Anti-Selbstständigen-Offensive der Deutschen Rentenversicherung

Das Zitat zeigt nur, dass das Gericht nicht verstanden hat, was der selbständige Kursleiter für eine Leistung erbringt. Da steht nichts davon, dass das Studio dem Kursleiter vorgegeben hat, wie er seine Kurse im Detail zu führen hat. Lediglich, dass man Ort und Zeit vereinbart hat.
Niemand würde bei einem Anwalt sagen: Er ist scheinselbständig, denn er musste die Gutachten schreiben die beauftragt wurden und konnte nicht einfach andere Gutachten schreiben.

Ich glaube das liegt auch daran, dass man „Geringverdienern“ nicht zutraut selbstbestimmt zu handeln (im Sinne von Agency), anders als bei „Gutverdiener“.

Da du einen Absatz später erklärst, warum die „wer ist Kunde“ Frage doch vor Gericht relevant ist, belasse ich es mal dabei.

Wir gehen hier offenbar von zwei verschiedenen Szenarien aus. In meinem Szenario kommt der Studiobesitzer nicht regelmäßig in die Yogaklasse und ruft „Ne, mach mal Worrior 2 jetzt!“
Dem Handwerker hingegen sagt man regelmäßig, welche Ausrichtung jede einzelne Fliese haben soll.

Ich bekämpfe ja nicht nicht die Kriterien die angesetzt werden. Nur wie sie hier angewendet werden.

Ist der Arbeitnehmer Weisungsgebunden?

Sehe ich beim Handwerker und Architekten mehr als beim Yogalehrer.

Wenn die Tatsache, dass er eine Yoga-Stunde hält, bereits als Weistungsgebunden zählen würde, dann müsste man das auch so werten, wenn der Fliesenlegern angeheuert wird um Fliesen zu verlegen.
Während der Architekt zudem jede Wand und jeden Raum exakt nach Absprache mit dem Kunden plant, wird kein Fitnessstudio dem Yogalehrer die Reihenfolge der Übungen vorgebeben.
Trotzdem wird hier die Selbständigkeit des letzteren pauschal in Frage gestellt.

Ist der Arbeitnehmer in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers eingebunden?

Wer ist stärker in die Arbeitsorganisation eingebunden? Derjenige, der sich eng mit anderen Gewerken abstimmen muss oder ohne dessen Plan nichts geht? Oder die Person, die durch ein Schild „Heute leider kein Yoga“ ersetzt werden kann?

Ja, aber da sind wir ja wieder beim entscheidenden Punkt. Der Fliesenleger kommt zu mir, verlegt seine Fliesen und dann ist er wieder weg.
Kommt der jede Woche zu mir und verlegt seine Fliesen ist das vermutlich nicht mehr mein Haus und ich habe vermutlich eine Baufirma. Dann ist es plötzlich gar nicht mehr so sicher, dass er selbständig ist.
Bin ich nun aber einfach nur Immobilienmagnat, ist es wieder sehr wahrscheinlich, dass er selbständig ist, denn Fliesen legen ist nicht Teil meines Business.

Vielleicht? Wird wohl die Zeit zeigen. Ich halte das Risiko aber für überschaubar, da sie tatsächlich Kursinhalte eigenständig konzipiert, eigene Kursmaterialien erstellt, ihre Arbeit selbst zeitlich einteilt und bei der Durchführung der Neigungsgruppen völlig frei ist. Aber wenn die DRV mal klingelt, muss man sich damit natürlich auseinandersetzen.

Du bist hier ziemlich Kavalier dabei, diversen Volljuristen zu unterstellen, dass sie keine Ahnung von ihrem Fachgebiet haben, während du als Laie (?) den Durchblick hast. Das ist immerhin eine Entscheidung in zweiter Instanz (Bayerisches Landessozialgericht), in der 17 (!) Beschäftigungsverhältnisse individuell geprüft wurden.

Hier ist übrigens die Entscheidung im Volltext, die sehr lesenswert ist und auf praktisch alle Aspekte, die wir hier hin und her diskutieren eingeht: L 7 BA 72/23 B ER | Sozialgerichtsbarkeit Bundesrepublik Deutschland

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Allerdings 17 in einem Studio. Somit bleibt die Frage wie weit man das auf andere Fälle übertragen kann.

In diesem Fall gibt es aber deutliche Punkte die sich deutlich von den Fällen unterscheiden bei denen ich als Laie selbstständige Tätigkeit erkenne:

-sie haben weitere Tätigkeiten wie Rezeptionistentätigkeit mit ausgeführt
-sie trugen Kleidung mit dem Logo des Studios
-sie hatten Zugriff auf Rechner des Auftraggebers

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Kannst du eigentlich auch ohne persönliche Spitzen argumentieren? Das fände ich nett. …könntest du mir ja erläutern, wieso der Kunde eines Trainingsleiters nicht derjenige ist, der ihn bezahlt. Sind die Kunden deiner Frau die Schüler oder die Schulen?

Ich gehe davon aus, dass im Fall vor Gericht das Fitnessstudio unter dem Vorwand Kursleiter zu beschäftigen schlicht Scheinselbständige genutzt hat um die normale Arbeit durchzuführen. Das ist sicherlich ein Gewerbe in dem Scheinselbständigkeit nicht selten ist und auch unterbunden werden sollte.

Ich argumentiere hier nicht dafür, dass Fitnessstudios mit Scheinselbständige Sozialabgaben sparen können sollten. Ich argumentiere dafür, dass ein Kursleiter, der von einem Studio beauftragt wurde einen bestimmten Kurs zu einer bestimmten Zeit auszurichten, dies als Selbständiger machen kann. Wenn künftig „Selbständiger einigt sich mit Auftraggeber auf Ort und Zeit der Leistungserbringung“ dazu führt, dass es eine Scheinselbständigkeit ist, dann ist das das Ende von fast vielen Arten von Selbständigkeit.

Das war nicht als „persönliche Spitze“ gemeint, sondern als sachliche Kritik an deiner Argumentationsführung. Mir war aus deinen bisherigen Beiträgen nicht ersichtlich, dass du in dem Bereich juristische Fachkenntnis hast. Und unter diesen Bedingungen sollten man meiner Meinung nach die Aussage, dass ein Gericht „Keine Ahnung“ von einer Sachlage hat etwas besser begründen. Es tut mir leid, wenn das als persönlicher Angriff rübergekommen ist.

Ich glaube, du überschätzt an dieser Stelle wie sehr die DRV und die Gerichte das Recht tatsächlich „neu“ auslegen. Meine persönliche Einschätzung der hier diskutierten Beispiele und Handlungen der DRV ist, dass es hier „am Rand“ eine schärfere Prüfung und Durchsetzung der geltenden Rechtslage gibt.

Davon scheinen ein paar Berufsgruppen besonders betroffen zu sein, vermutlich weil sich in diesen Bereichen über die letzten Jahr(zehnte) ein „lockerer“ Umgang mit Selbständigkeit eingeschliffen hat: Musiklehrer, Yoga- und Fitnesstrainer, etc.

Die trifft es jetzt (unter Umständen, je nachdem wie ernst die DRV das tatsächlich nimmt) hart und das ist natürlich dämlich. Ich sehe aber keinerlei Anzeichen dafür, dass sich der Rechtsrahmen für z.B. Handwerker deutlich geändert hat und/oder das diese Berufsgruppen in der Vergangenheit ähnlich wie z.B. Fitnessstudios einen besonders grenzwertigen Umgang mit Scheinselbstständigkeit gepflegt haben. Insofern halte ich Warnungen vor einem drohenden Zusammenbruch des Konzepts der Selbstständigkeit für überzogen.

Bleibt natürlich die Frage, wie man mit den tatsächlich betroffenen Berufsgruppen umgeht. Wie schon weiter oben geschrieben kann ich mir gut vorstellen, dass es hier zu einer Anpassung der Beschäftigungspraktiken kommt, die für viele der betroffenen Arbeitnehmer noch nichtmal nachteilig sein muss: Es werden einfach mehr Leute als bisher fest angestellt.

Ich persönlich fände das gut, denn meiner Meinung nach sollten eher mehr als weniger Menschen Teil der gesetzlichen Sozialsysteme sein. Ideal wäre natürlich eine vollständige Einbeziehung aller Berufsgruppen (Arbeitnehmer, Selbstständige, Beamte, Soldaten, Richter, Freiberufler, Unternehmer, etc.) in die gesetzlichen Vorsorgesysteme, aber das ist ja nochmal ein separates Thema.

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Das wird auch in Zukunft möglich sein, denn es gibt ja genug Gestaltungsmöglichkeiten, die Selbständigkeit sicher zu stellen. Das Problem ist eher die Vergangenheit, da, wie bei den Gesellschafter-Geschäftsführern in einer Lagefolge es zu schmerzhaften Nachforderungen kommt, wenn hier in der Vergangenheit nicht entsprechend vorausschauend vorgegangen wurde.

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Das würde ich so nicht unbedingt pauschal sagen. In dem Fall aus dem Urteil ist das sicherlich positiv. Hier ging es meiner Meinung nach deutlich um Mitarbeiter eines Fitnessstudios die dennoch nicht als solche angestellt waren.
Abweichend von der dort üblichen Praxis tragen z.B. die Fälle die mir in den Sinn kommen die aktuell aber einer gewissen Unsicherheit zwecks der weiteren Handhabung ausgesetzt sind, stets Kleidung mit ihrem eigenen Label. Auch wenn sie in einem Studio oder Verein tätig sind. Dadurch findet auch eine Kundenbindung an diese Person statt und nicht selten wechseln auch Leute das Studio wenn der Kurs künftig bei der Konkurrenz angeboten wird.

Was ich aber als Problem sehe ist, dass die Unsicherheit auch dazu führt, dass dann auch Fälle die vielleicht in diesem Rahmen tatsächlich auch vor Gericht als Selbstständige geführt werden würden keine Aufträge mehr auf Honorarbasis bekommen, weil sich Auftraggeber nicht der rechtlichen Unsicherheit aussetzen wollen die aktuell offensichtlich vorherrscht. Sie werden aber auch nicht angestellt. Statt für einen Kurs den man aus dem eigenen Personal nicht ausreichend abdecken kann einen fachlich kompetenten Trainer auf Honorarbasis zu engagieren wird der Kurs dann entweder von einem weniger kompetenten Trainer aus den eigenen Reihen abgedeckt oder ganz gestrichen.

Vielleicht ist tatsächlich alles halb so wild und viele Fälle die wir uns jetzt als Selbstständige vorstellen würden auch in späteren Urteilen weiterhin als Selbstständig gelten, weil z.B. um auf das Urteil Bezug zu nehmen schon langen würde, dass die Leute für ihre eigene Marke werben statt für das Studio, nur eine Teilnehmerliste vorgelegt bekommen statt Zugang zum Rechner des Studios zu haben und lediglich ihren eigenen Kurs durchführen statt auch Aufgaben an der Rezeption zu übernehmen. Zudem waren die Trainer im Urteil wohl nicht nur für das Durchführen von Kursen verantwortlich sondern auch als allgemein ansprechbare Trainer im Studio.

Damit die Unsicherheit die sich aktuell breit macht nicht zu einer Überkompensation führt wäre es also durchaus sinnvoll, wenn hier klare Kriterien aufgestellt werden wo eine Selbstständigkeit beginnt um die Grauzone so klein wie möglich zu machen.

Denkbar wäre ein Punktekatalog in dem eine bestimmte Zahl an Punkten erreicht werden muss um das Kriterium zu erfüllen.
Anmietung der Räumlichkeit und direkte Zahlung durch die Kunden wäre dann z.B. alleine schon ausreichend Grund für eine Selbstständigkeit.
Beauftragung zur Durchführung des Kurses dann je nach weiteren Umständen.

Wahrscheinlich ist auch, dass es Fälle gibt wo z.B. die Durchführung eines Kurses im Rahmen der selbstständigen Tätigkeit denkbar wäre, aber weitere Tätigkeiten im gleichen Studio nur im Rahmen einer Anstellung.

Ein Trainer den ich hier aktuell als Beispiel im Kopf habe war z.B. von einem Verein als Trainer einer Mannschaft angestellt und bot zusätzlich freiberuflich Techniktrainings an. Dazu wurde er von anderen Vereinen, Verbänden wie auch von Privatpersonen für einzelne Trainings gebucht. Teils kümmerte er sich um die Hallenzeit, teils der Kunde. Auch der Verein bei dem er angestellt war buchte einzelne Techniktrainings für seine Spieler auf Honorarbasis, stand dabei aber immer in Konkurrenz zu externen Aufträgen, die unter anderem wegen der Chancen zum Vernetzen oft lukrativer waren. Basierend auf der Argumentation des Urteils kann ich mir gut vorstellen, dass es in diesem Fall rechtlich weiterhin passend wäre die regelmäßige Betreuung einer Mannschaft als Angestellter zu machen, die Durchführung von speziellen Einheiten aber auf Honorarbasis, da dies ja ein separates Geschäftsmodell ist bei dem er durchaus Unternehmerisch tätig ist. (Mittlerweile ist das seine Haupteinnahmequelle und er arbeitet auch mit Profispielern die als Sportler jährlich Millionen verdienen, ist also als deren Skills-Coach durchaus eine eigene Marke)

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Dass „diverse Volljuristen (…) keine Ahnung von ihrem Fachgebiet haben“ habe ich übrigens nie behauptet. Weder habe ich „keine Ahnung“ benutzt noch das Fachgebiet des Gerichts adressiert. Der Verständnis eines Businessmodells liegt zumindest für mich eher in der Betriebswirtschaft als in Jura.

Was soll ich noch besser begründen? Der Kunde des Trainers ist nicht der Kursteilnehmer. Es liegt auf der Hand, dass der Kunde die Partei ist, die den Trainer bezahlt und engagiert, nicht ein Random Studiobesucher, der weder einen Vertrag mit dem Trainer abgeschlossen hat noch ihn irgendwie für seine Dienstleistung bezahlen muss.
Daher würde ich mich freuen, wenn du außer dem Autoritätsargument noch eine weitere Erklärung für mich hättest.

Ansonsten gehe ich einfach davon aus, dass das Gericht gemeint hat, dass die Selbständigkeit viel plausibler gewesen wäre, wären die Kursteilnehmer die Kunden gewesen und hätte der Trainer die Möglichkeit gehabt, einfach irgendwelche anderen Kurse anzubieten. (Schreiben sie zwar nicht, wäre für mich aber nachvollziehbarer… vielleicht wurde der Text unglücklich gekürzt oder so…)

Wichtig ist aber, dass das Anzeichen für Selbstständigkeit sind, ihr Fehlen aber kein Beweis von Scheinselbständigkeit.

Unterm Strich hoffe ich, dass du Recht hast und die Auslegung der Rechtslage sich nicht groß geändert hat. Die Petition dürfte da etwas dramatisieren.

Inwiefern ist es kontrovers, dass „Künstler“ keine besonders wichtige Berufsgruppe sind?

Nur aus Neugierde.

Die Richter haben mit der Entscheidung Einblick recht ausführlich Einblick in die Faktenlage und ihre Argumentation gegeben. Das ist alles andere als ein reines „Autoritätsargument“.

Die Richter führen eine ganze Reihe an Aspekten an, die sie zu ihrem Urteil kommen lassen. Scheinselbsständigkeit wird nach meinem Verständnis selten an einem Indikator festgemacht, sondern an einer Würdigung der Gesamtbetrachtung des tatsächlich gelebten Arbeitsverhältnisses. In diesem Fall:

Die Kursleiter seien in die Arbeitsorganisation der Bf eingebunden.

Die Bf bestimme das Angebot an Trainingsmöglichkeiten und Kursen, sie bestimme, ob Kurse bei fehlender Auslastung nicht stattfanden und sie akquiriere Kunden.

Die Kursleiter hatten die Aufgabe, das vorgegebene Programm auszufüllen. Die Kursleiter hätten nicht nach eigenem Gutdünken das Kursangebot verändern oder durch andere Kurse ersetzen können.

Die Kurse seien in den Räumlichkeiten der Bf durchzuführen gewesen. Die Dienste seien höchstpersönlich erbracht worden.

Angesichts dieser tatsächlich gelebten Verhältnisse komme es auf eine theoretische Delegationsbefugnis nicht an.

Sie hätten Dienstkleidung getragen und an Dienstbesprechungen und Schulungen teilgenommen.

Die Kursleiter trugen kein unternehmerisches Risiko. Sie seien nach einem fest vereinbarten Stunden- oder Minutensatz vergütet worden. Sie unterhielten keine eigenen Geschäftsräume oder Mitarbeiter. Die Arbeitsmittel würden im Wesentlichen von der Bf gestellt.

Nicht weiter ins Gewicht fielen die Gewerbeanmeldungen, der Ausschluss von Ansprüchen von Entgeltfortzahlung bei Krankheit und Urlaub sowie das Tätigwerden für andere Auftraggeber.

Auch interessant für die Beurteilung anderer Fälle:

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG […] ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen […]. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung.

Auch auf das Thema „Weisungsgebundenheit“ wird eingegangen. All diese Punkte adressieren in ihrer Gesamtheit auch die Frage des B2B vs B2C: Selbst wenn die Fitnesstrainer ihre Dienstleistung dem Studio und nicht den Schülern angeboten haben ist immer noch entscheidend, ob sie dabei die Kriterien der Selbstständigkeit erfüllen. In diesem Fall haben sie das nicht getan.

Wie gesagt ist die Entscheidung in ihrer Gänze lesenswert und wie ich finde auch für Nichtjuristen verständlich, wenn man sich mit dem Thema auseinandersetzen will

Danke für deine ausführliche Zurechtweisung. Ich habe nirgendwo gesagt, dass das Urteil des Gerichts in diesem Einzelfall falsch wäre. Im Gegenteil.

Ich lese in deinen Ausführungen auch keine Erklärung dafür, warum der Kunde nicht das Studio sein soll.

Ich schließe daraus zwei Dinge:

  1. Ich habe weiterhin keinen Grund anzunehmen, dass meine Einschätzung, dass das Gericht sich bzgl. des Kunden irrt, falsch ist. (Wie das Gericht es evtl. gemeint hat, habe ich oben bereits geschrieben.)
  2. Du argumentierst lieber gegen die Dinge die du mir unterstellst und ignorierst, was ich schreibe. Daher hat jede weitere Diskussion keinen Zweck.

Warum es Leute gibt, die scharf darauf sind, ohne die Absicherungen zu arbeiten, kann ich dir zumindest in meiner Branche gut erklären.
Die Lehrkräfte in den Bereichen Tanz, Musik, Schauspiel etc. sind sowohl praktizierende Kreative als auch Pädagogen. Sie verstehen sich als Freiberufler und verdienen ihren Lebensunterhalt nicht mit einer bestimmten Stelle, es ist immer ein Konvolut aus Tätigkeiten. Ein Schauspieler wird ab und zu gebucht für eine Produktion, gibt sonst 1-2 Tage in der Woche Unterricht an einer Schauspielschule und bietet noch freie Worksshops an etc.
Ein Musiker gibt ab un zu Konzerte, unterrichtet 2 Tage die Woche, einen Tag hier, einen Tag da, das wird garniert mit Privatschülern und freien Projekten etc.

Anders ist der Lebensunterhalt im Mittelbau in diesen Branchen kaum zu gewährleisten. In der Öffentlichkeit finden diese Menschen oft wenig Beachtung und ich stoße immer wieder auf verdutzte Blicke wenn ich erläutere, wie der Arbeitsalltag vieler Kreativer aussieht. Corona hat gezeigt, wie wenig sich die Öffentlichkeit für Kreative interessiert, diesen Branchen haben sich bis heute nicht im Ansatz von der Coronakrise erholt.
Damit der Lebensalltag überhaupt funktionieren kann, ist es entscheidend, dass man wenig Weisungen unterliegt. Ich kann als nicht angesteller Lehrer mir die Freiheit nehmen, meine Schüler zu verschieben ohne dafür Ärger von oben zu bekommen.
Mich stört auch wirklich die Perspektive auf die Unternehmen, die hier als „Kostenvermeider“ dargestellt werden. Musikschulen oder Tanzschulen sind oft kleine Betriebe mitten in den Städten, die niemals große Profite erwirtschaften können. Es sind oft Menschen mit Herzblut die einfach in ihrem Stadtviertel Unterricht zu einem bezahlbaren Preis anbieten wollen. Das ist in der Regel mit den hohen Lohnkosten (noch viel höheren bei Anstellungen) und den hohen Mieten niemals wirtschaftlich, es sei denn, man nimmt horrende Gebühren.

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Danke für die ausführliche Darstellung der Argumente des Gerichtes. Ich kann absolut nachvollziehen, dass bei dieser Gesamtgemengelage eine Scheinselbstständigkeit festgestellt ist.
Dieses konkrete Beispiel ist jedoch viel krasser und eindeutiger als das Herrenberg-Urteil, was einen sehr typischen Fall in Musikschulen behandelt. Hier ein Link zum Urteil: Bundessozialgericht - Entscheidungen (ab 2018) -

Hier ein Auszug aus dem Urteil:

„Sie (die Lehrkraft, Anm. von mir) sei hinsichtlich Art, Ort und Inhalt des Musikunterrichts an die Weisungen der Klägerin gebunden gewesen und habe ihre Arbeitskraft wie festangestellte Lehrkräfte ohne nennenswerte Freiheiten in die von der Klägerin vorgegebenen Organisationsabläufe und deren Betriebsstruktur eingebracht. Zwar komme den Lehrenden bei der Erteilung von Musikunterricht eine pädagogische Freiheit zu. Sie habe aber den Unterricht nach Maßgabe der Lehrpläne des VdM in den Räumen der Klägerin mit den von ihr zur Verfügung gestellten Instrumenten erbringen müssen und sei hierfür eingeteilt worden. Sie habe bei den Vorbereitungen der ihr zugewiesenen Schüler zum Zwecke eines gemeinschaftlichen Musizierens arbeitsteilig mit anderen Lehrkräften zusammengearbeitet und sei verpflichtet gewesen, mindestens an vier Konferenzen im Jahr teilzunehmen.“

Was sich hieraus und auch aus dem Urteil insgesamt lesen lässt, ist, dass die pädagogische Freiheit alleine nicht ausreicht. Es geht bei der Frage der Weisungsgebundenheit also viel eher um zeitliche Abläufe und Nutzung der Räume. Jetzt meine Frage: wie soll man Musikunterricht organisieren in einer Musikschule, ohne dass es eine definitve Zuweisung von Räumlichkeiten geben muss? Das geht wohl kaum.
Der Hinweis auf die Lehrpläne des VDM ist ein bisschen albern, ich kenne den Lehrplan des VDM sehr genau, da steht viel Laberei drin, aber nichts konkretes. Mann kann also daraus keine Weisung begünden. Ich könnte irgendetwas machen und finde bestimmt immer einen Grund, das mit dem Lehrplan des VDM zu begründen.

Ein Auszug aus der Argumentation der Musikschule: (die die Klage eingereicht hat, mit der Lehrkraft als Beiklägerin)

„Die Beigeladene sei nicht zur Erteilung von Klavierunterricht eingeteilt und ihr seien auch keine Schüler zugewiesen worden. Die ihr angebotenen Schüler habe sie ablehnen können. Die Unterrichtszeit sei nicht vorgegeben, sondern abgestimmt worden. Die Unterrichtstätigkeit sei von Einzel- und Gruppenunterricht geprägt gewesen, nicht von der Teilnahme an vier Konferenzen im Jahr oder ein- oder zweimal jährlich stattfindenden Schülervorspielen und der Vorbereitung auf gemeinsames Musizieren. Es sei weder ein Arbeitsverhältnis vereinbart worden noch ergebe sich aus den festzustellenden Umständen ein Grad an persönlicher Abhängigkeit, der auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses schließen lasse.“

Das scheint mir schlüssig argumentiert und deckt sich mit meinen Erfahrungen als Klavierlehrer. Ich finde es bei allem Respekt vor dem Gericht schade, dass diese Argumente nicht ausgereicht haben. Zumal in diesem konkreten Fall sowohl Musikschule als auch Lehrkraft die Selbständigkeit wollten.

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Tatsächlich ist die Selbständigkeit hier das Problem. Denn Angestellte bekommen ihren Lohn weiterbezahlt und der Arbeitgeber kann sich das Geld über das Seuchenschutzgesetz wieder holen.

Auch im Herrenberg-Urteil sehe ich eine erstaunlich zuvorkommende Art, mit Unterrichtsausfall umzugehen.
Keine Entschädigung, die die Musikschule bei Krankheit des Lehrers fordert, stattdessen können die Stunden in Abstimmung mit der Schule nachgeholt werden. Von den Schülern verursachter Ausfall wird hingegen auch ohne Leistungserbringung vergütet.

Erstmal: ich verstehe, warum viele Musiklehrer eine freiberufliche Tätigkeit bevorzugen. Wie gesagt bin ich auch Freiberufler und auch bei mir ist das eine bewusste Entscheidung für berufliche Flexibilität und Unabhängigkeit.

Danke für den Link und die Auszüge, sehr interessant!

Ich denke was klar wird ist dass das Gericht hier die organisatorische Eingebundenheit sehr viel höher bewertet als die pädagogische Freiheit in der Unterrichtsgestaltung. Ich kann nicht beurteilen, inwiefern das eine „Neuauslegung“ ist, aber sie ist meiner Ansicht nach recht offensichtlich vom Wortlaut des Gesetzes gedeckt.

Wenn ich die verschiedenen Urteile richtig verstehe, dann ist die Sachlage hier nuancierter. Als Anzeichen für Selbständigkeit würde vermutlich gewertet werden, wenn die Musikschule Räumlichkeiten an Musiklehrer vermieten würde, der Musiklehrer also das wirtschaftliche Risiko einer mangelnden Auslastung in vollem Umfang trägt (indem er die Musikschule für die Nutzung der Räumlichkeit vergütet und bei einem vom Schüler verschuldeten Ausfall nicht schadlos gestellt wird).

Aus Sicht des Gerichtes dürfte es unerheblich sein, ob ein bestimmtes Geschäftsmodell (egal ob Musikschule oder Fitnessstudio) in dieser rechtlichen Interpretation nicht mehr praktikabel ist. Das Fitnessstudio in dem zitierten Urteil ist über das Verfahren Insolvent gegangen. Selbst wenn das Urteil dazu führen sollte, dass sämtliche Musikschulen Deutschlands schließen müssten, ist das erstmal ein Problem für die Politik, nicht die Gerichte.

Ich sehe das ein wenig anders. Die vom Gericht vorgetragenen Bedenken scheinen von der Argumentation nicht vollständig entkräftet, insbesondere der Aspekt der organisatorischen Einbindung und des wirtschaftlichen Risikos wird von der Argumentation der Schule nicht wirklich adressiert.

Das eine steht nicht im Widerspruch zum anderen. Musikschulen leisten ohne Zweifel eine gesellschaftlich wichtige Aufgabe und sind in aller Regel kein Geschäftsmodell zur Erwirtschaftung großer Gewinne. Aber gerade aus dem Grund ist es für die Betreiber von Musikschulen vermutlich verlockend, die finanziellen Vorteile der Nutzung von Honorarkräften in Anspruch zu nehmen, zumal viele dieser Honorarkräfte grundsätzlich gerne Freiberufler sind – selbst wenn man damit nicht zu 100% gesetzkonform ist.

Wenn die DRV mit der Durchsetzung des Herrenberg-Urteils ernst macht, dann gibt es zum Erhalt des aktuellen Systems für Musikschulen vermutlich nur die Möglichkeit, dass sich die Musikschulen in ihrer Arbeitsorganisation deutlich verändern. Zum Beispiel indem sie zu reinen „Musikhäusern“ werden, in denen Musiklehrer Räumlichkeiten und Instrumente auf eigene Rechnung mieten können.

Die Alternative wäre, dass (durch die Politik oder die Kunden) mehr Geld in das System kommt und damit Musikschulen in die Lage versetzt werden, die Lehrer grundsätzlich fest anzustellen.

Eine Festanstellung steht im Übrigen nicht im Widerspruch zu einer flexiblen Arbeitsgestaltung. Arbeitszeiten müssen zwar dokumentiert werden, Arbeitgeber können ihren Arbeitnehmer aber praktisch unendliche Freiräume geben, wann und wie sie ihre Arbeit erledigen (ja ja, die Ironie). Ich könnte mir gut vorstellen, dass es zwischen Musiklehrern und Musikschulen zu einer neuen „Beziehungskultur“ kommen kann, die auch mit Festanstellungen für alle Beteiligten funktioniert.

Deswegen sehe ich auch die Politik in der Pflicht zu prüfen wo man hier durch eine Änderung der Gesetzeslage ggf. Modelle weiterhin ermöglicht die ohnehin in ihren Grundzügen weiter bestehen werden, aber durch Umwege erzielt werden, die keiner Seite einen Vorteil bieten sondern nur weiteren Aufwand mit sich bringen.
Oder zumindest durch eine klarere Trennung dafür zu sorgen, dass es unter den bestehenden Regeln eine Planungssicherheit gibt und nicht später enorm hohe Nachzahlungen drohen, z.B. durch Prüfung ob das Vorgehen einer Musikschule oder eines Fitnessstudios so gesetzeskonform ist oder nicht.

Ich bin nicht wirklich in der Materie Musikschule drin, aber ein Bekannter der Musiklehrer ist sagte, dass er selbst die Stunden die bei ihm zuhause stattfinden über eine Musikschule anbietet, weil die die Verwaltungstechnischen arbeiten erledigen können für die er weder Zeit noch Talent hat. Anwerben der Schüler und Planung der Zeiten findet dagegen in der Regel direkt durch den Musiklehrer statt und nur zum Teil über Anfragen direkt an die Musikschule. Und auch eine Kollegin die für ihre Tochter jetzt Stunden bei einer Klavierlehrerin gebucht hat tat dies über eine Musikschule (dieselbe) obwohl die Stunde bei der Klavierlehrerin stattfindet.
Wahrscheinlich läuft es in Zukunft wirklich so, dass die Musikschule lediglich als Dienstleister für Räume, gemeinsame Werbung und Verwaltung erhalten bleibt und die Musiklehrer Raummieten pro Stunde zahlen sowie eine Gebühr für das Verwalten ihrer Schüler sowie zentrales Marketing.

Die Prüfung kann man jetzt schon bei der DRV machen. Man kann prüfen lassen ob Versicherungspflicht besteht oder nicht.

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Hier die Informationen der DRV zum sogenannten Statusfeststellungsverfahren: Homepage | Formularpaket Statusfeststellung | Deutsche Rentenversicherung