Vorweg: es ist mMn ein vernünftiges Prinzip, die Aussagen von Personen weitgehend getrennt voneinander zu beurteilen. Also nicht wegen einer Aussage einer Person, die man ablehnt, automatisch andere Aussaagen derselben Person in Frage zu stellen (nur wegen der anderen Aussage) oder gar die Person abzulehnen.
Das sehe ich so bis zu einem gewissen Grad und halte es für gute Diskurskultur.
Aber: in einigen Fällen tue ich mir schwer damit. So auch bei einer Aussage von Thomas Wiegold, der in dieser Folge interviewt wird.
Zitate:
1:22:07 Ulf Buermeyer:
Es fallen immer wieder einzelne Menschen in der Bundeswehr auf durch rechtsextremistische Tendenzen. Manche sagen, die Bundeswehr habe hier sogar ein strukturelles Problem. Und dazu würde es natürlich jetzt nicht so richtig gut passen, diese Truppe zugleich noch mit enormen Summen weiter aufzurüsten …
1:22:35 Thomas Wiegold:
Oh Gott. Hahaha. Ich stoße mich ganz ehrlich an dem Begriff Aufrüstung. Die Bundeswehr wird nicht vergrößert, sie soll nicht zusätzliche Waffensysteme kriegen. Sondern sie soll - das ist ja das Verrückte - sie soll eigentlich das können, was sie auf dem Papier theoretisch heute schon kann.
Soso, Herr Wiegold behauptet, die zusätzlichen 100 Milliarden seien keine Aufrüstung. Da hat Herr Wiegold mMn eine ziemlich fragwürdige Auffassung des Begriffs „Aufrüstung“, weswegen ich - entgegen meinem oben erwähnten Diskurs-Prinzip - jetzt mal grundsätzlich seine Haltung zur Frage von Aufrüstung und zur Rüstungspolitik stark in Frage stelle.
Aus meiner Sicht ist Aufrüstung folgendes: jede Aktion, die zur Folge hat, dass die Schlagfähigkeit einer Armee gesteigert wird ist Aufrüstung. Ein zusätzlicher Panzer, zusätzliche Munition, zusätzliche Gewehre oder Flugzeuge, zusätzliches Personal zur Bedienung/Wartung dieser Gegenstände, alles Aufrüstung.
Dabei ist völlig unerheblich, welche Schlagfähigkeit die Armee auf dem Papier haben soll oder ob dieses Soll erfüllt wird oder ob dieses Soll erhöht wird. Es zählt einzig und allein: vergrößert sich die faktische Schlagfähigkeit? Wenn ja, dann ist das Aufrüstung.
Wenn mir jetzt jemand wie Herr Wiegold weis machen will, eine Vergößerung der Schlagfähigkeit (und die wird - egal wie groß/klein - durch die 100 Milliarden eintreten) sei keine Aufrüstung, dann zweifle ich an seiner Neutralität in der Sache. Seine Intelligenz scheint mir unbestritten, also bleibt nur die Möglichkeit eines krassen Irrtums oder eben der Versuch, durch vorsätzliche Umdeutung von Begriffen bestimmten Interessen zu dienen. In diesem Fall könnten diese bestimmten Interessen eben die des Rüstungssektors oder des staatlichen Verteidigungssektors sein.
Jedenfalls bin ich ein bisschen fassungslos, dass hier weder Herr Buermeyer noch Herr Banse die dreiste Umdeutung des Begriffes kritisiert haben.