Deutsche Beihilfe zum Vorgehen in Gaza?

Kannst du mal bitte einen Beleg dafür posten, dass Netanjahu eine „ethnische Säuberung“ des Gazastreifens „angekündigt“ hat? Gerne ohne Paywall.

1 „Gefällt mir“

Beleg es mal richtig, dass es ein vom gesamten Kriegskabinett formuliertes Ziel ist. Ansonsten ist es nur billiger Populismus. Es gibt diese Hardliner leider in der israelischen Regierung, es ist aber kein Ziel.

Wenn Israel wirklich Gaza säubern wöllte, wäre das längst passiert. Israel ist für sowas mehr als genug ausgerüstet. Das es nicht do ist ist Beleg genug.

Meine Aussage, dass im Zweifelsfall abzuwägen sei meinte genau das. Wie viele zivile Opfer sind für welches Ziel legitim.

Aber auch wie verhalten sich die Zivilisten ist eine Frage. Wenn ein Gebäude nicht geräumt wird obwohl der Beschuss angekündigt wird ist das anders zu bewerten als wenn das Gebäude einfach ohne Vorankündigung bombardiert wird.

1 „Gefällt mir“

Ich habe gestern u. a. hier (Deutsche Beihilfe zum Vorgehen in Gaza? - #50 von Flixbus) und hier (Deutsche Beihilfe zum Vorgehen in Gaza? - #52 von Flixbus) versucht, zusammenzufassen, was die aktuelle Forschung unter Antisemitismus versteht. Ergänzend dazu empfehle ich die unten verlinkten Artikel.

Das Folgende sind allerdings eher Beispiele dafür, was Antisemitismus nicht ist:

Antisemitismus ist eben keine relativ kurzfristige Reaktion auf soziale Ungleichheit oder sich daraus ergebende Spannungen. Denn erstens richtet sich Antisemitsmus ja nicht nur gegen Israelis - was man etwa im Gazastreifen noch nachvollziehen könnte - sondern gegen Juden und alles Jüdische weltweit. Und zweitens handelt es sich eben nicht um eine kurzfristige Reaktion, sondern um ein tief sitzende Denkweise (ähnlich wie Rassismen oder Geschlechterbilder), die sich eher langfristig verändert und nicht selten kulturell oder religiös tradiert wurde.

Auch wenn ähnliche Vorwürfe häufig erhoben werden: Antisemitismus ist kein beliebig einsetzbarer politischesr Kampfbegriff, der einfach nur dazu dient, missliebige Meinungen zu diskreditieren. Der Vorwurf, dass es Handlungen oder Aussagen völlig willkürlich als „antisemitisch“ gebrandmarkt würden, impliziert erstens, dass der Begriff selbst überhaupt nicht definiert ist und zweitens, dass Antisemitismus nichts ist, was man ernst nehmen müsste. Beides ist aus meiner Sicht falsch und auch gefährlich.

Es gibt durchaus unterschiedliche Definitionen des Begriffs Antisemitismus und (auch unter Wissenschaftlern) durchaus Kontroversen darüber, wo seine Grenzen sind. Dennoch sollte die Verwendung des Begriffs zumindest auf einer anerkannten Grundlage erfolgen. Einen guten Überblick dafür liefern m. E. diese Artikel:

1 „Gefällt mir“

Auch eine interessante Theorie, dass Deutschland besonders pazifistisch ist. Wahrscheinlich hat das Land deshalb zwei Weltkriege vom Zaun gebrochen und ist derzeit einer der weltweit größten Waffenexporteure. Ich wäre auch mal gespannt, wie die deutsche Bevölkerung reagieren würde, wenn sie einem vergleichbaren Terror ausgesetzt wäre wie die israelische - wenn also zum Beispiel Terrobanden an einem einzigen Tag etwa 10.000 Leute bestialisch ermorden, wenn ein Gebiet von der Fläche von Rheinland-Pfalz wegen dauerndem Raketenbeschuss praktisch unbewohnbar ist etc. Bestimmt würde dann auf einmal niemand mehr rechte Parteien wählen, die eine schnelle und einfache Lösung für dieses Problem versprechen und bestimmt gäbe es ganz schnell einen Friedensvertrag. :peace_symbol:

3 „Gefällt mir“

Vielleicht ganz interessant zu lesen: Professor Stefanie Bock zu den Anträgen auf internationalen Haftbefehl am IStGH.

die Vorwürfe des Anklägers

gegen die Hamas-Führung

Zentraler Vorwurf der angestrebten Haftbefehle gegen die Führungspersonen der Hamas ist das Kriegsverbrechen der Geiselnahme; es wird insoweit unmittelbar an den Angriff der Hamas vom 7.10.2023 auf israelischem Gebiet angeknüpft. Hinzu kommen u.a. die Verbrechen der Ausrottung, des Mordes, der Folter und unmenschlichen Behandlung sowie diverse Sexualverbrechen, die – je nach Einzelakt – als Kriegsverbrechen und / oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit verfolgt werden sollen.

gegen die Israelische Führung

Im Mittelpunkt der Vorwürfe gegen Netanjahu und Galant steht das Kriegsverbrechen des Aushungerns der Zivilbevölkerung. Insoweit geht es um die umfassende Blockade des Gazastreifens, die dazu führte, dass die Zivilbevölkerung von Lebensmitteln, Medikamenten und anderen lebenswichtigen Gütern systematisch abgeschnitten wurde. Der Ankläger verweist insoweit explizit auch auf die Behinderung von Hilfslieferungen durch humanitäre Organisationen und die Angriffe auf ihre Mitarbeiter*innen. Darüber hinaus werden den Beschuldigten die mittäterschaftliche Begehung der Kriegsverbrechen der Verursachung großer Leiden, der vorsätzlichen Tötung und des vorsätzlichen Angriffs auf die Zivilbevölkerung zur Last gelegt. […] Da er zudem davon ausgeht, dass das israelische Militär im Kampf gegen die Hamas gezielt gegen die palästinensische Zivilbevölkerung vorgeht, legt er den Beschuldigten auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit u.a. in Form der Ausrottung, Tötung und Verfolgung zur Last.

Zur Gleichzeitigkeit der Anträge

Dass der Ankläger zeitgleich gegen Mitglieder der Hamas und der israelischen Regierung vorgeht, bedeutet nicht, dass er eine Terrorgruppe mit einer demokratisch legitimierten Regierung gleichsetzt. Er bringt vielmehr zum Ausdruck, dass das Völkerstrafrecht für alle Konfliktparteien gilt und bemüht sich um einen ausgewogenen und (soweit in diesem Konflikt überhaupt möglich) neutralen, zumindest entpolitisierten Ansatz. Damit wird der Grundstein für eine gleichmäßige Anwendung des Völkerstrafrechts gelegt.

und mehr noch

Wie groß der Druck auf die Internationale Strafjustiz derzeit ist, zeigt auch, dass der Präsident der Versammlung der Vertragsstaaten des IStGH am 17.5.2024 öffentlich seine Besorgnis über aktuelle Bestrebungen äußerte, die Unabhängigkeit, Integrität und Unparteilichkeit des IStGH durch „Drohungen mit Vergeltungsmaßnahmen“ („threats of retaliation“) zu unterminieren. Dies mag auch ein Grund dafür sein, dass der Chefankläger seinen Ermittlungsfokus zu einem vergleichsweise frühen Zeitpunkt offengelegt hat – nämlich bereits mit Beantragung der Haftbefehle.

1 „Gefällt mir“

Hast du die letzten 80 Jahre verschlafen? Es ist eine ganze Menge seit 1945 passiert in Deutschland. Dass die Bundeswehr kaum Nachwuchs findet, bis vor kurzem oft sogar aus der Bevölkerung angefeindet wurde, hast du nicht mitbekommen?

Das ist nicht ansatzweise vergleichbar mit Israel, wo signifikante Teile der Bevölkerung Hass gegen die Palästinenser säen und zelebrieren.

Das ist natürlich eine Folge von 80 Jahren exzerziertem Kriegszustand, in man sich abwechselnd mit seinen Nachbarn das Leben schwer macht und das Völkerrecht bricht. Das schafft Hass auf allen Seiten. Logisch, aber ekelhaft.

1 „Gefällt mir“

Bei diesem Halbsatz würde ich dir ausnahmsweise mal zustimmen. Bleibt nur die Frage, warum du dann genau diesen Vergleich ziehst. Um ihn etwas sinnvoller zu machen, habe ich mal ein kontrafaktisches Bild gezeichnet, wie eine vergleichbare Situation in Deutschland aussehen würde.
Aber dass Deutschland per se ein besonders friedliebendes Land sei, finde ich immer noch nicht so richtig überzeugend angesichts der Geschichte dieses Landes - das durch einen gewonnenen Krieg überhaupt erst entstand und das dann erst mal zwei verlorene Kriege inklusive militärischer Besatzungen brauchte, bis es sich darauf eingelassen hat, demokratisch zu werden und seine Nachbarn nicht mehr anzugreifen.

Also ernsthaft, ich definiere in meinem Beitrag nicht, was „Antisemitismus ist“, sondern was zu seiner Entstehung beiträgt. Wie ich schon öfter sagte ist Antisemitismus kein „Naturzustand“, es ist nicht „natürlich“ für Moslems oder Christen, Juden zu hassen, sondern es gibt für Antisemitismus immer einen Grund. Aber Vorsicht, bevor jetzt wieder jemand „Täter-Opfer-Umkehr“ schreit: Gerade historisch war dieser Grund nicht, dass die Juden eine Schuld in irgend einer Form daran tragen würden. Der Grund war viel mehr, dass ein Sündenbock gebraucht wurde und die Juden dafür herhalten mussten. Nach dem Motto: „Gott schickt uns eine Dürre - wer kann daran Schuld sein? Die Juden!“ oder eben „Wir brauchen für unsere Propaganda einen Feind im Inneren, um unser Volk zu einen. Die Juden!“. Und wenn nun die Palästinenser ein Problem mit zugewanderten Juden haben, die den ihrer Meinung nach ihnen selbst zustehenden Palästinensischen Staat verhindern (und das war wohl die dominante Sichtweise in den 1940ern und 50ern), ist doch völlig klar, dass der historische Antisemitismus und die Propaganda des Dritten Reiches (oder der Kirche im Mittelalter…) eine Blaupause für die Propaganda gegen die jüdischen Zuwanderer wird. Das soll den Antisemitismus keinesfalls rechtfertigen, es soll nur erklären, warum er plötzlich so stark ist. Gerade im Hinblick auf den Iran sieht man das sehr deutlich: So lange Persien unter dem Schah kein politisches Interesse am Antisemitismus hatte, waren die Beziehungen zu Israel sehr gut und es gab auch verhältnismäßig wenig Antisemitismus in der Gesellschaft. Nach der iranischen Revolution, als sich das Mullah-Regime völlig gegen die USA und - aus ihrer Sicht - ihren kleinen Bruder Israel gerichtet hat, war Antisemitismus sehr schnell allgegenwärtig (auch daran sind nicht die Juden Schuld, sondern die Mullahs, die den Antisemitismus instrumentalisieren).

Deine Auffassung, nach der Antisemitismus quasi ein „Selbstzweck“ ist und aus sich selbst entsteht(?) kann weder ein Schritt zum Verständnis dieses fürchterlichen Hasses sein, noch kann es ein Schritt zur Lösung sein. Es kann lediglich als Rechtfertigung für ein möglichst extremes Vorgehen genutzt werden - und das lehne ich ab. Die Definition, was Antisemitismus ist, also wie er sich zeigt, ist nicht zielführend bei der Frage, wie Antisemitismus entsteht. Und wir sind uns doch hoffentlich(!) einig, dass das die Frage sein muss, die zu lösen ist: Wir wollen verhindern, dass Antisemitismus entsteht.

1 „Gefällt mir“

Das habe ich auch nicht behauptet. Ich habe nur argumentiert, dass der Begriff so wie du ihn verwendest, arg verkürzt und meiner Meinung nach falsch verstanden ist.

Es greift eben zu kurz, Juden lediglich als „Südenböcke“ zu verstehen - denn das blendet zum Beispiel die Frage völlig aus, warum all die antisemitischen Projektionen sich gerade auf Juden beziehen. Eine „Grund“ für Antisemitismus gibt es nur insofern, als scheinbar viele Menschen das Bedürfnis haben, sich mit entsprechenden Entgegensetzungen und Zuschreibungen die Welt zu erklären. Diesen Grund aber in der Existenz oder dem Verhalten von Juden zu suchen - und sei es auch nur in dem was auf sie projiziert wird, wird der Wirkungsweise von Antisemitismus nicht gerecht. Antisemitismus ist vielmehr das „Gerücht über die Juden“, wie es der Philosoph Theodor Adorno mal formuliert hat. Hinge Antisemitismus damit zusammen, wie viele Juden es gibt bzw. wie viel Kontakt Menschen überhaupt mit Juden haben, dürfte es ja zumindest in Europa seit 1945 so gut wie keinen Antisemitismus mehr geben - das Gegenteil ist aber der Fall.
Du hast natürlich Recht damit, dass Antisemitismus durch Politik, Massenmedien etc. massiv befördert werden kann. Das ist im Übrigen nicht nur im Iran der Fall, sondern auch in vielen arabischen Staaten, und teilweise auch in Schulbüchern oder Fernsehsendungen der Palästinensischen Autonomiebehörde und sogar - vom Westen gefördert - der UNWRA. Das ist unbestreitbar ein Teil des Problems, auf den ich ja immer wieder hinweise und ich bin froh, dass wir zumindest an diesem Punkt einer Meinung zu sein scheinen.

Das habe ich so nie geschrieben und auch nicht gemeint. Vielmehr habe ich darauf hingewiesen, dass unabhängig davon. ob es überaupt Juden gibt und vor allem davon was sie tun, Antisemitismus sehr stark sein kann und sehr unterschiedliche Formen und Ausdrucksweisen haben kann. Und das auch ohne dass er staatlicherseits gefördert wird.
Dein Ansatz erklärt m. E. zum Beispiel nicht wirklich, warum zum Beispiel wohlhabende weiße Studierende in den USA - also Nachfahren europäischer Einwanderer - sich über den „Kolonialismus“ Israels entzürnen und ein Ende des „Zionismus“ fordern - ohne dabei die Ironie zu erkennen, dass sie damit eigentlich über sich selbst reden.

2 „Gefällt mir“

Das ist natürlich das Ziel, aber ich würde schon festhalten wollen, dass verstehen und überwinden zwei verschiedene Dinge sind und dass der zweite Schritt ungleich schwerer und langwieriger wird. Gerade weil es strukturelle Gründe dafür gibt, dass Antisemitismus entsteht, lässt er sich eben nicht mal eben so abschaffen. Ich habe zum Beispiel nicht die Hoffnung, dass zum Beispiel der Antisemitismus im arabischen Raum stark abnehmen würde, nur weil die Besatzung endet und es einen palästinensischen Staat gibt.