Interview mit Mario Voigt

Diese Probleme können nicht gelöst werden in solchen zeitlich begrenzten Formaten. Tiktok ist das andere extrem. Je kürzer, desto besser für Populisten, die am laufenden Band wie Herr Voigt falsche Dilemma oder Luftschlösser und Nebelkerzen aufstellen. Heißt, desto länger man Zeit hat, desto besser und faktenreicher werden die Ergebnisse. Ich kann mich noch an Andreas Kemper erinnern, der einmal in einem Interview bei Jung und Naiv (fast 3h) erzählt hatte, so richtig könne man zu nur in mehrtägigen Seminaren und Kongressen zu guten Ergebnissen kommen, die auch wirklich durchdacht sind und wo Argumente auch wirklich aufgelöst werden. Das ist dann aber je länger es dauert, umso unpopulärer zu konsumieren.

Es passt nicht unbedingt zu allen Posts, aber doch irgendwie zur Überschrift: Ich fand es sehr erfrischend und wundervoll, wie ihr in der LdN 376 noch einmal das Interview und das Feedback dazu thematisiert habt! Zum einen zeigt ihr dabei mal wieder, wie reflektiert ihr seid. Zum anderen lasst ihr uns Euch transparent über die Schulter blicken und habt keine Scheu, Euch journalistisch nackig zu machen. Das macht angreifbar und birgt Risiken. Und es schafft noch mehr Vertrauen in Eure wertvolle Arbeit. Das wollte ich nur unbedingt mitteilen. Danke und weiter so!

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Ich empfehle zum Umgang mit solchen Gesprächspartnern (ja, meistens Männer) wie Herrn Voigt das Buch „Mit Ignoranten reden“ von Peter Modler.
Man kann sich nach so einem Interview als „Sieger“ fühlen, aber das wird von den Zuhörenden anders eingeschätzt.
Ja, wenn man immer wieder dagegenspricht, kann man nicht alle Themen durchnehmen. Leider ist das Ergebnis dann so: Hr. Voigt behauptet etwas Falsches, es folgt Widerspruch, dann kommt von ihm „doch!“ und dann das nächste Thema. Damit hat er einen Punkt und am Schluss haushoch gewonnen, so wie Trump gegen Clinton.
Wenn jemand Basic-Talk macht (also nicht mehr argumentiert), bringt weiterer High-Talk (also argumentieren) einfach nichts mehr. Dann muss man halt ganz oft „nein“ sagen, bis wenigstens ein Patt erreicht ist.
Also: Bitte das Buch lesen, dann nochmal das Interview anhören.

Ich höre die Lage der Nation regelmäßig und bin sehr angetan von der Fülle präziser und oft wenig beachteter Informationen, von der Mischung aus Haltung und Zurückhaltung. Was das Interview mit Mario Voigt betrifft, da kann ich allerdings leider Euer Eigenlob (Note 2) überhaupt nicht teilen. Das war ein blackout, der in merkwürdigem Kontrast zu Euren sonstigen journalistischen Qualitäten steht. Übrigens ein leider verbreitetes Phänomen bei Interviews mit Populisten. Nicht weil Ihr zu wenig nachgehakt habt, sondern an den entscheidenden Stellen eben nicht. So ging ein Punkt nach dem anderen an Voigt, obwohl er gar nicht besonders gut war. Auf die Frage, wie er regieren will, wenn er die Brandmauer gegen AfD, Linke und BSW gleichzeitig aufzieht, lässt Ihr sein Mantra „Ich will stabile Mehrheiten“ unwidersprochen, statt nachzuhaken: Wie soll das denn bitteschön gehen? Auf seine Abschiebeforderungen reagiert Ihr schon fast flehentlich, dass man die Situation eben doch bitte hinnehmen müsse, aber unterlässt die naheliegende Frage: wie er sich Abschiebungen denn konkret vorstellen würde, wenn das Herkunftsland unbekannt ist oder die Rücknahme verweigert, etc. Da gibt’s doch unzählige Berichte, warum das in der Praxis eben selten oder höchstens bei Freiwilligkeit gelingt. Seine billige Ablehnung sämtlicher Klimaschutzmaßnahmen, weil sie seinen Nachbarn am Gartenzaun nerven, quittiert Ihr nicht mit der hartnäckigen Nachfrage: mit welchen Maßnahmen genau er das international verbindliche Klimaschutzabkommen in die Praxis umzusetzen gedenkt? Wenn er Atomrenaissance fordert, wird nicht erwähnt, dass seine Partei es war, die den Ausstieg beschlossen, die Ampel die Laufzeit noch verlängert hat. Auch die unvermeidlichen Radwege in Peru sind ein Projekt seines CSU-Parteifreundes Gerd Müller und ist ja auch nicht verkehrt. Aber kein Ton dazu. Wie zu oft in diesem Interview: im falschen Moment geschwiegen. Schade. Dann noch kurz zwei Anregungen zum Podcast allgemein: Im Sinne der Trennung von journalistischen Inhalten und Werbung - ein journalistisches Grundprinzip - würde ich empfehlen, die Werbeblöcke von einer anderen Stimme sprechen zu lassen, sonst entsteht ein Rollenkonflikt, der Zuhörende irritiert. Und schließlich noch: Bitte während längerer Interviews immer mal wieder erwähnen, mit wem Ihr da gerade sprecht. Auch wenn die Identität und Funktion des/der Interviewten nachzulesen sein mag, klappt das nicht, wenn man, bei podcasts nicht unüblich, nur audio folgt. Ist man dann nur einen kurzen Moment abgelenkt oder steigt später ein, bleibt man eine lange Strecke ahnungslos, wer hier interviewt wird. Vielen Dank für die Gelegenheit zum feedback und weiter so!

Das Interview ist schon ein bisschen her und ich wollte so viel dazu sagen. Ich beschränke mich jetzt auf ein paar Punkte und ich habe auch eure Nachbesprechung in der Folge drauf schon gehört.

Für mich gibt es die eine Frage, an der ihr euch messen lassen müsst:
Man stelle sich vor, ich habe inhaltlich keine Ahnung von den besprochenen Themen und vielleicht sogar eine Sympathie für Voigt. Ich kann aber logisch denken und folge einfach eurer Gesprächsführung.
Die Frage ist dann: mit welchem Eindruck gehe ich raus, wer hat Recht?

und da gewinnt leider Voigt. Er kann seine Punkte unterbringen. Wenn man die glaubt fühlt man sich bestätigt. Oder sie wirken so plausibel, dass man sie gut glauben kann. So auf den ersten Blick.

Ich verstehe sehr, das eine sehr schwierige Situation ist, an der schon viele Journalisten gescheitert sind. Und so aus dem Bemühen heraus verstehe ich ein bisschen eure Schulnote 2, die ihr euch gebt. Aber im Ergebnis ist das, wie oben geschildert, höchstens ein Befriedigend. Bitte nehmt das ernst und versucht euch hier zu verbessern (oder solche, potentiell konfrontativen und kontroversen) Interviews zu lassen. Bitte nehmt die Kritik an. Das ist nicht persönlich. Ich habe hier im Forum aber immer wieder die Erfahrung gemacht, dass ihr bei Kritik etwas dünnhäutig seid. Das ist schade, da könnt ihr doch drüber stehen. Denn es geht hier ja um die Sache, wie wir die Wirkung euerer Inhalte verbessern können, damit wir eine bestmögliche gesellschaftliche Wirkung (und auch inhaltliche Diskussion) hin bekommen können. Darum geht es.

So, warum finde ich, dass Voigt gewinnt:
Ihr überlasst ihm den Stempel „der, der sich mit den Zahlen auskennt“ sowie „der, der inhaltlich in die Themen rein gehen will“. Das sagt ihr immer wieder, und ihr lasst ihm dann die Position. Das ist schädlich. Auch wird nicht markiert, wenn etwas falsch ist und z.B. auf Experten verwiesen.
Ihr macht die Analyse, dass ihr ja mit den Themen durchkommen wollt. Und genau da würde ich dafür plädieren: Das allererste Thema nehmen, und dieses haarklein auseinander nehmen (dafür muss man da dann tatsächlich sattelfest sein). auch wenn das komplett das Interview sprengt. Für jemanden, der ohne viel Hintergrundwissen zuhört, liefert das viel mehr Erkenntnis und Orientierung: wenn er / sie merkt, dass Voigt sich in Widersprüchen verstrickt, dann schwindet das Vertrauen in ihn auch bei anderen Themen. Es braucht aber einen hohen Detail-Grad um diese Wirkung zu erzielen.

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Ich habe auch eine ähnliche Erfahrung in der Arbeit in konfliktreichen Situationen gemacht. Auch hier musste man noch die Vorgesetzten von der Realität der aktuellen Situation überzeugen. Und es hat sich gezeigt: jedes Thema, das angeschnitten wurde, war geeignet, den Konflikt zu demonstrieren. Aber „die andere Seite“ hat immer wieder neue Themen angebracht, mit denen sich dann alle nicht auskannten und erstmal inhaltlich rein gehen mussten oder sowas gesagt haben wie „werden schon beide ein bisschen recht haben“. Das löst sich erst auf, wenn man sieht, mit welcher Selbstüberzeugtheit falsche Dinge behauptet werden. Und zu Voigt zurück: ich halte es für essentiell den Grundkonflikt aufzuzeigen, dass man ihm nicht glauben kann. Dass er (ggf. sogar wider besseren Wissens) falsche Dinge sagt. Und das geht am besten, wenn man an einem Thema bleibt. Für Leute, die sich nicht in den Themen auskennen. Zusätzlich kann man zeigen, wie man so ein Thema durchknetet.

Ein weiteres inhaltliches Thema, das mir aufgestoßen ist (und ich hier bisher nicht gelesen habe, ggf. hab ichs übersehen): Über die Unterhaltung über Migranten hinweg erweckt Voigt den Eindruck, dass es darum geht, Leute loszuwerden, die sich nicht an die Regeln hier halten. Die bei Rot über die Ampel gehen, klauen, … (so bei mir der Eindruck). Und dass man die Loswerden will. Aber das stimmt doch so nicht. Und ihr widersprecht wieder nicht. Als ob alle Ausweisepflichtigen Regeln ignorieren und Deutsche perfekt sind. Vielleicht wird das nicht explizit so gesagt, für mich aber der Eindruck erweckt.

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Es ist ja erstmal nur eine (optimistische) Vermutung, dass der Erfolg der AfD auf irgendwie diskutablen Argumenten und Ideen beruhen würde und deren Wähler das Interesse und die Kompetenz haben könnten, konkurrierende Argumente und Ideen rational gegeneinander abzuwägen. Eine Vermutung, die den Kontakt mit AfD-Wähler:innen meist nicht lange übersteht. Es mangelt nicht an besseren Ideen, das Problem ist, dass ziemlich genau das Potential, das für rechtsextreme Politik in Deutschland immer vorhanden war (Mitte-Studien wiesen das relativ Stabil mit 20-25% aus), akutell politisch wirksam zu werden droht, weil sich diese Leute auf eine Partei einigen können, statt sich auf die Meinungs-Slums an den Rändern von SPD, FDP und Union und die ewigen rechtsextremen Nischenparteien zu verteilen. Deswegen macht ein Verbot mehr Sinn.

Mhm….

Wenn wir mal von 20-25% Wahlberechtigte in Deutschland ausgehend, die konstant rechtsextrem oder latent rechts sind und Parteien wie die AfD wählen.
Dann gibt es noch eine Zahl von rund 23%Nichtwählern, die aus Desinteresse, oder aus anderen Gründen nicht wählen.
Zwischen beiden mag es sicherlich Schnittmengen geben.

Aber wenn wir hoch geschätzt 40% oder mehr Menschen haben, denen unser politisches System egal ist oder es sogar ablehnen:

Dann steht unsere Demokratie schon auf einem etwas sandigem Fundament.

Alles ein Bildungsthema?

Nur weil ich nicht zum wählen gehe, ist mir das System nicht egal.
Vielleicht bin ich auch im großen und ganzen zufrieden mit der Politik und sehe deshalb keinen Grund, meine Stimme auch noch in den Topf zu werfen oder gehe am Sonntag morgen lieber in die Berge als ins Wahllokal (und habe schon gar nicht Lust, mich extra um Briefwahlunterlagen zu bemühen oder habe sie sogar zu Hause bin aber zu faul sie zurückzuschicken).

Leider ist für Politiker relativ egal, warum Leute nicht wählen solange sie das dauerhaft tun. Es gibt also wenig Grund, für solche Studien Geld zu investieren.

Danke für die Erläuterung.

Wenn im Umkehrschluss nur noch die Unzufriedenen wählen gehen, wohin führt uns das ggf?

Demokratie muss man sich jeden Tag neu erarbeiten.
Viele Menschen vergessen das, vor allem wenn es ihnen gut geht. Mir gefällt nicht, dass Politiker viel zu sehr auf die Wähler und viel zu wenig auf das Land schauen.
Sie sollten nicht das tun, was die Menschen wollen, sondern was gut für Deutschland ist. Diese Diskussion müssen wir führen.
Die Diskussionen um das Heizungsgesetz waren ein Lehrstück, wie man es nicht macht.

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Da bin ich bei Dir. Scheint aber ein Systemfehler der Demokratie zu sein.
Also das man „Mehrheiten“ so interpretiert, den Meinungsschwankungen vonnWählergruppen zu folgen.

Was nicht heißt, das der Wählerwille nicht zählt, aber derzeit sich bei der Wahl