ARD-Sommerinterview mit Chrupalla von der AfD

Es gibt im politischen Raum häufig keine Fakten sondern unterschiedliche Interpretationen von Ursache und Wirkung. Faktenchecks stoßen hier an eine Grenze.

2 „Gefällt mir“

Genau meine Meinung - ein Faktencheck verzögert und an anderer Stelle ist nur für wirklich Interessierte interessant. Wichtig wäre, die Lügen, Verdrehungen und Verfälschungen sofort energisch zu hinterfragen und zu erzwingen, dass die Person ihren eigenen Fehler korrigiert. Kann KI denn da nicht mal helfen?

Mir scheint, wir gehen von falschen Voraussetzungen aus, wenn wir solchen Interviews einen erheblichen Einfluss auf Wahlentscheidungen beimessen.

Eine Nachwahlbefragung der Forschungsgruppe Wahlen anlässlich der Europawahl ergab, dass siebzig Prozent der AfD-Wählenden diese wegen ihrer Forderungen (also aus Überzeugung) gewählt haben.

In einer entsprechenden Befragung von infratest dimap bekundeten ferner über achtzig Prozent, dass sie auch die Einstufung als zumindest in Teilen rechtsextrem nicht von der Wahl der Partei abhalten würden.

Das vielleicht nicht ganz unproblematische Meinungsforschungsinstitut Civey hat zudem Ende letzten Jahres für t-online erhoben, dass 84 Prozent der AfD-Wählenden den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der Krise sehen. Auch waren die AfD-Wählenden mehrheitlich Gegner des Rundfunkbeitrags.

Daraus kann man meines Erachtens folgende Schlüsse ziehen:

  1. AfD-Wählende sind ganz überwiegend von ihrer Wahlentscheidung überzeugt, weil sie ihrer Einstellung entspricht. Das macht das Überzeugen mit besseren Argumenten oder Entlarvungen mindestens schwierig.

  2. AfD-Wählende misstrauen den Öffentlich-Rechtlichen. Das macht einen Effekt auf künftige Wahlentscheidungen aufgrund von solchen Sendungen gleich doppelt unwahrscheinlich.

Die AfD hat längst andere Medienkanäle, durch die sie ihre Klientel erreicht.

Ob ARD und ZDF also Sommerinterviews machen oder nicht oder wie sie diese gestalten (mit/ohne Faktenchecks usw.), wäre dann also letztlich kaum bis gar nicht relevant für etwaige Wahlentscheidungen.

Und ein Abschreckungseffekt scheint mir nach den vielfältigen Enthüllungen über die AfD durch verschiedene Medien auch nicht (mehr) gegeben.

Eine andere Frage ist, ob solche „weichgespülten“ Sommerinterviews überhaupt noch zeitgemäß sind und ob es dabei nicht vielmehr darum geht, O-Töne für eine Zweitverwertung zu generieren.

1 „Gefällt mir“

Ein konsequenter Faktencheck live wird nicht funktionieren können aus meiner Sicht.

  • keiner möchte zuschauen: es gab vor einiger Zeit ein Gespräch bei dem die beiden Hosts sehr kritisch nachgehakt haben. Da wirkten sie teilweise kleinlich, die Atmosphäre des Gespräches drehte sich negativ, es gab keinen guten Gesprächs Fluss mehr etc.
  • keiner kommt: diese Interviews werden zum Teil auch zur Selbstdarstellung verwendet. Ist das nicht mehr möglich kommt keiner.
  • Opfermythos: geht der Journalist zu hart ins Gericht, lässt keinen Gesprächsfluss zu, kann man sich sehr gut als Opfer der Medien darstellen (sehr beliebtes Mittel für Rechtspopulisten).
  • weniger Fakten als man meint: viele politische Themen sind weniger faktenbasiert als man denkt und hängen stark daran welchen Blickwinkel man hat, welche Prioritäten etc. Stellt man sich vor jemand spricht von “unkontrollierter Massenmigration” und “Integrationsproblemen arabischer / muslimischer Menschen” ließe sich das mit ausreichend guter Rhetorik vertreten.

Eine richtig gute Losung gibt es nicht außer das Journalisten sich vorher gut vorbereiten, kritisch nachhaken und Tatsachen korrigieren wo eindeutig falsch - aber alles nur in begrenztem Maße.

Aus meiner Sicht ist das Problem sowieso geringer als wir es wahrnehmen, da die Bedeutung der ÖRR sowieso rapide abnimmt.

3 „Gefällt mir“

Der Kardinalfehler ist aus meiner Sicht das live zu machen. Man sollte die Interviews aufzeichnen, entsprechend bearbeiten. Bei jeder Falschaussage: Schnitt. Fakten darlegen, Quellen nennen, Faktencheck halt.
Klar schneidet die AfD dann für Tiktok die Checks raus, aber das ist ja mal wurscht, da machen die das ja eh.
Das ist auch sicher furchtbar anzusehen, weil man bei einigen dann sehr lange Sendungen erhält.
Aber wenn man das nicht nur mit der AfD so macht, wird es glaubwürdig und die Leute müssen sich halt mäßigen.
Es mag ja sein, dass ein Weidel-Sommerinterview unterbrochen durch Faktenchecks keinen AfD-Wähler zurückholt, aber erstens füttert es AfD-Gegner mit Argumenten und zweitens macht es es der AfD schwer, über die ÖRR ihr Gift auch noch zu verbreiten.

3 „Gefällt mir“

Ganz einfach eine inhaltliche Argumentation. Extrembeispiel: Ein Schwerstverbrecher mit total Menschenverachtenden Ansichten erhält doch auch keine Sendezeit mit dem Argument, dass der Prozess ja noch läuft.
Es gibt aus meiner Sicht viele Gründe der AfD ein Interview zu verbieten. Alleine https://afd-verbot.de/ z. B. Oder ein anderes Argument:

Wieso soll Jemand im ÖRR Redezeit erhalten, wenn man vorher schon weiß, dass er Falschaussagen tätigt und zwar in so einem großen Maße, dass man es in einem Interview nicht mehr einfangen kann.

Bei Populisten gilt der Grundsatz: Keine direkten Interviews, sondern Interviews führen und im Nachgang über das Interview berichten und ausgewählte Ausschnitte zeigen sowie einordnen.

Für die überzeugten AfD Wähler stimmt das. Aber für die neuen AfD Wähler nicht. Aus meiner Sicht macht es für die schwankenden Wähler einen großen Unterschied, ob die AfD in der allgemeinen Berichterstattung als eine „normale“ Partei dargestellt werden mit Sommerinterviews oder als die extreme Partei, die sie sind.

2 „Gefällt mir“
1 „Gefällt mir“

Da ergänze ich mal:

Eine Studienanalyse des ZEW zeigt: Fachkräfte meiden Städte und Regionen, in denen Rechtspopulisten stark sind.

Allerdings werden solche Warnungen kaum etwas bewirken:

Florian Spissinger hat Vortragsveranstaltungen, Stammtische und Wahlkampfstände der AfD ethnografisch beobachtet und Gespräche vor Ort geführt. Sichtbar geworden ist eine neurechte Gefühlsgemeinschaft, an der kritische Einwände wirkungslos abprallen und für die sich die Ablehnung von Zuwanderung und Klimaschutz gut und clever anfühlt. Die ethnografisch fundierte Studie entfaltet die normalisierende Gefühlsarbeit der AfD. […] Nicht zuletzt wird deutlich, wie AfD-Unterstützer*innen Kritik abwehren und daraus die Bestätigung ziehen, ‚die Wahrheit‘ zu vertreten und ‚frei‘ zu denken. Wer es sich in der neurechten Gefühlsgemeinschaft erst einmal bequem gemacht hat, lässt sich daher nur noch schwer zur Umkehr bewegen.

Hörenswert ist noch folgender Podcast mit Arne Semsrott:

September 2024, Wahlsonntag, 18 Uhr - die ersten Hochrechnungen der Wahlergebnisse erscheinen auf den Fernsehbildschirmen im ganzen Land - der grell-blaue Balken flackert über die Mattscheiben: 31 Prozent für die AfD - sie ist stärkste Kraft. Was heute noch ein düsteres Zukunftsszenario ist, könnte schon zu den bevorstehenden Ost-Landtagswahlen im Herbst Realität werden. Bei den vergangenen Kommunal- und Europawahlen fuhr die AfD große Erfolge ein - und das trotz der Correctiv-Recherche, riesigen Skandalen und vielen Blamagen im Wahlkampf. Wie gehen wir als Linke mit der Defensive um? Welche wirksamen Mittel und Strategien bleiben uns jetzt noch - und was können wir tun, wenn die AfD erstmal regiert? Über all diese Fragen sprechen Inken Behrmann und Valentin Ihßen in der neuen Folge „Was tun?“ mit Arne Semsrott von FragDenStaat.

1 „Gefällt mir“