Töten anderer Verkehrsteilnehmer als Bagatelldelikt

Okay, wenn es dieses Missverhältnis wirklich gibt, stimme ich dir absolut zu, dass das geändert werden müsste. Das Problem ist natürlich, dass man dazu erst mal eine wissenschaftliche Untersuchung bräuchte und die Strafjustiz leider nicht sehr kooperativ ist, hier Daten für wissenschaftliche Zwecke zu teilen.

Das wäre durchaus ein Thema für eine juristische Dissertation, also hier mal gezielt zu schauen, so weit öffentliche Urteile vorliegen, ob es hier einen Unterschied gibt und wie der sich historisch entwickelt hat. Ich kann mir gut vorstellen, dass gerade in der Anfangszeit des Automobilverkehrs die Bestrafung von Autofahrern eher härter war als von anderen Verkehrsteilnehmern, sich das dann aber im Rahmen des „deutschen Wirtschaftswunders“ und der besonderen Stellung der Automobilindustrie umgekehrt hat.

Letztlich kann es viele Gründe für eine „niedrigere Bestrafung“ von Verkehrsfahrlässigkeiten gegenüber anderen Fahrlässigkeiten geben. Zum einen die von dir genannte wirtschaftlich-politische Ebene, aber auch die bloße subjektive Ebene: Jeder Richter ist vermutlich auch selbst Autofahrer und weiß, wie schnell sich da ein potenziell tödlicher Unfall ereignen kann, während bei anderen Fahrlässigkeiten häufig keine so enge Vertrautheit besteht und intuitiv gedacht wird: „Daran hätte man doch denken müssen!“.

Egal, wie es begründet ist, wenn es tatsächlich ein nachweisbarer Effekt ist, müsste man hier natürlich nachbessern. Faktisch sollten tödliche Fahrlässigkeiten im Straßenverkehr natürlich nicht besser gestellt werden als tödliche Fahrlässigkeiten in anderen Bereichen.

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Was mich oft wundert sind die niedrigen Strafen bei einfach nicht zu rechtfertigen Rasereien. 180 km/h bei 60 zulässigen: 3 Monate Führerscheinentzug. Wie kann man das rechtfertigen? Ok 80 km/h oder 100 km/h bei 60 erlaubten (es war am mittleren Ring in München und nicht bei irgendeiner Ortseinfahrt) kann ich verstehen, kann passieren. Aber 180kmh?!?!
Manchmal dann noch mit Verfolgungsjagd mit der Polizei. Vielleicht können die beiden ja mal beleuchten, warum hier mit aus meiner Sicht geringen Strafen zu rechnen ist.
Nur ein Beispiel:

Wer googelt findet viele der o.g. Beispiele. Im obigen wurde wegen Einspruch der Führerscheinentzug von 3 auf 1 Monate reduziert - weil der Fahrer hauptberuflich Chauffeur ist und ihn braucht?!? Ok, der bringt dich schnell von A nach B.

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Das Problem ist hier:
In diesem Fall hat der Täter keinen Menschen getötet oder auch nur verletzt. Er hat die Strafe (ursprünglich drei Monate Führerscheinenzug und 2000 Euro Geldstrafe) „nur“ dafür bekommen, mit 180 km/h durch die 60er-Zone gerast zu sein. Es war daher keine fahrlässige Tötung, sondern letztlich nur relativ geringfügige Straßenverkehrsgefährdungsdelikte (ob die höher bestraft werden sollten wäre noch mal eine ganz andere Diskussion!).

Wäre bei diesem Autorennen ein Mensch zu Tode gekommen, wäre der Fall vermutlich ähnlich behandelt worden wie der des Kudamm-Rasers, kurzum: Dann hätten wir erstmal diskutieren müssen, ob das überhaupt Fahrlässigkeit ist, oder wir schon einen bedingten Vorsatz erblicken und gar zum Mord kommen.

Also wir reden hier über verschiedene Fälle:

  1. Fälle mit „normaler Fahrlässigkeit“ (die Geschwindigkeit eingehalten oder leicht überschritten, dabei eine Person übersehen, eine Vorfahrt missachtet, einen Abstand nicht eingehalten…) und schrecklichen Folgen —> Fahrlässige Tötung, mäßige Strafhöhe

  2. Fälle mit „extremer Fahrlässigkeit“ (Straßenrennen in der Innenstadt, Fahren unter starkem Alkohol-oder Drogeneinfluss), die glimpflich ausgegangen sind —> Nur Gefährdung des Straßenverkehrs u.ä., mäßige Strafhöhe

  3. Fälle mit „extremer Fahrlässigkeit“ mit schrecklichen Folgen —> Harte Strafen, bis hin zu Lebenslänglich für Mord.

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naja, mit 180kmh durch eine 60kmh zone zu rasen…
bei der Geschw ist klar, dass man nicht mehr rechtzeitig reagieren kann, wenn man mal bremsen muss.
dh bei einer derart hohen Geschw Überschreitung hast Du schon extreme Fahrlässigkeit. grade als Chauffeur und berufsmäßiger Fahrer kann er das einschätzen.

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Das ist doch unbestritten?
Aber es ist in diesem Fall halt „nichts passiert“, deswegen reden wir hier über Fallgruppe 2 mit mäßiger Strafhöhe und nicht über Fallgruppe 1 (wie beim Fall im Ursprungspost dieses Threads) mit einer fahrlässigen Tötung oder gar Fallgruppe 3 wie beim Kudamm-Raser.

Vielleicht, um das noch mal deutlicher zu machen:

Wenn eine Fahrlässigkeit vorliegt, bei der wir sagen würden: „Okay, das war Mist, das darf eigentlich nicht sein, aber das hätte jedem von uns passieren können, weil wir eben nicht perfekt sind“ und es kommt dadurch zu einem Todesfall, ist das Ergebnis, dass wir sagen: Auch der Täter hatte einfach „Pech“, dass er etwas - zwar definitiv falsches - getan hat, aber ausgerechnet bei ihm dieses „Falsche“ zu einer massiven Konsequenz geführt hat, während tausende Andere, die Fahrlässigkeiten ähnlicher Schweregrade begehen, „Glück“ haben, dass nicht passiert ist. Hier wäre es nicht gerecht, dieses „Pech“, dass ausgerechnet bei ihm sich eine Gefahr verwirklicht hat (und er sich deshalb wohl ewig Vorwürfe machen wird), auch noch strafrechtlich zu verstärken. Deshalb hat „fahrlässige Tötung“ hier einen so niedrigen Strafrahmen.

Wenn hingegen eine Fahrlässigkeit vorliegt, bei der wir alle sagen würden: „Okay, das war dermaßen daneben, das ist unmöglich zu rechtfertigen. Das war nichts, was uns allen mal passieren könnte, sondern etwas, das schon an kriminelle Energie grenzt“, sieht das anders aus. Wenn es in solch einem Fall zu einem tödlichen Unfall kommt reden wir deshalb nicht mehr von „fahrlässiger Tötung“ mit dem geringen Strafrahmen, sondern von erheblich höher bestraften Delikten (Mord, Totschlag, oder zumindest der neue §315 StGB mit seiner Strafzumessung von 1 bis 10 Jahren im Falle einer fahrlässigen Tötung!).

In dem von @Idefix2 genannten Beispiel ging es um eine solche Fahrlässigkeit der zweiten Gruppe, daher eine extreme Fahrlässigkeit. Aber es kam eben zu keinem Todesfall, nicht mal zu einer konkreten Gefährdung. Genau für solche Fälle wurde der neue §315d Abs. 1 eingeführt, der zumindest etwas härtere Strafen ermöglicht als sie in dem von @Idefix2 verlinkten Artikel (aus 2018, vor Einführung des §315d StGB!) ausgesprochen wurden. Insofern hat die Gesetzgebung diesen Fall sogar schon überholt.

Dann haben wir hier ein Riesenproblem in der Gesetzgebung. Wer so viel Prozent zu schnell als erlaubt fährt hat am Steuer nichts verloren und scheint nicht fähig ein KFZ zu fahren. Das ist durch nichts mehr zu rechtfertigen. Solche Menschen nehmen den möglichen Tod anderer völlig gleichgültig in Kauf. Das kannst du gern anders argumentieren, aber für mich sind solche Raser gemeingefährlich und haben das Recht ein KFZ zu führen verwirkt.

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Deshalb gibt es für solche Fälle auch Fahrverbote. Die Frage ist hier allerdings in der Tat, wie lange die sein sollten. Das Gericht ist für kurzfristige, strafende Maßnahmen zuständig. Dies waren in dem Fall erst das 3-monatige Fahrverbot, welches dann auf einen Monat verringert wurde. Ob die betreffende Person langfristig zuverlässig genug ist, ihr das Führen eines KFZ zu erlauben, entscheidet nicht das Gericht - und das geht auch aus dem Artikel hervor:

Daher: Die Führerscheinbehörde hat die Möglichkeit, eine MPU anzuordnen, bei der gechecked werden soll, ob davon auszugehen ist, dass von dem Fahrer weitere Gefahren ausgehen oder ob er nun „geläutert“ ist. Das entscheidet nicht das Gericht, sondern letztlich ein Psychologe.

Wir können wie gesagt gerne darüber diskutieren, wie streng eine MPU sein sollte und wie hoch unsere Anforderungen an die Zuverlässigkeit der Fahrer sein sollten. Aber das sollte bitte sachlich geschehen, nicht auf Grundlage von „Der hat einmal riesigen Mist gebaut und sollte deshalb sein Leben lang keinen Führerschein mehr haben!“. Lebenslängliche Strafen haben wir in Deutschland aus gutem Grund nicht, eben weil wir daran glauben, dass jeder Mensch mehr als eine Chance verdient hat.

Genau da sieht man - wie bei anderen Fällen auch - die Sonderrechtsstellung es Autos: Wenn ich einen Schein für das Führen einer Motorsäge mache und danach mit meiner laufenden Motorsäge im Zuschauerrangs eines Stadions eine Piourette drehe, bei der dann - fahrlässig? - einige Umstehende verletzt oder getötet werden, wird kein Gericht ernsthaft überlegen, ob ich das vielleicht hätte vorhersehen müssen. Wenn einer mit dreifacher oder noch krasser überhöhter Geschwindigkeit durch die Innenstadt rast, wird erstmal nachzuweisen sein, ob er denn davon ausgehen musste, dass dabei Menschen zu Schaden kommen könnten. Immer wieder kommen so auch Täter mit relativ milden Straßen davon. Als hätten wir alle den Führerschein geschenkt bekommen und nicht dutzenden Theorie-und Praxisstunden gehabt, wird akzeptiert, wenn da Leute sitzen, die behaupten, sie hätten ja wirklich geglaubt, das alles im Griff haben zu können und dass da niemandem was passieren kann.

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Bei aller berechtigen Ablehnung von Rasern möchte ich auch dich bitten, den Populismus etwas zurück zu fahren und auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben.

Du vergleichst hier ganz unterschiedliche Fallkonstellationen:
Wenn im „Motorsägen-Jonglage-Fall“ alles gut geht wird es hier nicht mal zu einem Strafverfahren kommen, weil es keinen Straftatbestand der „Gefährdung durch Motorsägen-Pirouetten“ gibt. Auch den Motorsägen-Führerschein würde man in diesem Fall nicht aberkennen.
Wenn im „mit 180 durch die 60er-Zone-Fall“ alles gut geht wird es dennoch zu einem Strafverfahren kommen, weil es explizit dafür mehrere Straftatbestände gibt.

In reinen „Gefährdungs-Fällen ohne Opfer“ werden straßenverkehrsrechtliche Fahrlässigkeiten also in der Tat stärker bestraft als andere Fahrlässigkeiten, die i.d.R. erst bestraft werden, wenn es wirklich zu einem Schaden kam.

In Fällen hingegen, in denen es zu Opfern kam, sähe das anders aus:
Wenn im Motorsägen-Fall ein Zuschauer zu Tode käme gäbe es garantiert Ermittlungen, bei denen zu prüfen wäre, ob „nur“ fahrlässige Tötung vorliegt (dh. (bewusste) Fahrlässigkeit) oder oder ob hier schon die Grenze zu bedingtem Vorsatz überschritten ist (dh. Totschlag oder zumindest Körperverletzung mit Todesfolge, weil i.d.R. nicht von einem bedingten Tötungsvorsatz ausgegangen wird).
Wenn im „mit 180 durch die 60er-Zone-Fall“ ein Mensch zu Tode käme wäre das genau so, siehe Kudamm-Fall oder den Hamburger Raser-Fall. Auch hier würde geprüft, ob es noch (bewusste) Fahrlässigkeit oder schon bedingter Vorsatz war.

In solchen Fällen kann eigentlich explizit nicht davon gesprochen werden, dass Raser besser behandelt würden als andere grob fahrlässige Menschen. Denn dass im Kudamm-Fall erstmals aus einer fahrlässigen Tötung ein Mord konstruiert wurde, war ein juristisches Novum, das man außerhalb des Straßenverkehrs eigentlich nie hatte: Also dass aus einer sehr rücksichtslosen Fahrlässigkeit ein bedingter Vorsatz und sogar ein Mordmerkmal konstruiert wurde. Also in diesen Extremfällen würde ich argumentieren, dass die Rechtsprechung Raser-Fälle sogar härter behandelt als vergleichbare Fahrlässigkeiten ohne KFZ-Bezug, deshalb hat das Mordurteil im Kudamm-Fall ja auch so ein Medienecho hervorgerufen.

In diesem Sinne teile ich die Einschätzung nicht, dass in Fallgruppen 2 und 3 aus meinem obigen Post eine Privilegierung von Autofahrern vorliegen würde. Einzig in Fallgruppe 1 (daher geringe Fahrlässigkeit mit schrecklichen Folgen) kann man - wie beim Ursprungspost dieses Threads - darüber diskutieren, ob hier Richter vielleicht zu viel Verständnis für die Autofahrer haben. Deshalb finde ich es extrem wichtig, diese drei Fallgruppen auseinander zu halten.

Wer mit 180 km/h über den mittleren Ring fährt handelt nicht mehr fahrlässig sondern vorsätzlich. Nur was aus dieser vorsätzlichen Übertretung wird entscheidet dann der Zufall.

Für mich ist das Vergehen mit 180 über den mittleren Ring zu fahren schlimmer als viele Fälle der fahrlässigen Tötung. Das ist ein bisschen wie mit dem Maschinengewehr in eine Menschenmenge zu schießen.

Fahrverbote gehören aber natürlich dann auch beim allgemeinen Strafmaß mit berücksichtigt, insbesondere wenn sie auch noch berufliche Konsequenzen haben.

Für viele dürfte ein langfristiges Fahrverbot mehr Konsequenzen haben als eine Bewährungsstrafe.

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Die Frage, wie das Strafmaß bei fahrlässiger Tötung außerhalb des Straßenverkehrs aussieht, hat mich auch gerade beschäftigt, und bei Durchsicht von Urteilen von Rechtsprechung zu § 222 StGB - Seite 1 von 27 - dejure.org scheint das generell niedrig zu sein. Siehe ein paar Beispiele unter morgenbart: "@pmdj@mstdn.social @koen_hufkens@mastodon.social …" - Mastodon.

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Wie gesagt, die Abgrenzung von „bewusster Fahrlässigkeit“ („Das wird schon gut gehen!“) zu „bedingtem Vorsatz“ („Mir doch egal, ob dabei jemand stirbt“) ist der Kern der Frage, ob es zu einer Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung oder wie im Kudamm-Fall Mord kommt. Bei Straßenrennen mit 180 km/h durch die Innenstadt wird aktuell tatsächlich eher ein bedingter Vorsatz gesehen, insofern stimmt die Rechtsprechung mit deinem Empfinden überein. Damit es aber zu einer hohen Strafe kommt muss eben auch noch etwas passieren, weil es sonst ein reines Gefährdungsdelikt ist.

Das ist letztlich die Frage, was man höher gewichtet: Den tatsächlich angerichteten Schaden oder die abstrakte Gefährdung. Wer mit 180 km/h durch die Innenstadt rast erzeugt damit eine erhebliche Gefahr, aber wenn die sich nicht in einem tatsächlichen Schaden verwirklicht, ist es schwer, die Tat schwerer zu verurteilen, als eine Tat mit deutlich niedrigerer Fahrlässigkeit, bei der ein Mensch zu Tode gekommen ist.

Nicht wirklich, auch hier liegt wieder ein Kategorie-Fehler vor. Wer in eine Menschenmenge schießt erzeugt damit eine konkrete Gefährdung, wer durch die Innenstadt rast erzeugt eine abstrakte Gefährdung. Der Maschinengewehr-Fall wäre vergleichbar mit einem Autorennen durch eine belebte Fußgängerzone, der Fall des normalen Autorennens durch die Innenstadt in der Nacht ist eher vergleichbar damit, als Jäger mit einem Maschinengewehr auf ein Tier am Waldrand in Richtung eines Dorfes zu schießen. Es gibt die realistische Wahrscheinlichkeit (im einstelligen Prozentbereich), dass es dadurch zu einem erheblichen Personenschaden kommt, aber es ist nicht sicher.

Das ist letztlich eine rechtspolitische Frage. Wie gesagt, ich bin grundsätzlich gegen hohe Strafen für fahrlässige Tötung. Der erste Fall aus der von dir gelinkten Liste, den ich angeklickt habe, war der eines Stromschlages an einer Supermarkt-Kasse, durch den ein Vierjähriger gestorben ist. Unglaublich tragisch, aber ich sehe wirklich nicht, wie es hilft, nun auch die Supermarkt-Betreiber dafür noch in’s Gefängnis zu stecken. Strafen können den Schaden nicht wieder gutmachen, und das Leben der Täter, denen lediglich Unachtsamkeit vorgeworfen werden kann, nun auch noch zu zerstören, hilft wirklich niemanden. Ich habe da einfach zu viel Mitleid mit auf allen Seiten betroffenen, sich vorzustellen, einen Menschen durch eine dumme Unachtsamkeit getötet zu haben, macht mir sehr deutlich, welches massiven Einfluss das auf das Leben des Täters bereits haben muss. Dabei muss man immer daran denken, dass Todesfälle durch Fahrlässigkeit in der Regel eine Verkettung ungünstiger Umstände sind - ja, jemand hat einen vermeidbaren Fehler gemacht, aber dass dieser Fehler zu einem Todesfall führt ist eben extremes Pech, wenn 99,99% aller gleichartigen Fehler nicht zu Todesfällen führen. Ich bleibe daher dabei, dass ich keine Notwendigkeit für höhere Strafen sehe.

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Vielleicht sollten wir aufhören den Führerscheinentzug als Strafe zu werten. Letztlich beschreibt der Führerschein die Eignung eines Menschen ein Fahrzeug sicher (d.h. ohne Fremd- und Eigengefährdung) im öffentlichen Verkehr zu fahren. Wenn jemand z.B. wegen Blindheit oder einer anderen Behinderung nicht in der Lage ist einen Führerschein zu erhalten, sprechen wir nicht von einer Strafe (im rechtlichen Sinne) die diese Person erhält.

Eine Person die durch Trunkenheit am Steuer oder stark überhöhter Geschwindigkeit auffällt, zeigt an, dass sie nicht in der Lage ist, sich an die geltenden Verkehrsregeln zu halten. Der mangel an geistiger Reife ist Grund genug um den Führerschein zu entziehen, da die Person offenkundig nicht die erforderliche Eignung für einen Führerschein besitzt. Das ist dann einfach eine Tatsache und keine Strafe.

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Ich finde das ist zumindest Ansichtssache, denn wer mindestens 150 zu schnell fährt mit Fußgängern in direkter Reichweite verlässt durchaus das abstrakte und nimmt schwere Kollateralschäden wie im Beispiel mit dem Maschinengewehr bewusst und egoistisch in Kauf.

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Der Entzug des Führerscheins dient der Verhinderung zukünftiger Unfälle, wäre also in diesem Fall unbedingt notwendig gewesen.

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Das „Jäger feuert Richtung Dorf“-Szenario würde ich eher mit einem Autorennen um 3 Uhr nachts auf einer (geschwindigkeitsbegrenzten) dreispurigen Autobahn vergleichen – meistens geht alles gut, weil nur ab und zu ein weiterer Verkehrsteilnehmer auf der rechten Spur ist.

Um das innerstädtische Maschinengewehr- bzw. Autorennen-Szenario entgültig vom Thema des Threads wegzubringen: Den Maschinengewehrschützen dürfte man im Sinne der Notwehr bzw. Nothilfe durch einen Kopfschuss von seiner rechtswidrigen Handlung abbringen. In welchem Szenario darf man den Autorennfahrer durch einen Kopfschuss von seiner rechtswidrigen Handlung abbringen? (Oder alternativ das Fahrzeug durch den Einsatz einer Panzerfaust stoppen?)

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Wir reden hier über ein juristisches Thema, daher sollten wir die juristische Terminologie verwenden und keine Alltags-Terminologie (wobei die sich gar nicht so sehr unterscheiden, was deinen Punkt noch zweifelhafter scheinen lässt).

Der Unterschied zwischen „abstrakter“ und „konkreter“ Gefährdung ist sehr simpel zu bestimmen:
Kam es zu einer tatsächlichen Gefährdung im Sinne eines „Beinahe-Unfalls“ oder gar eines vollständigen Unfalls? Ist das der Fall, sind wir bei einer konkreten Gefährdung, ist das nicht der Fall, ist die Gefährdung abstrakt.

Ein Autorennen mit 180 km/h durch eine Innenstadt ist daher so lange eine abstrakte Gefährdung, bis es zu einer konkreten Gefahrensituation kommt. Muss ein Fußgänger auf das Rennen reagieren (z.B. wegspringen oder auch nur spontan anhalten) oder muss der Fahrer auf einen Fußgänger reagieren (z.B. Vollbremsung, Ausweichbewegungen) sind wir im Bereich der konkreten Gefährdung, bis dahin nicht. Daran gibt es wirklich nichts zu diskutieren.

Die Unterscheidung ist für die Frage nach der Strafe ausgesprochen relevant. Während der neue § 315d StGB im Falle abstrakter Gefährdungen in Absatz 1 nur eine bis zu zweijährige Freiheitsstrafe vorsieht (also gleicher Strafrahmen zur einfachen Sachbeschädigung), sieht er im Falle einer konkreten Gefährdung in Absatz 2 eine bis zu fünfjährige Freiheitsstrafe vor (also gleicher Strafrahmen wie bei Körperverletzungen oder Diebstählen). Wenn es nicht nur bei einer Gefährdung bleibt, sondern tatsächlich ein Mensch massiv zu Schaden kommt, ist es gar ein Verbrechen mit einem Strafrahmen von 1 bis 10 Jahren.

Diese Unterscheidungen, die ich in diesem Thread immer wieder aufbaue, sind daher nicht ohne Grund. Aber das Problem ist bei solchen Debatten immer wieder die Emotionalisierung der Teilnehmer, wenn dann aus einer abstrakten Gefährdung wegen der absolut nachvollziehbaren Missbilligung der Tat um Biegen und Brechen eine konkrete Gefährdung zu konstruieren versucht wird.

Zur Frage, wann nach einem Unfall die Fahrerlaubnis entzogen werden kann, habe ich hier eine gute Übersicht mit Zitaten aus den entsprechenden Gesetzen gefunden:

Im § 69 Abs. 1 Satz 1 des Strafgesetzbuches steht deshalb Folgendes:

Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Einer weiteren Prüfung nach § 62 bedarf es nicht.

Rechtlich scheint es dem Richter also möglich, einem Fahrer die Fahrerlaubnis zu entziehen wenn er dessen Fahrtüchtig aufgrund des Unfallhergangs als nicht gegeben sieht.

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Andere Länder lösen das juristische Problem bzgl überhöhter Geschwindigkeit viel einfacher: bei geringer Überschreitung gibt es geringe Strafen, das steigert sich, bei hoher Überschreitung gibt es harsche Strafen. Das kann man dann alles in klar festgelegten Einheiten (kmh, bzw Höhe der Geldstrafe und Dauer des Führerscheinentzugs) in einem Katalog festlegen.

Deutschland dagegen hat vor einigen Jahren stattdessen den Aspekt fahrlässige Tötung oder Mord mit bedingtem Vorsatz, also die juristischen Kategorien zu Tötungsdelikten, in die Auto-Unfall-Totfahren Debatte eingebracht. Dabei war zudem zuerst der Blick extrem verengt auf illegale Autowettrennen. Als wäre der nette Familienvater, der aus Versehen viel zu schnell fährt, nicht auch eine Gefahr. Ausserdem bedeutet die Anwendung von Begriffen wie „fahrlässige Tötung“ oder " Mord mit bedingtem Vorsatz", dass man schaut, was im Kopf des Unfallverursachers vorging. Ob er wusste, was er tat, welche Folgen sein Handeln haben kann. Was dann ggf verneint wurde, denn er wollte auch sich selbst verm. nicht gefährden, bzw seine Freundin auf dem Beifahrersitz, … usw usf.

Wie gesagt, die Vorgehensweise anderer Länder ist das viel einfacher, und in meinen Augen auch sehr viel sinnvoller.

Naja, zum Ausgangspunkt dieses Threads (der Unfalltod von Natenom und das milde Urteil ggü dem Unfallverursacher) würde solch eine Gesetzesänderung auch nichts beitragen.

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