237: Neudefinition Inzidenz

Hallo zusammen,

Ihr seid darauf eingegangen, dass die Berechnung des Inzidenzwerts neu definiert werden sollte wegen A: Mehr Tests (hier stimme ich zu) und B: Anteil Geimpfter.

Nach der Beschriebenen Logik (Geimpfte aus dem Nenner rausnehmen) führt das langfristig aber auch zu falschen Maßnahmen:
Beispiel: Impfrate 99% → Wahlkreis mit 100k Personen hat nur noch 1k Personen die nicht geimpft sind. Wenn sich jetzt 100 Personen infizieren, dann wäre das nach der beschriebenen Logik (100/1000)*100.000 = 10.000er Inzidenz (Multiplikation mit 100.000 muss gemacht werden um vergleichbare Skalen zu haben, so habe ich das Argument verstanden). Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Ungeimpfte treffen und anstecken können ist aber viel geringer als bei niedrigen Impfraten. Man könnte die hohe Inzidenz also in Kauf nehmen.

Ein anderer Vorschlag:
Man löst sich komplett von der Inzidenz. Es geht doch darum, Schwere und Todesfälle zu verhindert. Wenn Risikopatienten geimpft sind, können wir auch deutlich höhere Inzidenzen hinnehmen. Ich würde also Todesraten und Auslastung von Intensivbetten als Kennzahl nehmen, oder zumindest mit einfließen lassen.

Hierfür müssten wir uns grundsätzlich erst einmal auf ein Ziel einigen :wink: Wenn dieses die Vermeidung der Gesundheitssystemüberlastung ist, geht dein Ansatz mE in die richtige Richtung; sofern auch LongCovid & Verminderung von Mutationsbildung Teil eines Gesamtziels sind, wahrscheinlich aber nicht ausreichend.

Sofern letzteres nicht berücksichtigt wird, wären zwar eigentlich die Inzidenz & Dynamik (also R-Wert) die besten Regelgrößen, da sie die geringsten Zeitverzug aufweisen und auch noch eine hinreichende Kopplung zu schweren Verläufen aufweisen. Sofern diese Kopplung kontinuierlich abnimmt, kann man dies mittels CFR-Modellen berücksichtigen. Da aber die Politik sowieso elendig langsam reagiert (seit Januar wurde nichts bzgl B117 unternommen), kann man auch die „stabileren“ Krankenhauseinweisungen betrachten, auch wenn diese Zahlen 1-2 Wochen langsamer sind. Das wichtige ist nur, dass man die Sollgröße der ITS-Auslastung sehr gering ansetzt (gleiche Argumentation wie bei NoCovid: geringe Inzidenz → Minimierung d. Schäden für Gesundheit und Wirtschaft) und mit großem Gewicht auf die Dynamik der ITS-Auslastung (Corona-Einweisungen pro Tag) guckt.

Das Beispiel ist ja unrealistisch, weil hier die Pandemie vorbei wäre.

Relevant ist das ganze v. a. solange Impfungen ungleich zwischen Gruppen verteilt sind und deshalb Infektionsketten nicht unterbrechen können.
Es geht also um eine Zwischenzeit, mal ebenso plakativ, hypothetisch: 50% Impfquote in einer Großstadt, aber fast nur in den Altenheimen und sehr wohlhabenden Vierteln, Menschen mit höherem Bildungsabschluss (zeichnet sich in den USA leider so ab und für DE und AZ gab es zumindest mal so ein paar anekdotische Schlagzeilen, dass der Impfstoff wegen der katastrophalen Kommunikation v. a. gut selbst informierten Akademiker:innen vermittelbar sei). Ausbruch in ärmeren Teilen der Stadt, Gesamtinzidenz 75, auf den relevanten Teil bezogen aber eigentlich 150.

In diesem Beispiel müssten offensichtlich insgesamt einfach deutlich differenziertere Maßnahmen getroffen und reagiert werden.

So oder so glaube ich allerdings nicht, dass dieser Effekt wirklich so ausgeprägt relevant wird und einen adäquaten Umgang damit erwarte ich in Deutschland auch nicht unbedingt.

Weiterer Punkt: Wenn jetzt fast nur noch Kinder infiziert sind und die vielleicht eine Inzidenz von 1.000 bei überwiegend geimpfter erwachsener Bevölkerung haben könnte man auch überlegen, ob man da was gegen machen will, auch wenn das lokal dann vielleicht nur eine Inzidenz von 50 ist.

Impfungen finden zumindest aktuell primär in Peer-Groups statt. Im Altenheim sind alle durchgeimpft, im Fußballverein ein paar, und in der Schulklasse gar nicht (ich verallgemeinere). Das ist natürlich bei 99% nicht mehr der Fall.

Wenn die Wahrscheinlichkeit für ein Treffen unter Ungeimpften wirklich so gering ist, wie schafft es dein Beispielwahlkreis dann, dass sich 100 von 1000 Ungeimpften innerhalb von 7 Tagen infizieren?
Hier gibt es also definitiv ein Problem, wenn auch nicht im Gesundheitssystem.