Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in D

Ohne die USA wäre das Europa sicher nicht mehr.
Ob man ihn mag oder nicht, Donald Trump hat völlig Recht ständig darauf hinzuweisen (wenn auch alles andere als staatsmännisch und diplomatisch), dass die Amerikaner seit Jahrzehnten die Kosten für die Verteidigung eines freien Europas überproportional tragen.
Vor allem DE hat seine Fähigkeiten in den letzten Jahren völlig kaputtgespart, diese wieder aufzubauen wird kosten. Jedes Jahr mehr. Da sind sich alle Experten einig.

Und natürlich können wir uns nicht alle 4 Jahre auf die Wahlentscheidung in den USA abhängig machen.

2 „Gefällt mir“

Der Vergleich ist tatsächlich schwierig, denn es wird keineswegs diskutiert gegen Steuerbetrug vorzugehen (ganz davon ab dass es sehr unrealistisch ist hier die volle Summe zu erzielen), sondern eben genau in anderen Bereichen. Mein Vergleich hinkt also nicht. Genau das ist die aktuelle Lösung der Politik.

Nun, das ist ja auch kein Naturgesetz, sondern ein von Menschen gemachtes Problem. Diplomatie, so man sie denn nicht mit der Moralkeule macht, könnte helfen, zumindest im Kreis von miteinander Verbündeten. Klar, hilft nicht gegen einen machthungrigen Diktator wie Putin, aber soweit sind wir ja hoffentlich bei den USA noch nicht.
Mein Problem dabei st dann ja auch (wenn man man die reine Finanzierung mal außer acht lässt), dass die USA dann ja nicht weniger Militärausgaben und produktion haben werden, sondern diese nur nach China ausrichtet. Wenn dann Europa adäquat aufrüsten würde, wäre es der nächste Sargnagel für das Klima.

Aber das Problem ist doch Putin und nicht die USA. Es ist ziemlich offensichtlich, dass Putin am liebsten ganz Europa militärisch dominieren würde. Dass er das nicht ernsthaft versucht liegt wesentlich am US-amerikanischen Engagement für die Sicherheit der EU (das nicht völlig uneigennützig ist, denn die USA profitieren natürlich von einem Europa, dass mit den eigenen politischen Werten übereinstimmt und ein verlässlicher wirtschaftlicher Partner ist).

Was @Steinkern und andere hier anmahnen, ist dass die USA unter einem Präsident Trump/Vance/Idiot der Stunde diese Unterstützung Europas einfach einstellen könnten. Und dann stehen wir mit heruntergelassenen Hosen da.

Diplomatie ist toll und wir könnten mehr und intelligentere betreiben. Aber das löst das Grundproblem nicht: Wir haben an der europäischen Außengrenze einen machthungrigen Diktator mit einer der größten Armeen der Welt, der aus ideologischen Gründen eine militärisch-expansive Außenpolitik betreibt. In irgendeiner Form muss man darauf reagieren und sich nur auf die USA zu verlassen ist ein Spiel mit dem Feuer.

Du übertreibst hier. Global macht das Militär 5,5% der Emissionen aus. Das muss man angehen, aber der Klimaschutz steht und fällt nicht mit ein paar Prozent mehr Militärausgaben.

5 „Gefällt mir“

Aber es ging hier um das Thema „Die USA könnten sich jederzeit aus Europa militärisch zurückziehen“. Darauf ist meine Antwort: Diplomatie. Die hat deutlich größere Erfolgsaussichten unter Freunden (sind doch unsere Freunde, oder?) als mit Machthabern wie Putin.
Und ich sage ja auch nirgendwo, dass wir alle Waffen verschrotten sollten und einseitig abrüsten. Es geht nicht mal um irgendwelche Abrüstung mehr. Das Thema ist vom Tisch (so schade ich das auch finde).

So, nun endgültig, ich denke wir haben die Meinungen hier ausgetauscht, das reicht für mich, überzeugen könnt ihr mich nicht und ich euch nicht.

Alles gut, geht ja hier nicht ums überzeugen, sondern um den Meinungsaustausch.
Passende Lösungen haben wir wohl alle nicht

Was aber doch bedeutet: wir investieren nicht ausreichend in unsere Verteidigung, weil wir uns dauerhaft darauf verlassen, dass die USA das tun (weil wir so gute Diplomatie machen, dass sich die gegenwärtige Situation nie verändern wird).

Das halte ich für naiv und verantwortungslos.

Naiv, weil auch die beste Diplomatie bestimmte globale Trends nicht abwenden kann. Wenn es irgendwann nicht mehr den Interessen der USA entsprechen sollte, Europa zu verteidigen, dann werden sie das auch nicht mehr machen, egal wie toll unsere Diplomaten sind.

Verantwortungslos, weil wir uns damit auch dann von den USA abhängig machen, wenn dieses Abhängigkeitsverhältnis nicht mehr in unserem Interesse ist. Was wäre denn, wenn die USA mal wieder Bock bekommen ein anderes Land zu besetzen (à la Vietnam oder Irak)? Müssen wir das dann total toll finden (oder auch nur einfach die Klappe halten), weil wir den „großen Bruder“ ja nicht verärgern dürfen?

Eine vollständige sicherheitspolitische Autonomie ist für Deutschland weder möglich, noch sinnvoll. Aber wir sollten schon einen realistischen Blick darauf entwickeln, auf welche militärischen Kapazitäten wir zur Erfüllung unserer sicherheitspolitischen Ziele angewiesen sind welche dieser Kapazitäten wir selbst oder in Partnerschaft mit Verbündeten vorhalten wollen. Und dann muss das entsprechend finanziert werden, ohne deshalb gleich irgendjemanden das Bürgergeld oder die Rente zu kürzen.

5 „Gefällt mir“

Wir können doch keine langfristige souveräne europäische Sicherheitsarchitektur aufbauen, wenn wir alle vier Jahre beten müssen, dass kein Trumpist in das Weiße Haus einzieht.
Der strategische Fokus der USA bewegt sich nun einmal seit über 10 Jahren gen Osten, egal was wir darüber denken.

1 „Gefällt mir“

Das war auch einer meiner initialen Kritikpunkte an der Raketenstationierung (ich habe natürlich im von mir selbst geposteten DW-Artikel gelesen, dass beim selben NATO-Gipfel FR, IT, PL und DE eine Absichtserklärung über die gemeinsame Entwicklung von Langestreckenwaffen unterzeichnet haben). Hat wirklich kein europäischer Partner Raketen, die eine ähnliche Funktion einnehmen könnten? Bei mir schwingt hier ein unguter Eindruck mit, dass es zur Souveränität Europas immer nur Lippenbekenntnisse gibt. Ich frag mich, wann man damit denn mal anfängt. Mag aber an der Langfristigkeit und Aufwändigkeit solcher Projekte liegen.

Vor dem Hintergrund die Nachfrage: Die Stärke des russischen Militärs scheint (abgesehen von Nuklearwaffen) ja vor allem in der Größe und der Skrupellosigkeit bezüglich eigener Soldat(:innen?)/Söldner(:innen?) und ausländischer Zivilist:innen zu liegen, zudem in der Kriegsführung unterhalb der militärischen Schwelle mit Cyberattacken, Desinformation etc. Der Angriff auf die Ukraine hat gezeigt, dass Russlands Militär nicht die offensive Schlagkraft hat, die vorher die Meisten erwartet haben, und technologisch in vielen Gebieten zurückgefallen zu sein scheint. Zudem sind die russischen Verluste im aktuellen Krieg erheblich. Du schreibst andernorts, Finnland wäre wahrscheinlich alleine in der Lage, einen russischen Angriff abzuwehren, Polen evtl. auch (angesichts Polens Aufrüstung der letzten Jahre scheint mir das nicht unrealistisch). Die größte Bedrohung ist doch, dass Russland, das das „long game“ spielt, stückweise mittels des Zündelns an den „gefrorenen“ Konflikten an den Grenzen der ehemaligen UdSSR Grenzen verschiebt, so wie es 2014 gut funktioniert hat.
Machen wir die Gefahr eines großen russischen Angriffs auf NATO-Gebiet nicht etwas zu groß? Ich verstehe, dass die baltischen Staaten so etwas wie die Tomahawks in D aus bündnispolitischen Gründen befürworten - dt. commitment sichern -, aber wie viel Rüstung hinsichtlich Truppenstärke und schwerem Gerät am Boden und in der Luft braucht es da eigentlich? Ist das (neben gänzlich unbestrittenem Bedarf an Modernisierung) eine sinnvolle Strategie?

(Sorry, ich weiß, dass mir hier schon (zu) viele Podcasts empfohlen wurden, in denen ich mglw. Antworten genau darauf finde. Mea culpa (es macht etwas mehr Spaß, es hier zu besprechen ;)).)

1 „Gefällt mir“

So weit ich weiß nicht wirklich. Was Boden-Boden-Raketen mit hoher Reichweite (also zumindest vierstellige Kilometerzahl) gibt es in Europa mWn tatsächlich gar nichts, was mit der Tomahawk (Reichweite bis zu 2500 km) vergleichbar wäre. Mit Taurus und co. haben wir zwar luftgestützte Raketen, die zumindest 500 km weit kommen, aber nichts, was auch nur annähernd an die Reichweite herankommt, die nötig wäre, um tatsächlich Ziele in Russland angreifen zu können.

Genau diese Lücke soll das „Deep Precision Strike System“ mit einer Reichweite von 2.000 km lösen, das jetzt auf dem NATO-Gipfel beschlossen wurde. Dafür wollen Deutschland, Frankreich, Italien und Polen kooperieren. Wenn man sich aber schon anschaut, wie die bisherigen Kooperationen zwischen Deutschland und Frankreich verliefen (FCAS und co.), kann man berechtigte Zweifel daran entwickeln, dass das zu einem brauchbaren Ergebnis führen wird - vor allem nicht innerhalb einer sinnvollen Zeit.

Wir haben jedenfalls tatsächlich rein gar nichts in dieser Reichweiten-Kategorie.

Dazu muss man verstehen, dass die russische Armee schon immer eine Artillerie-Armee war. Das hat man in Tschetschenien sehen können, jetzt sieht man es in der Ukraine. Und genau deshalb sterben auch so viele Zivilisten (sowohl in Tschetschenien, als auch in der Ukraine). Denn eine Artillerie-Armee macht eben mit Massenbombardierungen alles dem Erdboden gleich, bevor die Bodenoffensive folgt. Als Russland ohne vorherige Bombardierungen auf Kiew marschiert ist, konnte man ja sehr schön sehen, dass da alles schief gegangen ist. Jetzt jedoch, mit der Kombination von permanenten Artilleriefeuer und Gleitbomben, sieht man, wie die Russen sich Meter für Meter tiefer in die Ukraine fressen und dabei absolute Zerstörung hinterlassen… sowas, was die Amerikaner z.B. im Irak gemacht haben, mit großen Verbänden und koordiniertem Einsatz des Gefechts der verbundenen Waffen in eine Stadt wie Bagdad vorzurücken, können die Russen einfach nicht.

Der sinnvollste Podcast für dieses Thema ist Sicherheitshalber. Sehr zu empfehlen, wenn man sich für diese Themen interessiert.

1 „Gefällt mir“

Der luftgestützte Taurus Marschflugkörper, der in sehr ähnlicher Form auch in UK und Frankreich im Einsatz ist, hat eine Reichweite von gut 500km. Ansonsten hat die Bundeswehr meines Wissens nach keine Mittelstreckenraketen.

Die Briten haben zumindest in der Marine selbst die Tomahawk im Einsatz, also ähnliche Kapazitäten wie die USA, aber sehr viel weniger davon.

Allerdings gibt es dafür auch Gründe. Eine Tomahawk-Rakete kostet rund vier mal so viel wie ein Taurus-Marschflugkörper, von der teureren Infrastruktur mal völlig abgesehen. Da sind wir also bei der Kosten-Nutzen-Abwägung.

Technologisch ist Russland unterlegen, das stimmt. Das war aber auch in Sowjet-Zeiten so. Dass Russland die Ukraine nicht sofort überrannt hat, ist in erster Linie der Hybris Putins zu verdanken. Er hat Russland weder vor der Invasion, noch in den ersten Wochen danach vollständig mobilisiert. Auch jetzt gibt es offenbar in der russischen Führung den klaren Konsens, dass das Land nicht in eine Kriegswirtschaft versetzt wird. Entsprechend bleibt die russische Armee deutlich hinter dem Mobilisierungspotenzial zurück, dass es in einem offenen Konflikt mit der NATO geben würde.

Ein US-amerikanischer General hat mal gewitzelt, dass die Polen auf keinen Fall St. Petersburg einnehmen könnten … weil die Finnen vorher da wären. Das greift aber insofern zu kurz, weil Russland trotzdem ein enormes Potenzial zur Zerstörung der zivilen Infrastruktur und Lebensgrundlage in den Anrainerstaaten hätte. Und die NATO steht in einem Konflikt mit Russland vor einem strukturellen Problem: es wäre vermutlich möglich (wenn auch verlustreich), einen russischen Angriff abzuwehren. Russland zu „besiegen“ ist eine ganz andere Nummer, selbst unter der Annahme, dass keine Nuklearwaffen zum Einsatz kommen. Denn schon zahlenmäßig wäre es den NATO-Armeen wohl nicht möglich, Russland in irgendeiner nachhaltigen Form zu besetzen und militärisch zur Kapitulation zu zwingen. Das ist heute nicht anders als 1941.

Absolut!

Naja, im Moment ist es ja nicht besonders viel. Deutschland besitzt zum Beispiel unter 300 Kampfpanzer, davon wären im Erstfall vermutlich nur die Hälfte bis zwei Drittel dauerhaft einsetzbar. Es bereitet der Bundeswehr Probleme, genügend funktionierendes Material für die Truppenrotation in das Baltikum im Rahmen der Bündnisverpflichtungen bereitzustellen, und da reden wir über eine vielleicht dreistellige bis niedrig vierstellige Zahl an Truppen, die für den tatsächlichen Kampfeinsatz geeignet wären.

Die Polen sind da besser aufgestellt, wie auch die Finnen (gemessen an ihrer Größe). Aber die baltischen Staaten können alleine wegen ihrer geringen Bevölkerungszahl keine wirklich selbständige Verteidigung auf die Reihe kriegen. Länder wie die Niederlande haben ihr schweres Gerät praktisch komplett abgeschafft.

Ich denke, dass man durchaus eine Diskussion darüber führen muss, welche Kapazitäten sinnvoll sind und auch gebraucht werden. Aber im Moment würde die Verteidigung der Ostgrenze der NATO praktisch komplett an den Polen hängen bleiben, wobei die USA wohl recht schnell in der Lage wären, nennenswerte Kampfverbände zur Unterstützung zu mobilisieren. Eine eindeutige Überlegenheit gibt es vor allem in der Luft und aus technologischer Sicht bei Artillerie und „long range fires“.

Wobei das auch davon abhängt, wie sehr und wie lange Russland in der Ukraine gebunden ist. Wenn Putin den Ukraine-Konflikt (wie auch immer) befriedet und sich 5 Jahre Zeit nimmt, dann könnte er (zusammen mit der Armee aus Belarus) durchaus eine echte militärische Bedrohung an der NATO-Ostflanke aufbauen.

1 „Gefällt mir“

Das gilt aber gleich doppelt so stark für die NATO.

Russland hat aktuell durchaus auf Kriegswirtschaft geschaltet. So gibt Russland z.B. fast 40% seines gesamten Etats für das Militär aus - während diese Zahl in Deutschland bei unter 3% liegt (52 von 1.951 Mrd). Würden wir so sehr auf Kriegswirtschaft schalten, wie Russland es bereits getan hat, wäre der Krieg in der Ukraine sofort beendet, sobald wir all das Material dort hin schicken. Aber das ist ja das Problem: Russland schaltet auf Kriegswirtschaft, während wir unsere Lagerbestände an die Ukraine schicken und vielleicht ein paar neue Produktionsstätten aufbauen. Eben weil wir es aktuell noch nicht für notwendig halten, uns die langfristigen Nachteile einer Kriegswirtschaft anzutun, weil wir davon ausgehen, Russland auch ohne abwehren zu können.

Man sollte Russland weder über- noch unterschätzen. Fakt ist in der Tat, dass selbst einzelne EU-Länder wie Finnland oder Polen vermutlich einen Verteidigungskrieg gegen Russland gewinnen könnten. Aber wir wollen ja, dass Russland erst gar nicht auf die Idee kommt, es zu versuchen. Und dafür ist es wichtig, militärische Kapazitäten zu haben, die bis in das russische Herz, daher bis nach Moskau, reichen. Denn der Ukraine-Krieg zeigt sehr schön, wie wichtig es ist, den Krieg in das Land des Angreifers zu tragen. Also in dem Szenario, in dem Russland uns angreift, wollen wir in der Lage sein, die gesamte Industrie samt Versorgungslinien innerhalb Russlands zu zerstören, damit russische Truppen erst gar nicht vorrücken können. Und dafür brauchen wir massiv viele Mittelstrecken-Waffen. Wenn Russland damit kalkulieren könnte, uns einen Krieg aufzuzwingen, der nur in unserem Land stattfindet, wie es das lange mit der Ukraine tun konnte (wegen der fatalen westlichen Vorgaben!), ist die Abschreckungswirkung ungemein geringer, als wenn Russland davon ausgehen müsste, dass im Falle eines Krieges gegen die NATO am Tag 1 sämtliche russische Schwerindustrie in Schutt und Asche liegt. Für solche Dinge brauchen wir mehr Mittelstreckenwaffen - das ist Teil einer wirksamen Abschreckung.

Das wäre ein Grund mehr, warum wir die Kapazität brauchen, das Ausmaß an Zerstörung, welches Russland zu uns bringen kann, auch nach Russland bringen zu können. Wenn du den Gegner nicht besiegen kannst, indem du seine Hauptstadt einnimmst, musst du ihn eben dadurch besiegen, dass du ihn handlungsunfähig machst.

2 „Gefällt mir“

Ich schließe den Thread mal. Wenn die Diskussion wieder aufflammt, machen wir einen neuen Thread auf.