269: Betroffenenkreis größer als "Arbeitgebende"

Es geht um das Argument, dass von der Maßnahme der Heimarbeit nur „Arbeitgebende“ betroffen sind und damit ein um Größenordnungen kleinerer Kreis von Personen als bei einer nächtlichen Ausgangssperre. Ich nehme an, es ist eurer persönlichen Präferenz geschuldet, dass ihr das überseht, aber natürlich sind auch all diejenigen betroffen, die zu Hause arbeiten müssen und ggf. auch deren Partner oder Familien von der Nutzung des gemeinsamen Wohnraums für diese Arbeit. Ansonsten könnte man bei den von der Ausgangssperre Betroffenen auch alle subtrahieren, die abends lieber daheim bleiben und nachts lieber schlafen.

Ergänzend: Heimarbeit als postuliertes milderes Mittel zieht eine wirtschaftliche Dimension nach sich, die bei der Ausgangssperre im Prinzip geklärt ist, weil das kommerzielle Nachtleben zuerst unterbunden wurde. Da die Wirtschaft leider weitgehend der direkten staatlichen Kontrolle entzogen ist, aber systemisch natürlich genauso geschützt werden muss wie die (wirtschaftliche Aktivität) der Versorgung von Erkrankten, sehe ich viel Spielraum die Heimarbeit als tieferen Eingriff zu charakterisieren, wenn man Überlegungen zu ihren wirtschaftlichen Auswirkungen in die Abwägung einbezieht.

Hm, wenn ich es richtig verstehe, geht es doch nur um eine Pflicht für Arbeitgeber*innen, in einer Pandemiesituation ihren Arbeitnehmer*innen Home Office zu erlauben, wenn irgendwie möglich. Es kann kein*e Arbeitnehmer*in dazu gezwungen werden, von zu Hause zu arbeiten.

Ja, und es gibt auch Arbeitnehmer, die die Menschen, mit denen sie zusammarbeiten (oder verhandeln) lieber von Angesicht zu Angesicht sehen, als 100 % im Homeoffice zu sein (und dadurch auch effizienter arbeiten könnten).

Hier geht es aber nicht darum, was Menschen „lieber“ machen würden. Sondern, was Menschen aus Solidarität tun sollen, auch wen es für sie ein vertretbares „Opfer“ / „Verzicht“ bedeuten würde.

Nun, es kommt sicherlich auf die Ausgestaltung an. Wie konkret war denn die hypothetische „Home-Office-Pflicht“ ausgearbeitet, die als milderes Mittel vorgeschlagen wird?

Allerdings würde ich sagen, diese Abschwächung arbeitet eher gegen das Argument, denn eine Verpflichtung einzig darauf ein Angebot zu machen, erschwert die Abschätzung der Wirksamkeit doch deutlich. So kommt das Gericht vielleicht zu seiner Einschätzung der Unsicherheit.

Andererseits wenn eine Arbeitsstelle die Umstellung auf Heimarbeit plant, kann man wirklich unterstellen, dass alle ihr Recht abzulehnen kennen (oder sogar darüber aufgeklärt werden) und sich frei fühlen, es auch wahrzunehmen. Wird es nicht doch in vielen Fällen auf eine Bestimmung hinausläufen? (Wobei eine Analyse realer Machtverhältnisse vor Gericht denke ich eine untergeordnete Rolle spielt.)

Nebenbei in der neusten Auflage, wurde die Verpflichtung auch von Arbeitern erwogen:

Aus Süddeutsche Zeitung: „Zurück an den Küchentisch, zurück in alte Zeiten“:

Noch-Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) plant, die Home-Office-Pflicht für Arbeitnehmer wieder einzuführen, und will dabei noch strenger vorgehen als im ersten Halbjahr. Der Entwurf für ein geändertes Infektionsschutzgesetz, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, nimmt nicht nur die Unternehmen in die Pflicht - sondern auch die Mitarbeitenden. Wörtlich heißt es in dem Papier: „Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Die Beschäftigten haben dieses Angebot anzunehmen, soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen.“

Weiß nicht genau, was gegenwärtig der Stand ist.

Wer für seinen Job mehr Zeit braucht und ihn trotzdem weniger gut machen kann, ist auch ein Betroffener der Homeofficepflicht.
Das heißt nicht, dass man deswegen in Zeiten hoher Inzidenz keine Homeofficepflicht verhängen darf, aber es unterstützt schon die Aussage, dass der Betroffenenkreis größer als “Arbeitgebende” ist.