wissens nach ist aber das Solidarmodell, bei dem alle Studierenden eine Form von Semesterticket erwerben müssen, (in Nürnberg und München in einer besonderen „Sockelbeitrag“-Form) Standard. So auch in Berlin, zumindest schreibt das der Berliner AStA so. Vielleicht wurde das seit deiner Zeit geändert?